Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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und ob so eine Tante auch nett zu ihm ist. Aber sie muß ja zu allen Kindern nett sein. Dafür wird sie bezahlt. Ich habe Dich aber gern, weil ich mich auch mit Deinem Papi gut verstehe, und das wollte ich Dir sagen. Du brauchst es ihm ja nicht gleich wieder zu schreiben. Es grüßt Dich herzlich, Deine Linda.

      »Ich bin sauer«, sagte Toby, als Annabel den Brief sinken ließ.

      »Warum bist du sauer?« fragte Annabel.

      »Weil sie weiß, was ich an Papi schreibe. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er mit ihr darüber redet. Was wir uns zu sagen haben, darüber reden wir nämlich mit niemandem.«

      »Mit mir redest du doch aber auch über deinen Papi, Toby«, sagte Annabel sanft.

      »Das ist ganz was anderes«, sagte der Junge. »Die Krauss kann ich nicht leiden. Sie ist immer so aufgetakelt. Und Papi hat mir außerdem versprochen, daß niemand ins Haus kommt, den ich nicht leiden kann. Er will ja nicht, daß ich krank werde.«

      Fieber hatte er jedenfalls nicht, und nun verblaßten die Flecken auch schon wieder. Annabel kannte solche Zustände. Sie kannte sie aus eigener Erfahrung. Sie war auch so sensibel.

      »Sie soll mir bloß nichts schenken«, knurrte Toby. »Das gucke ich gar nicht an.«

      »Wann hast du eigentlich Geburtstag?« fragte Annabel.

      »Am zwanzigsten September. Da werde ich zehn, und da gehe ich dann schon aufs Gymnasium.«

      Annabel zuckte zusammen. »Am zwanzigsten September«, wiederholte sie leise.

      »Und dich lade ich ein, aber nur dich«, sagte Toby. »Kommst du auch, Annabel?«

      »Ich kann hier doch nicht weg, Toby«, sagte sie.

      »Doch, das ist ein Sonntag, und da hast du doch manchmal frei. Und außerdem ist dann auch Jans Tante Maxi schon hier. Ich habe schon alles überlegt.«

      »Ich kann es dir wirklich nicht versprechen, Toby«, erwiderte Annabel mit belegter Stimme.

      »Aber wenn ich krank wäre, dann würdest du mich schon besuchen«, sagte er drängend.

      »Warte doch erst mal ab, bis dein Papi wiederkommt«, sagte sie leise. »Du weißt doch gar nicht, wie er denkt.«

      »Doch, das weiß ich. Du kannst ja auch den letzten Brief von ihm lesen. Mein Papi freut sich, daß ich mich so gut mit dir verstehe, und deshalb lügt die Linda Krauss auch. Sie will ihn bloß für sich haben, aber da kann sie sich die Zähne ausbeißen«, sagte Toby grimmig. »Da ist auch der Brief von Papi.«

      Aber den wollte Annabel nicht lesen, doch sie mußte. Er drängte solange, bis sie ihn auseinanderfaltete.

      Mein lieber Toby, ich bin sehr froh, daß Du Dich wohl fühlst und Dich mit Annabel so gut verstehst. Aber Du schreibst meist von ihr. Bist Du mit Kathrin nicht mehr soviel beisammen. Hoffentlich gefällt es ihr genauso gut. Natürlich freut es mich auch, daß Jan Dein Freund ist. Es ist gut, wenn man einen Freund hat. Ich vermisse es sehr, daß ich mich mit niemandem ernsthaft unterhalten kann. Allerdings bin ich abends auch immer sehr müde. Das Klima ist anders als bei uns, und ich muß mich tatsächlich um alles kümmern. lch bin froh, wenn die Zeit um ist und wir wieder zu Hause sein werden. Aber Du scheinst fast lieber im Tannenhof zu sein. Bitte, versteh, daß ich Deine Annabel nicht einfach fragen kann, ob sie für immer zu uns kommen würde. Sie ist Erzieherin und keine Hausdame. Es geht nicht darum, ob ich ihr das gleiche Gehalt zahlen könnte. Daran würde es bestimmt nicht liegen, mein Junge. Du weißt, daß ich zu allem bereit bin, was Dich glücklich macht. lch habe große Sehnsucht nach Dir und verspreche Dir, daß ich nie was tun würde, was Dich betrüben könnte. Du bist für mich das Wichtigste in meinem Leben. Mit lieben Gedanken und Grüßen, Dein Papi.

      Tief berührt wurde Annabel von diesem innigen Brief. Sie hatte schon viele gelesen, die Väter ihren Kindern geschrieben hatten, die sie vorlesen mußte, weil die Kinder selbst nicht lesen konnten, aber niemals hatte sie aus den Zeilen eine so innige Verbundenheit gespürt.

      »Ja, ich hab’s geschrieben, daß ich dich am liebsten immer bei uns haben möchte, Annabel«, sagte Toby. »Ich weiß doch selber nicht, warum ich dich so lieb habe. Ich habe dich eben einfach lieb, und deshalb bin ich gern auf dem Tannenhof. Nicht wegen Kathrin. Sie ist ja noch so klein. Sie sagt immer, daß sie mich mal heiraten will, wenn wir erwachsen sind, aber man weiß doch nie, wie alles kommt. Das ist doch jetzt bloß so ein Gerede. Aber ich darf doch sagen, daß ich dich lieb habe. Oder willst du das nicht?« fragte er ängstlich.

      »Doch, es macht mich glücklich, Toby«, sagte sie leise. »Man kann nicht alle Kinder, die man betreut, gleich liebhaben, und dich habe ich nun mal sehr lieb, wenn ich das auch nicht sagen dürfte.«

      »Ich sag’s ja auch nicht weiter«, flüsterte er. »Aber ich bin so froh, wenn ich mal mit dir allein sein kann. Dafür würde ich auch mal wieder krank sein.«

      »Um Himmels willen, bloß nicht, dann dürfte ich ja gar nicht zu dir«, rief sie aus. Und dann nahm sie ihn in die Arme und streichelte sein krauses Haar. Aber was sie dabei fühlte, konnte auch der Junge nicht ermessen. Er fühlte sich nur geborgen.

      »Und nun schreibe ich der Krauss erst recht nicht, aber Papi schreibe ich, daß er ihr sagen soll, daß ich nicht will, daß sie mir schreibt, und daß sie mir ja nichts schenken soll. Und ich schicke ihm auch das Bild, wo wir beide drauf sind, nur wir beide, wenn Jan es auch ein bißchen verwackelt hat. Oder darf ich dich mal fotografieren, Annabel?«

      »Meinetwegen darfst du auch das«, erwiderte sie, denn in dieser Stunde hätte sie ihm keinen Wunsch abgeschlagen.

      Schon am nächsten Tag machte Toby, frei von allen roten Flecken, die Fotos von Annabel, und sie entwickelte den Film und machte die Abzüge selbst. Das war ihr Hobby und bewies, wie vielseitig sie war. Toby konnte seinem Vater wieder nur Erfreuliches berichten und seinem Brief auch Fotos von sich und Jan und von Kathrin und Nadine beifügen. Es waren alles sehr gelungene Aufnahmen, auf die er ebenso stolz sein konnte wie Annabel. Und an diesem Tag begaben sich Karl Friedrich Wellinger und Georgia auf die Reise nach Paris, die im Schwarzwald für ein paar Stunden unterbrochen werden sollte.

      »Wir werden Chris erst alles sagen, wenn wir ihn zu uns holen«, sagte Georgia. »Darum bitte ich dich, Frieder. Ich möchte nicht, daß der Junge jetzt in Unruhe versetzt wird.«

      »Aber wir werden ihm sagen, daß wir heiraten«, erklärte er.

      Sie lächelte weich. »Das ist doch vorerst die Voraussetzung, daß er ein richtiges Zuhause bekommt. Was sollte er sonst denken? Ganz sacht müssen wir ihn mit den Tatsachen vertraut machen. Ich muß dir noch etwas sagen, Frieder.«

      »Nur heraus mit der Sprache. Ich bin von dir auf einiges gefaßt. Nur darfst du nicht sagen, daß du dich doch für die Karriere entschieden hast.«

      »Das bestimmt nicht. Ich wollte dich nur vorbereiten, daß du nicht erstaunt bist, wenn Chris Mami zu mir sagt. Das hat er von Anfang an getan, und ich habe es ihm nicht ausgeredet.«

      Karl Friedrich Wellinger drückte schnell ihre Hand. »Du hast ja auch wie eine liebevolle Mutter für ihn gesorgt, Georgia«, sagte er.

      »Dafür bekomme ich jetzt eine richtige Familie«, sagte sie jetzt glücklich.

      Dann, als sie bei dem Internat ankamen, hatte er doch plötzlich so ein ganz eigenartig leeres Gefühl in sich, eine Mischung von atemloser Erwartung und Bangigkeit.

      Aber da kam ein Junge herangestürmt, blond und kräftig, aber Georgia auf unverkennbare Weise ähnlich.

      »Mami, Mami«, schrie er lauthals und umarmte sie stürmisch, daß sie sich nur halten konnte, weil Karl Friedrich sie stützte.

      Und dann blickten ihn Augen an, die die Farbe dunklen Bernsteins hatten.

      »Das ist Karl Friedrich Wellinger, Chris«, sagte Georgia mit schwingender Stimme, »der Mann, den ich heiraten will.«

      Will betonte sie und erntete dafür einen dankbaren Blick von ihm.

      »Ich hoffe, daß du einverstanden


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