Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Und wenn ich die Burschen unter die Finger kriege, die dir das angetan haben, werde ich es ihnen heimzahlen.«
»Sie sind doch immer zu dritt«, schluchzte sie leise, »da ist jeder allein zu feige.«
»Nicht weinen, Emi, es kommt schon wieder in Ordnung«, sagte er beruhigend. »Ich war auf so was nur nicht vorbereitet. Ich dachte nur, daß sie herumstänkern wollten.«
»Sie haben deinen Wagen gestohlen und bestimmt auch Geld. Ich konnte doch nur noch nicht nachsehen.«
»Das überlaß den Polizisten. Ich werde nicht sagen, daß dein Bruder dabei war.«
»Doch, das mußt du sagen, und außerdem ist Kolia nicht mein richtiger Bruder. Ich will dir alles erzählen, Peter, wenn du mich nicht wegschickst.«
»Ich bin ja froh, daß du da bist«, sagte er. »Wieso ist Kolia nicht dein richtiger Bruder.«
Sie erzählte ihm die Geschichte. »Er hat Mutter viel Kummer bereitet, aber sie ist nun mal so, daß sie
ihn auch als ihr Kind betrachtet hat. Und sie dachte auch, daß es besser werden würde, wenn er erwachsen wird.«
»Was in einem Menschen drin ist, kann man nicht ändern«, sagte Peter nachdenklich. »Aber für dich bin ich froh, daß er nicht dein Bruder ist. Du hättest es mir längst sagen sollen.«
»Ich konnte es nicht. Er hat mich doch immer belästigt«, flüsterte sie. »Deshalb habe ich ihm dann immer wieder Geld gegeben. Ich hatte solche Angst vor ihm.«
Peters Lippen wurden ganz schmal. »Gerade das hättest du mir sagen müssen, Emi, dann würdest du jetzt nicht so aussehen. Es tröstet mich nur, daß du bald wieder so hübsch wie früher sein wirst.«
»Ich bin nicht hübsch«, stotterte sie.
»Für mich bist du schön«, sagte er leise. »Und ich habe dich sehr lieb. Wir werden heiraten, wenn du willst, und immer zusammenbleiben mit unseren Pflanzen und Blumen, und vielleicht haben wir dann auch mal Kinder, die die Freude mit uns teilen. Wir richten uns unsere Welt ein, Emi, und es ist schön, wenn du sie mit mir teilst. Ich weiß ja, daß du genausoviel Freude an der Natur hast wie ich.«
Emi meinte zu träumen. Aber Peter hatte das wirklich gesagt, und er hielt ihre Hand ganz fest.
»Manchmal muß halt was passieren, daß man den Mut hat zu reden, wie’s einem ums Herz ist«, sagte er gedankenvoll.
»Du willst das wirklich, Peter?« fragte sie bebend.
»Sonst würde ich es doch nicht sagen. Du weißt doch, daß ich nicht viel Worte machen kann. Willst du meine Frau werden, Emi?«
Ein größeres Glück konnte ihr nicht widerfahren. Gleich wurden ihre Augen ganz blank, und ein Lächeln teilte ihre Lippen.
»Es ist wie in einem Märchen«, sagte sie. »Ich habe dich doch auch so lieb, Peter.«
»Dann ist doch alles gut. Nun gib mir einen Kuß. Ich kann mich ja noch nicht aufsetzen.«
Nun, Dr. Jenny Behnisch hatte allen Grund, zufrieden zu sein. Ganz leise machte sie die Tür wieder zu. Gehört hatten es die beiden gar nicht, daß sie hereingeschaut hatte. Und dem Besuch des Polizeiinspektors sah sie nun auch mit aller Gelassenheit entgegen.
Daß aber Kolia und seine Kumpane noch am gleichen Abend verhaftet werden konnten, war wieder einmal einem Zufall zu verdanken.
*
Allen Widrigkeiten zum Trotz hatten Eva und Bernd mit ihren Müttern einen schönen, harmonischen Nachmittag verbracht. Die beiden Frauen verstanden sich so gut, daß das junge Paar restlos glücklich sein konnte.
Nach einem sehr guten Mittagessen waren sie noch weiter in die Berge gefahren und bei herrlichem Wetter lange gewandert. Und schließlich waren sie dann müde und hungrig in einem Gasthof gelandet, um sich vor der Heimfahrt nochmals zu stärken.
»Unsere Mütter haben Farbe bekommen«, sagte Bernd anerkennend. »Blendend schaut ihr beide aus.«
»Das lassen wir uns gefallen, Annelie«, lächelte Barbara. »Untersteht euch nicht, uns als alte Damen zu bezeichnen.«
»Wie könnten wir«, sagte Eva fröhlich. »Ich bin ja so froh, daß ihr euch versteht.«
»Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, daß die Schwiegermütter oft verteufelt werden«, meinte Annelie.
»Alle sind ja auch nicht so wie ihr«, stellte Bernd fest. »Und wenn ich ganz ehrlich sein soll, hätte ich auch nicht gedacht, daß Mama so mitmacht.«
»Da habt ihr es!« sagte Barbara. »Aber ich will auch ehrlich sein. Ich hätte es mir auch nicht so harmonisch vorgestellt. Hoffentlich bekommen wir uns dann als Großmütter nicht doch noch in die Haare.« Sie zwinkerte Annelie zu.
»Das wird sich ja wohl bald herausstellen«, entfuhr es Annelie.
»Alles hübsch der Reihe nach«, sagte Barbara. »Erst Hochzeit, dann der Nachwuchs.«
Darauf herrschte doch betretenes Schweigen; und Bernd zumindest sah die Harmonie schon verflüchtigt. Aber da fuhr Barbara, nachdem sie von einem zum anderen geblickt hatte, fort: »Jetzt soll es ja manchmal üblich sein, daß die Kinder schneller kommen.«
»Früher war das auch öfter so, als man meint. Da wurde es nur vertuscht«, sagte Annelie.
»So war es«, meinte Barbara. »Ich kann mich noch genau an einen Fall aus meiner Jugendzeit erinnern.« Ihr Blick schweifte in die Ferne, und mit einigem Herzklopfen warteten die anderen drei darauf, was sie erzählen würde.
»Reni war das hübscheste Mädchen in unserer Klasse«, begann Barbara. »Ihr Vater war Oberbürgermeister und ihre Mutter schrecklich etepetete, schlimmer als meine. Dein Vater war übrigens ihr Tanzstundenherr und mal schrecklich verliebt in sie, Bernd.«
»Liebe Güte«, seufzte Bernd, »Mama hängt Erinnerungen nach.«
»Das finde ich schön«, sagte Annelie.
»Ich auch«, fügte Eva hinzu. »Erzähl nur weiter, Mama.«
»Und ich muß gestehen, daß ich damals noch keine Augen für meinen Fritz hatte«, fuhr Barbara fort. »Da war ein Achim mein großer Schwarm. Und besagter Achim war dann eines Tages mit Reni zusammen und mein Fritz tröstete sich mit mir. Mein Gott, wir waren siebzehn, und für die damalige Zeit noch Backfische. Aber es war schon Krieg, und gleich nach dem Abitur wurden die Jungen in die Uniform gesteckt. Achim gehörte zu denen, die die ersten Opfer waren. Und Reni bekam ein Kind.
Zuerst war sie von der Schule verschwunden und dann ganz von der Bildfläche, aber als Achim gefallen war, kam sie mit ihrem kleinen Sohn zurück, und beide Großelternpaare rissen sich um das Kind.« Sie machte eine kleine Pause. »Ich wollte damit nur sagen, daß sie damals auch gar nicht so schrecklich verklemmt waren.«
»Und du warst froh, daß dein Fritz dann aus dem Krieg heimkehrte«, sagte Annelie.
»Ja, liebe Annelie, die schweren Jahre, das Warten hatte uns bewußt gemacht, daß wir zusammengehörten. Wir haben eine glückliche Ehe geführt.«
»Wir auch«, sagte Annelie. »Es wäre schön gewesen…«
»Nicht traurig werden, Mutti«, sagte Eva.
Annelie griff nach Barbaras Hand. »Jetzt habe ich ja jemanden, mit dem ich reden kann über damals«, sagte sie.
»Wenn man in der gleichen Situation ist, versteht man sich gleich gut.«
»So ist es, Annelie«, gab Barbara zurück.
Bis dahin war es gemütlich in der Gaststube zugegangen. Doch plötzlich kamen drei junge Burschen johlend herein, schon angetrunken, und die Stimmung war dahin.
Annelie wurde blaß. »Da ist der Bruder von Emi dabei«, flüsterte sie.
»Und draußen steht der Wagen von Peter Kleinschmidt«, murmelte Eva, die am Fenster saß.