Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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stieß erneut zu, bekämpfte das Bedürfnis, aufzutauchen und Luft zu holen, trieb die Klinge tief in die graue Masse und riss sie dann nach oben, öffnete einen tiefen Spalt, der länger wurde, tauchte auf und japste nach Luft, beide Hände immer noch um den Dolch gelegt, den sie nach oben zog. Das Wesen schwankte.

      »Pintel!«, schrie Krona, »Vorsicht!«

      Dann stürzte der Koloss nach hinten und verschwand in den Fluten.

      »Verdammt, war der zäh«, keuchte Krona.

      Pintel hatte den Sturz des Wesens unbeschadet überstanden, indem er sich an den Hebel geklammert und sich dicht an die Rückwand gepresst hatte. Krona, die sichergehen wollte, tauchte unter und sah sich nach ihrem Gegner um. Zu ihrem Erstaunen schien er sich in den formlosen Fladen zurück verwandelt zu haben. Das Wasser trübte sich bereits ein, als die weiche Masse sich auflöste und von den Strudeln aufgewirbelt wurde. Krona tauchte auf und nickte Pintel zu.

      Das Wasser war mittlerweile so tief, dass Schwimmen einfacher war als Gehen. Krona griff nach dem Hebel und versuchte, ihn umzulegen. Er bewegte sich mit lautem, hölzernem Knarren etwa eine Handbreit. Krona zerrte mit all ihrer verbliebenen Kraft daran. Nichts tat sich. Ein weiterer Versuch. Nichts.

      »Wir brauchen Fenrir«, keuchte Krona. »Wo ist er überhaupt? Was tut er die ganze Zeit?«

      »Wir hatten ein kleines Jerina-Problem«, berichtete Pintel mit aufeinander schlagenden Zähnen. Seine Lippen waren blau verfärbt, und er klammerte sich an Kronas Schulter, um nicht abgetrieben zu werden. »Als sie das Wasser sah, ist sie völlig außer sich geraten. Offenbar hat sie panische Angst vor Wasser.«

      »Na prima«, knurrte Krona. »Der geht’s wohl zu gut. Unsereins reißt sich hier den Arsch auf, und die Dame hat Angst vor Wasser.«

      In ihrer Wut zerrte sie erneut am Hebel, und tatsächlich bewegte er sich ein winziges Stück. Sie drehte sich um und sah hinüber zum anderen Ende des Raumes. Der Gang stand unter Wasser. Jerina war nirgends zu sehen, aber Fenrir machte sich gerade auf den Weg durch den Raum. Kurze Zeit später war er am Hebel angelangt.

      »Auf drei«, sagte Krona. Das Wasser erreichte ihren Hals, einzelne Wellen schwappten ihr bereits ins Gesicht.

      »Eins – zwei – drei!«

      Gemeinsam zerrten sie den Hebel in die Höhe. Knirschend bewegte er sich bis zur Hälfte. Die Wassermassen, die von oben auf sie herab stürzten, verringerten sich allmählich.

      »Noch mal«, sagte Fenrir, brachte seine Schulter unter den Hebel und stemmte sich ab. Krona umfasste gleichzeitig das Ende des Hebels und drückte. Einmal über der Hälfte, ließ er sich nun leichter bewegen. Die Fluten versiegten. Als der Hebel endlich nach oben umgelegt war, tröpfelte nur mehr ein Rinnsal aus den Schächten. Die Wasseroberfläche beruhigte sich. Krona lehnte sich keuchend gegen die Wand. Ihr Körper war taub von der Kälte des Wassers, in ihren Ohren klang noch das Brüllen der Wasserfälle.

      In einer Mischung aus Waten und Schwimmen bewegte Fenrir sich hinüber zu der Steintür. Er drückte dagegen, und tatsächlich ließ sie sich aufschieben. Das drängende Wasser vergrößerte den Spalt, bis Fenrir bequem hindurchpasste. Er warf jedoch nur einen Blick hinter die Tür und kam dann zu Krona zurück.

      »Wir müssen aus dem Wasser«, sagte er. »Vor allem du. Du bist schon zu lange drin. Hinter der Tür ist ein Stück Gang und dann eine Treppe, genau wie auf der anderen Seite. Ich schlage vor, du gehst da hinauf, bis du im Trockenen bist. Ich bringe das Gepäck und kümmere mich um Jerina.«

      Krona nickte. »Was ist mit ihr?« Ihre Zähne schlugen mittlerweile so sehr aufeinander, dass sie sich kaum mehr verständigen konnte.

      »Ich weiß es nicht. Sie hat auf das Wasser reagiert wie eine Kuh auf einen Hornissenschwarm. Ich werde ihr sagen, dass wir sie zurücklassen, wenn sie sich anstellt.«

      »Tu das«, sagte Krona zähneklappernd. »Ich hab die Nase voll von ihrem Getue.«

      »Geh die Treppe rauf«, sagte Fenrir. »Nimm Pintel mit. Ich komme nach, mit oder ohne sie.«

      »Mein Sch-Sch-Schw ...«, klapperte Krona mit blauen Lippen.

      »Schwert«, sagte Pintel hilfsbereit. »Warte, ich hol’s dir.« Er holte Luft und tauchte unter. Nach kurzer Zeit kam er wieder nach oben, mit einer Hand paddelnd, mit der anderen etwas Schweres hinter sich her ziehend. Dankbar nahm Krona ihm das Schwert ab. Ein weiterer Tauchgang Pintels barg eine Handvoll Pfeile und Kronas Dolch aus den Fluten. Bevor er ein drittes Mal untertauchen konnte, griff sie ihn am Kragen und zog ihn mit sich durch die Steintür. Der Gang dahinter war nicht beleuchtet, die Treppe ebenso wenig, nur der Schein der Lichtfäden aus dem Wasserraum spiegelte sich auf der unruhigen Wasseroberfläche. Sie erreichten die Stufen und kletterten sie hinauf, bis sie auf der Hälfte der Treppe endlich im Trockenen waren.

      Krona brach auf den Stufen zusammen. Sie war sicher, noch nie in ihrem Leben so gefroren zu haben, nicht im Winterkrieg und auch nicht während der Überfahrt auf die Südlichen Inseln. Mit völlig steifen Fingern streifte sie ihren Mantel ab. Ihre Kleider klebten an ihr wie eine tödlich kalte Umarmung. Es schien ihr eine Ewigkeit zu dauern, bis sie ihre Stiefel aufgeschnürt und ausgezogen und das Wasser darin ausgeschüttet hatte. Mit einiger Mühe entledigte sie sich ihres triefenden Waffenrockes und der zähen, kalten Hosen und behielt nur das Hemd an.

      »Du machst das Gleiche«, wies sie Pintel an. »Du holst dir sonst den Tod.«

      »Aber es ist so kalt«, widersprach Pintel zähneklappernd.

      »Genau. Und mit den nassen Kleidern noch kälter. Jetzt mach schon.«

      Pintel gehorchte widerstrebend. Krona untersuchte währenddessen die Blessuren, die das Tropfsteinwesen ihr beigebracht hatte. Es waren einige hässliche Quetschungen auf Brust und Schultern, die bereits rot und blau anliefen. Sie würde den Schulterriemen ihres Rucksackes polstern müssen, wenn sie nicht bei jedem Schritt Schmerzen haben wollte. Zitternd schlang sie die Arme um sich. Sie würde morgen keinen Schritt tun können, so viel war klar.

      Dann kam Fenrir mit Kronas Rucksack, den er über den Kopf gehoben hatte, um ihn trocken zu halten.

      »Schöne Beine hast du, Hauptmann«, sagte er grinsend, obwohl auch er vor Kälte zitterte.

      »Ich zeige sie dir gerne bei anderer Gelegenheit«, gab sie mit schwachem Lächeln zurück.

      »So war’s dann doch nicht gemeint«, sagte Fenrir und stellte den Rucksack ab.

      »Götter!«, sagte Krona. »Jetzt werde nicht gleich rot, ja? Dass ihr harten Kerle immer so empfindlich sein müsst.«

      Während Fenrir das restliche Gepäck holte, rieb Krona sich kräftig trocken und schlüpfte in ihre Ersatzkleidung. Nur ganz langsam kehrte die Wärme in ihren Körper zurück. Pintels Rucksack kam als Nächstes an, und der Zauberer folgte Kronas Beispiel umgehend. Nur von Jerina war nichts zu sehen.

      »Vielleicht kehrt sie um und lässt uns ohne sie weiter machen«, sagte Krona hoffnungsvoll zu Pintel, doch ihre Hoffnung wurde enttäuscht. Mit seinem eigenen Rucksack brachte Fenrir Jerina mit, fast trieb er sie vor sich her. Die junge Frau hielt ein Bündel Kleider über ihrem Kopf und wirkte völlig panisch. Ihre Augen waren so weit aufgerissen, dass man rundum das Weiße sah, ihr Gesicht war schneeweiß und sie zitterte so sehr, dass sie kaum gehen konnte.

      »Sie sieht aus, als hätte sie den Verstand verloren«, bemerkte Pintel, und Krona fand den Vergleich sehr treffend. Auf der ersten trockenen Stufe brach Jerina zusammen. Krona fasste Fenrir am Arm und half ihm, über die zitternde Gestalt zu steigen, die ihm den Weg aus dem Wasser versperrte. Sie hatte aus seinem Gepäck bereits eine Decke und trockene Kleidung bereitgelegt und half ihm nun aus den schweren, nassen Sachen, bis er sie mit ernstem Gesicht bat, sich umzudrehen.

      »Als hätte ich noch nie einen Kerl ohne seine Kleider gesehen«, sagte sie grinsend. »Aber gut. Wie du willst. Du musst nicht schon wieder rot werden.«

      »Ich wünschte, ich könnte rot werden«, sagte er hinter ihrem Rücken. »Dann wäre noch etwas Blut in meinem Körper übrig,


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