Gegen das Tabu. Georg Rösl

Gegen das Tabu - Georg Rösl


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zu meinem Recht käme und die Sache abschließen, moralisch sei ich sowieso auf der richtigen Seite.

      Die Klausel war mein einzig legales Mittel, die Herren in die Schranken zu weisen und mir Genugtuung zu verschaffen. Aber dazu musste ich rechtlich Vollgas geben, ohne den vollen rechtlichen Druck würde es keine gütliche Einigung geben. Ich entschloss mich, mir zu holen, was mir zustand. Da sie ihr Wort gebrochen hatten, musste ich meinen Teil der Abmachung, die Klausel nur im Notfall zu ziehen, mir gegenüber auch einhalten; so würde ich die Herren nicht davonkommen lassen. Gesagt, getan, ich erfand einen Vorwand, um in die Firma zu gehen, und überreichte meinem ehemaligen Mitarbeiter und neuen Herrn Vorstand die Klage persönlich. Das war mein persönliches Highlight 2011: ihm in die Augen zu schauen und ihm die Klage über eine hohe sechsstellige Summe persönlich in die Hand zu drücken. Ich sagte ihm, das habe er nun davon, mich hinterrücks zu hintergehen. Das saß. Ich verließ sein Büro und war gespannt, wie die Reaktionen ausfallen würden.

      Zusammen mit meinem Freund und Geschäftspartner Marc, der das Unternehmen eine kurze Zeit vor mir verlassen hatte, startete ich dann eine neue Beratungsfirma „Crossblue Media“. Durch meine guten Kontakte in verschiedene Branchen und meine alte Sales-DNA kamen wir schnell an Aufträge und Einnahmen, am Anfang vor allem im Bereich Marketing. Später wollten wir uns dann weitere spannende neue Projekte suchen.

      In den Osterferien verbrachten meine Frau und ich einige Wochen in unserer kleinen, aber feinen Wohnung in Florida. Es war schon ein unbeschreibliches Gefühl, das Aufstehen, den Strand, Sonne und gut gelaunte Leute einfach mal nur zu genießen. Der Abstand zu meiner alten Firma wurde größer und tat mir gut. Und mein neuer Partner Marc sorgte dann letztlich durch seine Vermittlung dafür, dass es nach mehreren Gesprächen mit meinem alten Partner via Skype aus Florida zu einer gütlichen Lösung kam: Wir einigten uns auf eine Summe. Ich war zwar immer noch sauer und hatte überlegt, ob ich nicht doch die Klage durchziehen sollte. Viel hatte nicht gefehlt. Aber man muss loslassen können. So trennten sich unsere erfolgreichen und aufreibenden Wege nach acht Jahren in der gemeinsamen Firma. Als wir uns ein paar Wochen später zufällig auf der Straße trafen, gaben wir uns die Hand und jeder ging seiner Wege.

      Mitte 2011, nachdem ich langsam zur Ruhe gekommen war und etwas Abstand von allem gewonnen hatte, dachten wir ernsthaft darüber nach, ganz in die USA auszuwandern, einfach, um einmal etwas Neues zu machen: ein Abenteuer, das einem bestimmt viel bringen würde. Eine Wohnung hatten wir ja schon. Wir hatten nach der fünften gescheiterten ICSI die Kinderplanung mal auf Eis gelegt, da unser Leben relativ stark von dem Thema Nachwuchs bestimmt wurde – was für eine Beziehung auch nicht das Gelbe vom Ei ist, wenn man nach drei Jahren ohne Pille und den anschließenden Versuchen mit der künstlichen Befruchtung immer noch keinen Erfolg hat. Das wird dann anstrengend und man muss aufpassen, dass man sich als Paar nicht darin verliert; wir wollten nicht, dass ein Kind da, aber die Beziehung kaputt ist.

       ADOPTION – EINE WEITERE IDEE, UM DOCH EINE FAMILIE ZU GRÜNDEN

      Eines Morgens wachte ich auf mit der Idee im Kopf, ob wir nicht ein Kind adoptieren sollten. Meine Frau fand die Idee auch ganz gut, so würden ihr weitere Spritzen und Medikamente erspart bleiben. An einem der nächsten Abende diskutierten wir, wie und wo. Von Freunden wussten wir, dass es in Deutschland mit unserem Durchschnittsalter kaum eine Chance gab. Also fragten wir uns, wo dann? Ich löste die Frage rückwärts und fragte mich, welche Länder nicht infrage kämen: Einige Länder waren aus sprachlicher und rechtlicher Sicht zu anstrengend, wegen der schieren Menge an Papierkram, Verträgen und Reisen.

      Am späten Abend meinte ich dann: „Wenn wir adoptieren, kann und soll man das auch sehen! Das stört uns nicht.“ Und da schoss mir der Gedanke an Boto, den kleinen Jungen aus dem Film „Plattfuß am Nil“, durch den Kopf. Ich hielt das für eine gute Idee und meine Frau auf Anhieb auch. Wir wollten uns dann mal anschauen, wie so was in Afrika funktionierte. Meine Art, Dinge anzugehen, Firmen aufzubauen, keine Probleme zu sehen, sondern Lösungen zu suchen, würde mir bestimmt helfen, diese Aufgabe anzugehen, das strukturiert voranzutreiben und damit auch weniger Stress zu haben. So begann ich Anfang 2012 mit der Recherche.

      Es lief alles glatt. Wenn ich etwas mache, dann interessiert mich alles, auch das Drumherum. So kam es, dass ich mir den Verein Africa Child e.V. vorher direkt vor Ort in Afrika ansehen wollte, um auf die vielen Aspekte der Adoption gut vorbereitet zu sein. Herr März, der Chef der Adoptionsstation und des Hilfsvereins für Kinder und Mütter in Afrika, begrüßte mein Ansinnen. Gesagt, getan, ich stieg in eine Lufthansa-Maschine (meine Frau hatte keinen Urlaub, und dem Chef zu beichten, wieso sie Sonderurlaub brauchte, ließen wir sein) nach Mombasa. Als ich ankam und aus dem Flughafen raus war, fiel mir auf, dass schon der Flughafen im Dschungel lag und noch dazu auf einer Insel. Herr März holte mich in seinem Bus vom Flughafen ab und wir fuhren direkt zu einer Fähre. Na ja, es war mehr eine schwimmende Plattform, und ich bekam gleich mal den ersten Schreck, wie die andere Welt, die man nur aus dem Fernsehen kannte, plötzlich real und so nah war. Im Radio wurde seit Tagen vermeldet, dass die Taliban angekündigt hatten, die Fährverbindung am Flughafen zu sprengen … Redeten wir über die Fährverbindung, auf der ich gerade im Auto saß? Das waren heftige zehn Minuten auf dem Floß, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen. Die Mutter-Kind-Station war gut zwei Stunden vom Flughafen entfernt, es war alles wie von der Adoptionsstelle in Deutschland beschrieben. Ich blieb dort sechs Tage, kümmerte mich in der Anlage auch um einige Handwerkerarbeiten und hatte viel Spaß mit den Kindern und Müttern, von Fußballspielen bis zum gemeinsamen Singen im kenianischen Busch war alles dabei. Es war eine beeindruckende Zeit, man könnte fast meinen, dass die am einfachsten lebenden Menschen, wenn die moderne Zivilisation sie in Ruhe lassen würde, am glücklichsten leben würden.

       WENN DER ANTRIEB IMMER WIEDER STOTTERT

      Nach meiner Rückkehr widmete ich mich wieder der Arbeit und befasste mich mit der Idee meines Partners Marc, mir eventuell mal einen Coach zu suchen. Gesagt, getan, so kam ich zu Herrn Dr. Scherer, Coach für Leben und Business, einem ausgebildeten psychologischen Therapeuten. Ich hatte seit meiner Depressionszeit vor drei Jahren zwar den schweren Part überstanden, kam aber seither im Leben irgendwie nicht wieder voll in Tritt und konnte seit längerer Zeit mein Leben nicht mehr genießen. Es fühlte sich zu oft an, als wäre ich lost in space, mir fehlte der Sinn in meinem Tun, besonders natürlich, seitdem wir damals das Kind verloren hatten. Außerdem war es für mich extrem traurig, dass ich meiner Frau und mir diesen Wunsch nicht erfüllen konnte, irgendwie trauerte ich doppelt. Dazu fühlte ich mich beruflich eben nicht ausgefüllt. Und das ging jetzt schon seit Längerem so. Der erste Termin war interessant und aus meiner Sicht mit zu viel Fragebögen gespickt, aber so fängt das wohl immer an. Als Erstes kam der Fragebogen zur Lebenszufriedenheit (für weitere Informationen dazu einfach „FLZ Fragenbogen“ bei Google-Suche eingeben) dran.

      Der Therapeut fragte mich dann, was er für mich tun und wie er mir helfen könne. Ich erklärte ihm erst mal, dass ich mit meinem Jobinhalt nicht wirklich glücklich sei. Ich könne damit zwar viel Geld verdienen, aber der Job mache mich eben nicht glücklich und daher auf Dauer wenig Sinn. Ich wolle das ändern und mir sinnvollere Projekte suchen. Meine eigentliche Antwort auf seine Frage war deshalb: „Ich will wieder gut funktionieren, wieder zurück auf meine Schienen, um wieder gut durchs Leben fahren zu können und Kraft für neue Projekte zu haben.“ Schon nach der dritten Sitzung merkte ich, dass es mir deutlich besser ging und der Motor erst mal wieder ansprang, also konnte ich wieder mit mehr Energie loslegen und meine übrigen Ziele angehen.

       EINE ZWEITE PLEITE DROHT, DAS ÜBERLEB’ ICH NICHT (BIS MAI 2013)

      Unter diesen Umständen hätte das Jahr 2012 normal und gut enden können. Die Firma lief immer besser, daheim war so weit alles okay und mit mir und meinen Gefühlsschwankungen kam ich mal besser und mal schlechter zurecht. Aber das dicke Ende kommt ja bekanntlich zum Schluss, in diesem Jahr Anfang Dezember.

      Ich hatte in meiner Jugend mal eine finanzielle Pleite erlebt. Seitdem habe ich mein Geld verdient, indem ich mich immer wieder


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