Ein Laib Brot, ein Krug Milch. Josef F Perkonig
eine Stunde die halben Leute des nahen Dorfes an, sie sollten den Webstuhl auf einem Gestell, das einige Tischler schon zimmerten, aus dem Hause rollen, und der Webstuhl wurde nicht zerlegt, nein, wozu war man John Leeds?
Glaubt es oder glaubt es nicht, Maurer brachen eine ganze Wand aus, das Haus bekam eine riesige, staubende Wunde, und durch das ausgebrochene Loch konnte man den Webstuhl sehen. Es gab aber nur wenige, die zu bemerken meinten, daß er sich ängstlich und trotzig tiefer in die dunkelnde Ecke drückte. An dem neuen Tore, das zusehends größer wurde, denn die Arbeiter brachen hier, wo es seltsam zuging, die Steine gern aus, auch war ihnen ein besonderer Lohn verheißen worden, stand der Mann, von dem alle glaubten, er wäre verrückt.
Und dann kam schließlich die große Stunde, die Stunde, in der die Mauer so weit abgetragen war, daß der würdige Herr Webstuhl durch die Türe, die nur für ihn geöffnet worden war, ins Freie treten sollte, zuerst auf das Gestell, daß so wunderbar geschickt erfunden war, daß sich die Tischler in ihrem Ruhme blähten, es mußte dieses Gestell ja eine schwere Last auf die Erde niederbringen und sie dann wieder auf den Wagen hochheben. Und alle Leute hielten, als man, immer unter erregter Anleitung des Amerikaners, den Webstuhl von seinem Platze fortrückte und Zoll um Zoll näher zur kostspieligen Öffnung brachte, den Atem an; so viele angestrengte Aufwendung, sie konnte nicht vergeblich gewesen sein, sie machte sich schon durch die stumme Bewunderung aller Zeugen bezahlt. Sehet nur, liebe Leute, was für ein unheimlicher Herr das Geld ist, jetzt schnauft es sich nach seinem Wettlauf gehörig aus! Und gegen diesen Herrn hat ein alter Webstuhl sich aufzulehnen vermessen, indem er in den Hausleuten Helfer zu haben meinte.
Jetzt wird er gleich den Kerker verlassen haben, jetzt wird er, behutsam geschoben – schon knarren leise die Rollen unter ihm – die hölzerne Bahn berühren, die ihm zur Straße hinab gebaut worden ist. Wie sollte sich, meinst du, ein einzelnes Geschöpf, um das so viel Mühe aufgewendet wird, der zehn Hände, oder sind es gar zwanzig oder dreißig, erwehren? Webstuhl der Väter, gewaltsam wirst du zum Auswanderer gemacht!
Es gibt treuherzige Berichte, die erzählen, wie sich Menschen bis zum letzten Augenblick an ein Stückchen Erde, an irgendein Ding oder aber auch an einen anderen Menschen klammern und dann, wenn sie sich von ihnen doch trennen müssen, in Verzweiflung vergehen. Sollte solche trotzige Treue etwa nur ein Vorrecht der Menschen sein? Oder nimmt zu gewissen Zeiten ein Gegenstand, den sie stets leblos nannten, der irgendwo in einer stummen, dämmerigen Verborgenheit seiner Stunde harrte, wie dieser vergessene, verlassene Webstuhl, der aus den Tiefen eines früheren Jahrhunderts in dieses herüberragte, wie die erhabene Gestalt einer merkwürdigen Sage, nimmt so ein lebloser Gegenstand nicht plötzlich die Art von Menschen an, deren Schicksal ähnlich war dem seinen? Ist das jetzt nicht das Seufzen eines müden Greises, der von seinem Platze verdrängt wird, auf dem er dem Tode entgegenzuträumen pflegte; jene, die Hand an ihn gelegt haben, sie hören es nicht, sie sind zu laut, sie eifern sich an, sie befehlen und gehorchen, sie sind klug und geschickt, sie alle vermehren Anstrengung und Erregung zu einem wahren Aufruhr. Viel Ehre für so einen ausgedienten Webstuhl!
Doch er will es ja nicht, er möchte in seiner Ecke ruhen, auch für ihn wäre dort einmal die letzte Stunde gekommen. Aber sie schoben ihn nun, nachdem sie viel behutsame Mühe aufwenden müssen, vollends an das Tageslicht, und da schwankte er denn zuerst wie ein Greis, den die Luft unter einem Lindenbaum ein wenig schwindelig gemacht hat, und dann schwankte er noch einmal stärker, ohne daß einer der Männer oder Burschen ungeschickt gewesen wäre, neigte sich, wie es ein Sterbender tut, und starb in den Armen der vielen Menschen, starb auf seine Weise, indem er in sich zusammenfiel und nur noch ein Haufen verworrenen grauen Holzes war. Da standen noch einige Arme, die ihn vorhin gehalten hatten, wie vor Schreck erstarrt in die Luft, da wagten sich mehrere leise Stimmen zu John Leeds hin und meinten, der Holzwurm habe den Webstuhl zernagt; sie zeigten auf das feine Holzmehl, das hochgestäubt war.
John Leeds zuckte die Achseln, er glaubte natürlich auch an den Holzwurm; was sollte er auch sonst glauben?
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