Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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wohl?«

      »Es ist wegen Dr. Stahl«, erwiderte Annabel überstürzt. »Er wird einige Wochen in der Klinik bleiben müssen. Toby kommt doch aufs Gymnasium und sollte am Anfang nicht gleich den An­schluß verpassen. Ich dachte, daß ich dann meinen Urlaub nehmen könnte.«

      »Ja. Frau von Tammen hat darüber auch gesprochen. Selbstverständlich steht Ihnen der Urlaub zu.« Ein verstecktes Lächeln umspielte ihre Lippen. »Sie können morgen mit ihr sprechen. Sie wollte Toby zu sich holen. Aber er will wohl lieber hier bleiben, wie es scheint. Er hängt sehr an Ihnen. Bringt das nicht für später gewisse Komplikationen mit sich?«

      »Daran denke ich noch nicht. Er hängt auch sehr an seinem Vater. Wenn er zu Frau von Tammen gehen will…«

      »Nun, es wird sich finden«, sagte Mutter Hedwig. »Frau von Tammen erwartet ein Baby. Das ist auch eine freudige Nachricht. Der junge Wellinger hinterläßt keine Lücke. Es ist schon seltsam, wenn niemand Trauer empfindet um einen Toten.«

      Er ist tot, dachte Annabel. Er kann niemandem mehr weh tun. Es ist ganz falsch, wenn man sagt, daß die Götter den früh zu sich nehmen, den sie lieben. Ja, vielleicht mögen ihn die Götter der Unterwelt geholt haben, aber ein gerechter Gott hat sein böses Leben ausgelöscht, damit erkeinen Schaden mehr anrichten kann.

      Sie sah sich an der Reception des Pariser Hotels sitzen. Sie verdiente sich dort ihr Studium. Sie sah ihn vor sich stehen mit seinem charmanten Lächeln.

      »Wann haben Sie Dienstschluß, Bella?« fragte er. Sie hatte ihm wirklich keine Antwort gegeben. Auf sie hatte sein Charme keine Wirkung gehabt.

      »Ich werde es schon herausbringen«, hatte er gesagt. »Ich warte auf Sie. Wenn ich etwas haben will, bekomme ich es auch.« Ja, so war er gewesen, und wenn er etwas nicht freiwillig bekam, nahm er es sich mit Gewalt.

      Wozu jetzt wieder daran denken. Es ist vorbei, dachte Annabel. Es ist endgültig vorbei.

      Sie ging zu den Kindern zurück, die jetzt von Maxi beaufsichtigt wurden. Toby kam ihr sofort entgegengelaufen.

      »Tante Martina holt Kathrin morgen ab«, sagte er atemlos. »Aber ich bleibe noch hier, gell?«

      »Du kannst es selbst entscheiden, Toby.«

      »Kannst du deinen Urlaub nehmen?«

      »Ja, das könnte ich, aber erst müssen wir deinen Papi fragen, ob es ihm auch recht ist.«

      »Das ist ihm bestimmt recht.«

      Nun kam auch Kathrin, aber sie schmollte. »Wenn Toby nicht mitkommt, habe ich niemanden, mit dem ich spielen kann«, sagte sie.

      Gedankenvoll betrachtete Annabel die beiden Kinder. Wie eigenartig, daß sie sich ähnlich sehen, dachte sie wieder. Das gibt es also auch, wenn Kinder ganz verschiedene Eltern haben. Oder war Tobys Mutter gar mit Martina verwandt gewesen?

      »Warum bist du so still, Annabel?« fragte Toby nachdenklich. »Willst du doch lieber, daß ich zu Tante Martina gehe?«

      Sie schüttelte den Kopf. Unwillkürlich stieg es ihr heiß in die Augen, als er sie so unglücklich ansah. »Ich freue mich, wenn du gern bei mir bleibst«, sagte sie leise, und da konnte er schon wieder lächeln.

      *

      Jochen Stahl bereitete den Ärzten große Sorgen. Von Fieber und Schüttelfrösten geschüttelt, war er kaum ansprechbar. Die medikamentöse Behandlung zeigte bisher keinen Erfolg.

      »Mal wieder einer von vielen Viren, von denen wir noch nichts wissen«, stellte Dr. Behnisch deprimiert fest. »Wahrscheinlich liegt auch eine Überempfindlichkeit gegen bestimmte Kunststoffe vor.«

      »Aber dort wird mit Stahl gearbeitet«, sagte Dr. Norden.

      »Die Atemwege und die Nebenhöhlen sind entzündet, ebenso die Augen. Es kann ja möglich sein, daß Sand und Staub schuld sind. Malaria ist es jedenfalls nicht, aber die hätten wir wenigstens im Griff und wüßten, wo wir ansetzen können.«

      Typhus und Cholera waren auszuschließen, ebenso eine Salmonellenvergiftung. Manche Anzeichen sprachen für eine Toxoplasmose, aber es blieb beim Herumrätseln.

      Sie konnten auch Jobst von Tammen nichts Genaues sagen, als er sich besorgt nach dem Befinden seines Freundes erkundigte.

      Aber als er Jochen besuchte, war dieser doch für Minuten wach.

      »Kümmert euch um Toby«, bat er. »Mich hat es erwischt.«

      »Du wirst wieder gesund, Jochen«, sagte Jobst, der zutiefst erschrocken war über diese Resignation. »Annabel kümmert sich rührend um Toby.«

      »Das ist gut, ja, das ist gut«, murmelte Jochen. »Sag ihr meinen Dank.«

      Dann war seine Kraft schon wieder erschöpft. Er schlief jedoch ruhiger, und Dr. Behnisch konnte dann feststellen, daß das Fieber etwas gesunken war.

      Am nächsten Tag fuhren Jobst und Martina zum Tannenhof. Kathrin freute sich nun doch, aber sie beschwerte sich schon ein bißchen über Toby, der lieber auf dem Tannenhof bleiben wollte.

      »Für Toby gibt’s nur Annabel, immer Annabel«, murrte sie. »Wie findet ihr denn das?«

      »Nett finden wir das«, erwiderte Martina.

      »Am besten wär’s, wenn Onkel Jochen sie heiraten würde«, meinte Kathrin. »Ich mag sie ja auch, und Toby hat schon lange keine Mami.«

      Sie hatte sich auch ihre Gedanken gemacht, hier unter all den Kindern, denen meistens ein Elternteil fehlte. Und glücklich war sie nun doch, daß Jobst nun ganz ihr lieber Papi war. Sie stellte keine Fragen nach Christoph. Ihr genügte es, daß er richtig tot war. Als man es ihr gesagt hatte, fragte sie: »Wirklich richtig tot?«, und als es ihr bestätigt wurde, sagte sie, daß sie dann auch wieder gern nach Hause wolle.

      Aber richtig böse war sie mit Toby nicht. »Wenn du dann mit Annabel kommst, könnt ihr ja bei uns bleiben«, meinte sie.

      Martina sprach darüber mit Annabel, doch diese sagte, daß sie Dr. Stahls Entscheidung noch abwarten wolle.

      »Er sagte gestern meinem Mann, daß wir Ihnen seinen Dank übermitteln sollen, Annabel. Augenblicklich geht es ihm noch sehr schlecht. Ihnen kann ich das ja sagen, aber Toby soll es besser nicht wissen.«

      »Es besteht doch keine Lebensgefahr?« fragte Annabel erschrocken.

      »Er wird bestens betreut«, sagte Martina leise.

      »Ich hoffe sehr, daß er bald gesund wird, daß Toby ihn bald besuchen kann.«

      »Das hoffen wir auch sehr«, sagte Martina, »und Sie sind uns herzlich willkommen, Annabel. Wir sind jetzt von großen Sorgen befreit. Sie wissen wohl schon, daß Kathrins Vater nicht mehr lebt.«

      »Ja, ich habe es gehört. Es war ein Autounfall.«

      »Ja, er konnte nie schnell genug fahren. Es klingt gefühllos, wenn ich sage, daß uns allen wohler ist, aber es ist so.«

      »War er nicht der einzige Sohn?« fragte Annabel.

      »Er hat dem Namen Wellinger keine Ehre gemacht, aber seit kurzem wissen wir, daß er einen anderen Vater hatte.« Sie wurde verlegen. »Behalten Sie es bitte für sich, aber es sollte Ihnen erklären, daß Karl Friedrich Wellinger, den ich noch gern Papa nenne, keine Trauer empfindet. Er wird übrigens in Kürze heiraten und einen unehelichen Sohn von Christoph adoptieren.«

      »Er hatte einen unehelichen Sohn?« fragte Annabel geistesabwesend. »Ist das für Sie nicht bedrückend?«

      »Das wäre es wohl, wenn er mir etwas bedeutet hätte, aber wer weiß, ob nicht auch noch andere Sprößlinge von ihm herumlaufen. Ich bin froh, daß Kathrin ein Mädchen ist und uns so keine Verpflichtung auferlegt wurde, ihr den Namen Wellinger zu belassen. Bei allem Respekt vor meinem Schwiegervater, mir hätte dies nicht behagt. Er wird Georgia Stafford heiraten, und sie ist die leibliche Tante des Jungen. Das Schicksal geht seltsame Wege, Annabel.«

      »Ja, das


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