Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg
Seidentapeten. Seine Tante hatte ihm für diese Sonderausgaben einen Extrascheck in beachtlicher Höhe zugesteckt. Heiko konnte ihn brauchen, denn die Preise waren hier unglaublich hoch.
»Es interessiert dich sicher nicht.« Sissi nippte an dem Cocktail, um Heiko jetzt nicht ansehen zu müssen. War nicht so etwas wie Spott in diesen stahlblauen Augen? Spott, weil Heiko seines Erfolges schon sicher war? Er glaubte bestimmt, dass es nur eine Frage der Zeit sei, wann sie seiner Werbung nachgeben würde. Doch sie wusste genau, dass das nie der Fall sein würde. In ihrem Leben würde es keinen anderen Mann geben. Sie liebte Frank, und daran würde sich nie etwas ändern. Auch wenn er ohne Abschied von ihr gegangen war, auch wenn er nichts mehr von sich hören ließ. Es hatte sehr wehgetan, von dem Menschen, den sie auf dieser Welt am meisten liebte, enttäuscht zu werden. Sie hatte viel geweint deshalb. Doch inzwischen hatte sie den Schmerz überwunden, war nicht mehr verbittert. Die Liebe in ihrem Herzen war stärker als aller Groll.
»Wie kannst du so etwas sagen! Es interessiert mich alles, was dich betrifft«, schwindelte Heiko. Seine Meinung, dass Elisabeth Langenburg langweilig war, hatte sich noch verstärkt. Die Abende mit ihr waren wahrhaftig kein Genuss. Trotzdem musste er sie hinter sich bringen, denn der Einsatz lohnte sich. Würde er erst mit Sissi verheiratet sein, würde er sich ihrer Gesellschaft geschickt entziehen, so, wie es ihm sein Freund geraten hatte.
Flüchtig dachte Heiko an die kesse Kati und deren blonde Freundin. Mit diesen beiden Mädchen wurde jede Stunde des Beisammenseins zum Vergnügen. Es war ein Glück, dass Sissi vormittags die Schule besuchte und nachmittags mit Lernen beschäftigt war. So blieb für ihn, Heiko, wenigstens der Tag frei. Wenn das Wetter gut blieb, würde er morgen wieder segeln gehen.
Heiko nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Glas. Neuerdings liebte er Alkohol und konnte gar nicht genug davon bekommen. Hier allerdings musste er vorsichtig sein, damit Sissi nichts von dieser Leidenschaft bemerkte.
»Ich würde dich nur langweilen.« Süß und unschuldig sah Sissi in ihrem mädchenhaft gearbeiteten Chiffonkleid aus.
Ihr Anblick rührte sogar Heiko. »Wollen wir tanzen?«, fragte er leise. Normalerweise hätte er noch »Süße« oder »Spätzchen« hinzugefügt. Doch bei Sissi wagte er das nicht. Er wusste überhaupt nicht, wie er sich verhalten sollte. Schließlich wollte er die Prinzessin doch nicht verärgern.
Sissi lauschte einen Augenblick auf die schmeichelnde Musik, dann nickte sie zustimmend. Diese Abende mit Heiko machten ihr überhaupt keinen Spass. Sie ging mit ihm, weil es der Vater und die Stiefmutter wünschten. Manchmal hoffte sie auch, dabei auf andere Gedanken zu kommen. Doch gerade das Gegenteil war der Fall. Je öfter sie mit Heiko beisammen war, um so mehr dachte sie an Frank. Heimlich verglich sie die beiden jungen Männer miteinander. Das Alter war eigentlich alles, was sie gemeinsam hatten.
Mit Frank hatte Sissi nie in teure Lokale gehen können. Auch hatte sie ihn nie abends getroffen. Mit Frank war sie im Winter Hand in Hand über verschneite Waldwege gegangen. Dabei hatten beide nicht viel geredet. Nur manchmal hatten sie einander verliebt in die Augen gesehen und waren glücklich gewesen. Sie hatten einander auch ohne viele Worte verstanden und gespürt, dass sie füreinander geschaffen waren.
Im Frühjahr waren sie eng aneinandergeschmiegt am Fluss entlanggelaufen und hatten sich verliebte Dinge ins Ohr geflüstert. Es waren immer nur wenige Minuten gewesen, die sie hatten beisammen sein können, und doch waren es Augenblicke voller Seligkeit gewesen.
Der Sommer war wundervoll gewesen. Frank und Sissi hatten ein Plätzchen am See entdeckt, an dem sie allein gewesen waren. Eine kleine Insel war es gewesen, die man nur schwimmend erreichen konnte. Ihre Insel.
Dann war der Herbst gekommen, und Frank war plötzlich nicht mehr dagewesen. Sissi hatte geduldig gewartet. Tag für Tag, Woche für Woche. Aber Frank war verschwunden geblieben. Würde sie ihn niemals wiedersehen? Was war nur geschehen? Wie oft hatte sich Sissi das schon gefragt. Sie hatte jedoch nie eine Antwort darauf gefunden.
»Träumst du?«, fragte Heiko, der sich korrekt vor Elisabeth verbeugt hatte.
»Entschuldige«, bat Sissi schon wieder. Jetzt erhob sie sich rasch und ging neben Heiko zur spiegelblanken Tanzfläche.
Das kleine Orchester war erstklassig. Es spielte alte Melodien und moderne Rhythmen in bunter Folge. Heiko tanzte fabelhaft. Er beherrschte die modernen Tänze ebenso wie die Gesellschaftstänze der guten alten Zeit.
Sissi schwebte in seinem Arm über das Parkett. Und obwohl sie ihm nun so nahe war, kam es ihr vor, als lebten sie beide in verschiedenen Welten.
»Merkst du, dass wir auffallen?«, flüsterte Heiko geschmeichelt. »Man hält uns für ein schönes Paar. Ein Paar, das zusammenpasst. Na, was sagst du dazu? Freut es dich nicht?«
»Doch, doch.« Sissi sah zur Seite. Ängstlich achtete sie darauf, dass der kleine Abstand zwischen ihr und Heiko blieb.
Der junge Mann fühlte es und respektierte Sissis Willen. »Ich glaube fast, du hast Liebeskummer«, flüsterte er vertraulich an ihrem Ohr. »Ein so hübsches Mädchen sollte keinem nachweinen.«
Sissi presste fest die Lippen zusammen. Niemals würde sie mit Heiko über diese Dinge sprechen. Er machte sich ja doch nur über sie lustig. Für ihn war die Liebe ein amüsantes Abenteuer, nicht mehr.
Trotzdem verriet sich die tapfere Elisabeth. Sie stolperte über ihre eigenen Füße, kam aus dem Takt.
Beruhigend hielt Heiko sie etwas fester, verlangsamte den Schritt. »Also doch«, brummte er zufrieden. »Du solltest den Kerl vergessen. Mehr ist er nicht wert. Außerdem hast du ja jetzt mich.«
Heiko versuchte einen Blick der blauen Mädchenaugen zu erhaschen. Doch es wollte ihm nicht gelingen. Sissi wich ihm immer aus. Irgendwie stachelte das seine Mannesehre an. Seit wann brauchte er denn Wochen, um ein Mädchen zu erobern? Heute würde er jedenfalls aufs Ganze gehen. Tante Astrid sollte mit ihm zufrieden sein.
»Mir dir zu tanzen, macht viel mehr Spass als mit allen anderen«, schwärmte er, obwohl er von seiner Behauptung keineswegs überzeugt war. Für ihn war es weitaus amüsanter, mit der temperamentvollen Kati übers Parkett zu schwirren. Doch daran durfte er jetzt nicht denken. »Überhaupt bist du für mich das schönste Mädchen auf der ganzen Welt.«
Sissi gab keine Antwort. Sie fühlte genau, dass Heiko es nicht ehrlich meinte. Wenn er ihr schöne Augen machte, dann dachte er doch nur an das Geld ihres Vaters.
»Wir sollten noch einen kleinen Spaziergang machen«, schlug Heiko etwas später vor. »Der Abend ist so schön, dass es unvernünftig ist, ihn nicht zu genießen.«
»Ich möchte nach Hause.« Müde fuhr sich das Mädchen über die Stirn.
»Selbstverständlich. Wenn es dir recht ist, gehen wir zu Fuß. Ich hole meinen Wagen morgen hier ab.« Mit einer protzig wirkenden Geste bezahlte Heiko die Getränke und geleitete Sissi hinaus. Noch im Garten des Hotels versuchte er den Arm um die Schultern des Mädchens zu legen. Doch Sissi wich wie zufällig aus.
»Ich habe mich bis über beide Ohren in dich verliebt«, begann Heiko, als sie gleich darauf nebeneinander über die hellbeleuchtete Straße gingen. Er war jetzt nicht mehr ganz so zuversichtlich, und deshalb klang seine Stimme heiser.
»Ausgerechnet du, der so gute Chancen bei den hübschen Mädchen hat?«, gab Sissi mit leichtem Spott zurück.
»Hab ich dir nicht gesagt, dass du das hübscheste Mädchen bist?« Heiko war ein wenig aus dem Konzept gebracht. Dass ihn ausgerechnet Sissi an seine vielen Liebesabenteuer erinnerte, passte ihm nicht.
»Du bist das Mädchen, auf das ich immer gewartet habe. Das Mädchen, mit dem ich ein ganzes Leben verbringen möchte.«
»Ich bin überzeugt, dass du dich mit mir langweilen würdest. Ich gehe nämlich lieber in den Wald als in teure Bars. Ich mache mir auch nichts aus Partys und Clubs. Dafür kann ich stundenlang am Ufer eines Sees sitzen und den Wasservögeln zusehen.«
Absichtlich bog Sissi nicht in den Park ein, sondern blieb auf der belebten Geschäftsstraße.
Heiko