Kolonie 85 – Staffel 1: Die Verschwörung. Pia Fauerbach

Kolonie 85 – Staffel 1: Die Verschwörung - Pia Fauerbach


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dem die Konferenz stattfinden sollte. Alles wirkte ruhig und sogar ein wenig verträumt. Plötzlich erschütterte eine Explosion das Bild. Alia erschrak. Gleich darauf ereignete sich eine weitere Explosion und schließlich eine dritte. Das Kongresszentrum wurde fast vollständig zerstört, nur ein kleiner Teil wurde nicht von den Explosionen erfasst. Trümmer flogen durch die Luft und beschädigten Gebäude in der Nähe. Die Kameraperspektive wurde umgeschaltet, und nun sah man Passanten schreiend, panisch, verletzt durch das Bild laufen. Der Nachrichtensprecher redete weiter, im Hintergrund hörte man Sirenen, ein Grollen. Ein stark beschädigter Teil des Kongresszentrums war eingestürzt. Die Kameraperspektive wurde erneut geändert. Wieder eine Drohnenaufnahme. Rauchsäulen stiegen gen Himmel. Im Zentrum der Explosionen erkannte man, wie sich das Feuer durch die Trümmer fraß. Die Zerstörung hatte ein unglaubliches Ausmaß.

      Alia wurde kreidebleich. Sie war mit der Politik der Territorialregierungen oftmals nicht einverstanden, hatte aber seit ihrer Rückkehr dazu nie Stellung in der Öffentlichkeit bezogen. Generell lebte sie mit ihrer Familie zurückgezogen, ging nie aus und verließ das Haus nur, wenn es ihre Arbeit oder ihre Kinder verlangten. Dennoch war sie zutiefst betroffen über das, was sie soeben gesehen hatte.

      Die Hoffnung auf eine sichere Zukunft wurde durch eines der schlimmsten Attentate der letzten Jahrzehnte zerstört.

      »Mama, was guckst du da?«

      Alia schaltete sofort den Holoprojektor aus. Eine Reflexhandlung.

      »Das ist ...« Ihr fehlten die Worte.

      Fünf Jahre waren vergangen, seit die Mannschaft des ersten bemannten Raumflugs zum Sternensystem Alpha Centauri nach einer großen Katastrophe mit einem Raumschiff, mächtiger und schneller als alles, was die Menschen auf der Erde bislang gesehen hatten, von ihrer abenteuerlichen Reise zurückgekehrt waren. Mit einem fremden Schiff, bemannt mit Menschen, die nicht von der Erde stammten.

      Angesichts dieser Ankunft hatte die Welt den Atem angehalten. Das Schiff, das nach Alpha Centauri geschickt worden war – die Voyager – war das modernste Raumschiff gewesen, das die Erde je gebaut hatte. Es hatte fünf Jahre gebraucht, um die Strecke zurückzulegen; dieses fremde Schiff hatte sie in nur sechs Monaten bewältigt. Es schien fast so, als würde die Zeit für einen langen Moment stehenbleiben. Selbst der Mars, seit Jahren eine besiedelte Kolonie der Erde, wagte damals nicht einmal, eine Kommunikationsverbindung aufzubauen, in der Befürchtung, dieses fremde Raumschiff könnte eine Invasionsvorhut darstellen.

      Doch es kam anders.

      Die Barrafranca, so der Name des Schiffes der Interstellaren Union freier Planeten, wurde zunächst als interplanetare Bedrohung angesehen. Erst ein Treffen zwischen der Union, der schiffbrüchigen Voyager-Crew und einer Abordnung der Erde änderte dies. Die Welt war aber in Unruhe geraten.

      Es dauerte Jahre, bis die Bevölkerung von Mars und Erde verstanden hatte, dass keine Gefahr drohte. Sondereinheiten des Militärs waren jahrelang damit beschäftigt, die weltweiten Spannungen in den Griff zu bekommen. Es wäre ein Leichtes gewesen, mit militärischem Druck alle Anzeichen von Aufständen niederzuschlagen. Doch so wurden noch größere Ausschreitungen befürchtet. Daher entschied man mit einer entsprechenden Order, jeden entstehenden Konflikt unblutig zu beenden. Eine Herausforderung, die nicht überall auf Zustimmung stieß und nicht immer gelang.

      Als sich die Situation nach jahrelangen Bemühungen wieder beruhigt hatte, hielten es die Verantwortlichen der großen Territorialregierungen für sinnvoll, ein Zeichen des Friedens zu setzen.

      Doch dieser Plan, diese Hoffnung, schien mit drei riesigen Explosionen in Rauch aufzugehen und alle hehren Ziele unter dem Schutt des Kongresszentrums zu begraben.

      Alia dachte darüber nach, dass sie ursprünglich die Stelle der Beraterin bei der WSA, der World Space Administration, hatte erhalten sollen, um bei jeglichen Verhandlungen mit den Vertretern der Interstellaren Union als eine Art Vermittlerin tätig zu sein. Sie hatte diese Aufgabe jedoch abgelehnt, weshalb man mit dem Angebot an Michael Barnetti herangetreten war.

      »Mike«, flüsterte sie dann kaum hörbar. Höchstwahrscheinlich war er bei dieser Konferenz dabei gewesen.

      »Mama, was ist denn?«

      Alia sah ihr Kind an und versuchte zu lächeln. Doch eine Träne lief ihr über die linke Wange, ihre Augen röteten sich.

      »Nichts, kleine Sonne«, log sie. »Ich bin ein bisschen müde«, fügte sie schnell hinzu und tat so, als müsste sie gähnen. Dabei fielen ihr einige lange Haarsträhnen ins Gesicht und verdeckten so eine weitere Träne. Ihre Tochter beäugte sie misstrauisch, doch die Erklärung schien für den Moment zu reichen.

      »Du solltest nicht immer so lange arbeiten, Mama«, erklärte Rhia mit ernsthaftem Gesichtsausdruck.

      »Und du solltest deiner Mutter keine allzu altklugen Ratschläge geben«, antwortete Alia zwar mit ernstem Tonfall, aber mit einem Lächeln. Das kurze Gespräch hatte ihr genug Zeit gegeben sich zu fangen. »Geh und weck deinen Bruder. Gleich gibts Frühstück. Und Zarah kommt sicher auch in ein paar Minuten.« Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, ging Alia in Richtung Küche, und Rhia trollte sich zurück ins Kinderzimmer.

      Alia begriff es nicht. Wer würde so etwas tun? Es hatten sich kaum Widerstände gegen die Unterzeichnung des Friedensvertrags abgezeichnet.

      Wie in Trance schaltete Alia in der Küche den kleinen Holoprojektor wieder ein, während sie das Frühstück vorbereitete. Erneut erschien das ernste Gesicht des Reporters. Diesmal schien er direkt vom Ort des Geschehens zu berichten, denn Alia erkannte um ihn herum nur Trümmer und Ruinen, die teilweise noch qualmten.

      »Hier sehen Sie die ganze Zerstörungskraft der drei Detonationen. Ersten Schätzungen zufolge muss mit mehreren hundert Toten und Verletzten gerechnet werden. Das PortCom-System ist überlastet. Wer zu den Opfern gehört oder hinter den Anschlägen steckt, ist zurzeit noch nicht bekannt. Die Eurasische Regierung hat den lokalen Ausnahmezustand verhängt.« Dann wechselte das Bild wieder zur Vogelperspektive. Der Teil des Konferenzzentrums, welcher nicht unmittelbar von den Explosionen betroffen war, war nunmehr vollends eingestürzt. Überall sah man Rettungstrupps im Einsatz, die immer wieder aufs Neue Menschen aus den Trümmern bargen. Alia vermochte aber nicht zu sagen, ob diese tot oder verletzt waren.

      »Aaliyah! Aaliyah, bist du noch da?« Alia wurde durch das Rufen ihres Namens aus den Gedanken gerissen.

      »Ja, ich bin in der Küche«, antwortete sie, wandte aber nicht ihren Blick vom Holoprojektor ab. Jetzt fiel ihr auf, dass es bereits sechs Uhr morgens war. Normalerweise verließ sie spätestens kurz nach fünf das Haus in Richtung Ausgrabungsstelle.

      »Hast du die Nachrichten gesehen?« Nur einen Augenblick später stand eine ältere Frau in Alias Küche und schaute ebenfalls auf den Projektor.

      Alia nickte und deutete auf den Holoprojektor, um ihre nächsten Worte zu unterstreichen. »Ich muss sofort nach Genf! Kannst du dich um Rhia und Ben kümmern?«

      »Um was zu tun? Aaliyah, komm erst einmal zu dir! Du weißt doch gar nicht...« Die ältere Frau brach ab, als Rhia und Ben in die Küche stürmten.

      » Zarah!«, riefen die beiden gleichzeitig und warfen sich in die Arme ihres Kindermädchens. »Backst du uns Pfannkuchen?«, sprudelte Rhia gleich los.

      »Mama lässt sie immer anbrennen«, fügte Ben keck hinzu, was ihm allerdings einen Schienenbeintritt seiner Schwester einbrachte.

      »Mach Mama nicht noch trauriger!«

      »In Ordnung. Ihr bekommt Pfannkuchen, aber nur, wenn euer Zimmer aufgeräumt ist«, erklärte Zahra schnell. Die beiden Kinder nickten und rannten unter Jubelgeschrei in ihr Zimmer. »Und dann nicht das Anziehen vergessen«, rief sie ihnen noch nach.

      »Der gleiche Trick hat bei dir und David auch meistens funktioniert«, fuhr sie an Alia gewandt fort. »Setz dich erst mal hin und trink eine Tasse Kaffee.«

      Zarah reichte Alia eine Tasse, und beide schwiegen einen Moment, während im Hintergrund der Projektor weiterhin die neuesten Berichte vom Genfer Anschlag zeigte.

      »Du


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