Missbrauch mit dem Missbrauch. Rainer Bertram
Kinder werden von den beiden Mamas gemeinsam geduscht und ins Bett gebracht.
Später sitzen wir noch zusammen. Die Mamas haben beim Duschen festgestellt, dass die Kinder ihren Körper entdecken und sich sehr interessiert beim Duschen betrachten und die beiden Mütter mit Fragen gelöchert haben. Die Freundin erzählt, dass vor einigen Tagen ihre kleine Tochter zu ihr kam, weil es „da“ so kitzele. Sie hätte weinend gefragt ob sie jetzt zum Arzt müsse. Auch meine Partnerin erzählt von einer „frühen“ Entwicklung bei unserem Sohn. Aber bei Levin ist das ein anderes Problem. Unser Sohn hatte lange Zeit die Angewohnheit den Stuhlgang zurück-zuhalten. Der Kinderarzt, den wir um Rat gefragt haben, erklärte uns: „Es tut weh, also hält er zurück. Dann tut es noch mehr weh“. Er empfahl uns Movicol und eine Belohnungsspirale. Wir sollten unseren Sohn regelmäßig zur Toilette bringen und ihm helfen. Rituale – gleiches Prozedere und Belohnung. Es waren harte Wochen. Ich kniete oft vor ihm vor der Toilette, hielt ihm beide Hände bis es endlich klappte. Wund sein, im Kindergarten unbemerkt die flüssigen Pupse in die Hose und erst Stunden später am Nachmittag eine frische Hose. Viel Creme war an der Tagesordnung. Er schrie vor Schmerzen, wenn er wieder mal nach dem Kindergarten einige Stunden einen flüssigen Pups in der Hose hatte und wir versuchten den Popo sauber zu machen. Ich erinnere mich an einen Abend als er sich laut weinend wehrte, dass der Popo mit Wasser abgespült werden konnte. Am nächsten Morgen hätte er einen offenen Po gehabt und deshalb versuchte ich mit aller Überredungskunst wenigstens die Reste von Kot zu entfernen. Für die Mama war das „Weinen“ so furchtbar, dass sie sich ins Bett zurückzog. Ich hatte wieder mal allein das Problem zu lösen. Als er dann sauber und wieder lachend im Bett lag, war auch die Mama tröstend da. Heute ist das selten geworden, Er geht allein und ruft nur wenn er fertig ist. Auch das Wund sein ist seltener geworden, er duscht oder badet allein, wäscht sich auch die Haare allein. Mama oder Papa halten meist nur noch den Duschkopf. Und noch etwas ist überwunden. Der Kinderarzt hatte bei unserem Sohn eine Phimose festgestellt und gab uns eine Cortison Salbe, welche die Haut weicher machen sollte. Als Sohnemann dann der Mama beim Baden zeigte, dass die Haut zurückging, fand sie das nicht lustig, sondern ekelhaft. Für mich war das eine vermiedene OP. Einige Tage später wollte er beim Duschen von mir wissen, ob er „da“ immer waschen müsse. Ich sagte ihm, dass man das nicht jeden Tag aber immer mal wieder machen sollte und Mama stand mit skeptischem Blick daneben. Sie meinte, dass er das noch nicht müsse. Im Stillen habe ich mich damals gefragt, ab wann denn dann? Und heute frage ich mich, warum plötzlich über Dinge diskutiert wurde, die in hunderttausend anderen Familien nicht einmal erwähnenswert sind. Wir Drei sind uns insoweit einig, dass das kindliche Entdecken des Körpers in diesem Alter völlig normal sei. Die Äußerungen der Kinder unter der Dusche zu Scheide und Penis sind damit im Gespräch abgehakt. Als wir alle zu Bett gehen, wird mir bewusst, dass unser Sohn nicht ohne Probleme die steile Treppe zur Toilette hinuntergetragen werden kann. Meine Partnerin schlägt vor, am nächsten Tag einen Joghurteimer zu kaufen.
Für diese Nacht hole ich zwei Frühstücksbeutel. Die kann man gut verschließen.
Sonntag, 01.07.2012
noch 120 Stunden
Gemütliches langes Frühstück. Hängen lassen. Die problematische Beziehung der Freundin zu ihrem neuen Freund ist ein Hauptthema, die Kinder beschäftigen sich mit ihren Spielsachen, die sie beim Brötchen holen bekommen haben. Meine Partnerin erzählt, dass Sohnemann zweimal in eine Plastiktüte gemacht habe. Nachdem Christel für mich völlig unerwartet unsere bisherige Praxis kritisiert, will ich nachlesen, ob mein Verhalten nicht sogar kontra-produktiv sei. Im Gespräch mit Doris Google ich auf dem I-Pad und finde einige Beiträge in denen „zu tiefer Schlaf“ als eine Ursache des „Bettnässen“ genannt wird. Wecken, Höschen – Klingel und manch „guter“ Rat ist zu finden. Meine Partnerin, die dazu kommt, lehnt für mich völlig überraschend, gegenüber Doris das Wecken und zur Toilette tragen ab und gibt der Klingelhose den Vorzug. Ich bin der Meinung, dass Levin so tief schlafen würde, dass er die Klingel auch nicht hören würde. Richtig sauer werde ich dann, als Christel verkündet, dass ihre Mutter gesagt habe, wir sollten ihr unseren Sohn drei Wochen lassen dann wäre er trocken. Wieder, wie so oft will die Mutter alles regeln können. Ich reagiere ziemlich heftig und verweise auf den Kinderarzt, der uns doch erklärt hat, dass sich alles auswächst. Ich empfinde es frustrierend, dass nicht zählt was wir machen, sondern in den Augen der Partnerin nur die allwissende Mutter – eben das für alle Belange zuständige „B“ – als einzig kompetent gesehen wird. Unser Sohn diskutiert mit mir über die Welt, den Weltraum, den Nordpol, Schiffe und Raketen. Er ist an allem interessiert, will alles wissen und verstehen. Besonders schön ist es, dass er auch versteht. Ich erinnere mich an ein Video, das ich bei einem unserer Ausflüge in die Weinberge gemacht habe. Levin klärt mit mir den Unterschied zwischen der „Erde“ und „Muttererde“. Er interviewt seine Mama über den Ausflug und nimmt das selbst auf dem Handy seiner Mama als Video auf. Er spielt Fremdenführer in dem Weinort und erklärt uns Torbögen und Fassaden während er filmt. Diese Videos sind für mich verloren, einzig das „Erdenvideo“ auf meinem Handy habe ich noch. Aber bei all seinen kognitiven Stärken und bei aller Fähigkeit zu diskutieren, Pipi macht er ins Bett. In allen Entwicklungsberichten des Kindergartens ist aufgeführt, dass Levin Schwächen beim Einnässen und auch beim Stuhlgang zeigt. Deshalb haben wir ja mit dem Kinderarzt die langfristige Erziehung besprochen. Auch beim Anmelden in der Schule haben wir auf dieses Problem hingewiesen. Die Phimose bei Levin ist mit der Kinderarzt-Methode behoben. Gott sei Dank ohne OP und vor allem ohne Oma. Auch muss ich nicht mehr vor ihm sitzen und seine Hände halten, bis der Stinker raus ist. Mittlerweile können wir warten bis er ruft. Nur Pipi macht er ins Bett. Er schläft so tief, dass er es nicht merkt. Wir haben es mit Wecken probiert und dann während des Aufenthalts bei ihrer Familie wieder Windelhöschen benutzt. Bei der Übernachtung mit dem Kindergarten haben wir mit der Erzieherin die „heimliche Windelhose“ ausgemacht, weil er sich vor den anderen Kindern und vor allem vor seinem „Freund“ Karl schämt. Aber er will auf keinen Fall nachts eine Windel anziehen. Das bedeutet für mich mehrmals aufstehen, und ihn zur Toilette bringen. Seiner Mama ist nicht entgangen, wie oft ich nachts die Bettwäsche gewechselt habe, wenn ich trotz Wecker mal zu spät kam. Sie hat es allen Freundinnen und Freunden und Nachbarn erzählt, was ich da leiste. Deshalb bin ich über diese fast aggressiv vorgebrachte Ablehnung unserer Methode erstaunt und frustriert zugleich. Über das Gespräch haben wir die Kinder außer Acht gelassen. Die Freundin ruft nach oben und fragt die Kinder was sie machen. Sie erhält zur Antwort, dass sie spielen würden. Kurze Zeit später ruft ihre Tochter runter, dass sie nicht gestört werden möchten, wir dürften nicht kommen. Wir akzeptieren das, denn es ist nicht das erste Mal, dass sie allein spielen. Plötzlich springt die Freundin auf und rennt nach oben, kommt aber beruhigt zurück. Die Balkontür sei geschlossen und die Kinder seien ganz oben. Ich kann endlich mal wieder lesen, während sich die beiden Frauen unterhalten. Wer von Beiden gesagt hat, dass wir mal nach den Kindern schauen sollten, weiß ich nicht. Ich glaube Beide sind nach oben gegangen. Kurze Zeit später kommt die kleine Tochter die Treppe herunter und kräht lustig, sie hätten nackig gespielt. Ihre Mama kommt lächelnd hinterher, schaut mich an und fragt mich, ob ich das gehört habe. Ich lege mein Buch beiseite und gehe nach oben. Christel sitzt auf der Schlafmatratze unseres Sohnes. Ich sage ihr, dass die Kleine gerade runtergekommen sei und „gekräht“ hätte, sie hätten nackig gespielt. Meine Partnerin erwidert: „Die haben nicht nur gespielt, die haben sich auch fotografiert“.
Hanni und Levin zusammen und – wie oft – Probleme. Kann eigentlich mal etwas normal laufen, wenn unser Sohn und die kleine Freundin zusammen sind? Länger als eine halbe Stunde ohne Schreierei habe ich bei den beiden Kindern noch nicht erlebt. Wie oft haben wir uns unterhalten, dass Hanni nicht länger als eine Stunde zu ertragen ist. Wie oft haben wir die Bitte von Doris, ihre Tochter Hanni mal für einige Stunden zu betreuen, mit Ausreden abgeschlagen.
Ich setzte mich aufs Bett und höre zu. „Wir sollten den Kindern klar machen, dass man so etwas nicht macht. Wir werden mit ihnen reden und die Handys wegtun“. Meine Partnerin erzählt, dass sie das Handy gefunden und zufällig die Bilder gesehen habe. Ich frage woher die Kinder denn das Handy haben. „Das ist dein Handy!“ Eigentlich hätte ich mir das ja denken können. Es darf nur mein Handy sein. Ihr Handy sieht zwar gleich aus, aber sie lässt ja nichts liegen. Das geht ja mal gar nicht. Und mein Handy lag wohl noch auf meinem Nachttisch