Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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übervorteilt. Du solltest besser nachprüfen, ob er dir auch die Besitzurkunden für die Getreidespeicher im Hafen übergeben hat. Aber du bist natürlich nicht hier, um dir gute Ratschläge zu holen, obwohl ich dir unvermeidlich noch einige erteilen werde.«

      Jerina setzte zu einer Erwiderung an, doch das Abbild fuhr in seiner Rede fort.

      »Du kannst dich nicht mit ihm unterhalten«, flüsterte Pintel ihr zu. »Es ist lediglich eine Botschaft.«

      »Du hast dir hoffentlich einige gute Freunde mitgebracht, denn ohne sie ist das, was vor dir liegt, kaum zu bewältigen. Du sollst nicht denken, das Ganze sei die Schikane eines schrulligen reichen Mannes. Es ist vielmehr eine notwendige Vorsichtsmaßnahme. Warum sie notwendig ist, wirst du verstehen, wenn du den Schatz in Händen hältst. Mein Großvater hat eine ebenso wichtige wie geheime Aufgabe angenommen, die über meinen Vater auf mich kam und die ich nun dir übertrage. Alles, was du wissen musst, wirst du am Ende erfahren. Du trägst nun eine große Verantwortung, kleine Jerina. Ich wünschte, ich hätte sie dir ersparen können. Aber ich bin sicher, du wirst ihr gewachsen sein.

      Drei Ebenen der Prüfung liegen nun vor dir: die Kraft, das Glück, die Macht. Alle drei wirst du benötigen, um dein Erbe weise zu verwalten. Bedenke, dass es kein Zurück gibt, sobald du die Ebenen der Prüfung einmal betreten hast. Sobald du wohlbehalten zurückgekehrt bist, benenne deinerseits einen Erben, denn sollte dir viel zu früh etwas zustoßen, was die Götter verhindern mögen, darf das Erbe nicht ohne einen Nachfolger bleiben. Versetze auch die Ebenen der Prüfung zurück in den Ausgangszustand.

      Wende dich hierzu an Gendig Runenmeister. Er lebt in Tiefengründig und ist der Erbauer dieses wundersamen Ortes. Und nun, mein Liebes, sei mutig, klug und stark, dann wirst du die Prüfung zweifelsohne bestehen. Viel Glück.«

      Das Abbild verblasste. Einzelne schimmernde Lichtkörnchen schwebten zu Boden und erloschen. Es wurde still.

      »Meine liebe kleine Jerina«, murmelte Krona. »Aber er hat dich nicht anders als korrekt behandelt, was?« Jerina antwortete nicht. In ihrem Blick lag pures Gift.

      »Runenmeister«, sagte Pintel. »So nennen die Zwerge ihre Zauberer. Onkel Mandor war ein Mann mit weitreichenden Kontakten.«

      »Es ist Abend«, sagte Fenrir, seine Stimme klang immer noch angespannt. »Es gibt kein Zurück, wenn wir die Ebenen einmal betreten haben. Wollen wir nicht lieber morgen früh ausgeruht beginnen?«

      »Nein«, sagte Jerina sofort. »Keine Zeit verlieren. Bringen wir es hinter uns.«

      »Ich bin ausgeruht.« Pintels Augen leuchteten beinahe wie die Lichtfäden an der Wand. »Ich könnte sowieso nicht schlafen. Ich bin so gespannt!«

      Krona fühlte sich nicht sonderlich ausgeruht nach einem langen Tagesmarsch durch weglosen Wald, konnte das aber unmöglich zugeben. »Mir ist’s egal«, sagte sie möglichst gleichmütig.

      »Zwei dafür, das reicht«, sagte Jerina. »Wir gehen.«

      »Ach so, neuerdings führst du hier das Kommando«, sagte Krona. »Ist ja interessant.«

      »Wieso? Dir war’s doch egal?«

      »Das heißt nicht, dass du ...«, begann Krona, unterbrach sich dann aber selber. »Was soll’s. Gehen wir.«

      Sie überquerten die Stelle, an der das Abbild erschienen war, nicht ohne dass Pintel sich auf die Knie niederließ und nach Resten der Lichtkörnchen suchte, und näherten sich dem Durchgang. Dahinter erwartete sie ein weiterer Treppenschacht, dessen abwärts führender Schlund sie dunkel angähnte.

      »Wenn wir nur lange genug hinuntersteigen, wird es auch wieder wärmer«, sagte Pintel, während sie hinab stiegen, und schlug im Gehen die Arme um sich, so dass seine Laterne gefährlich schaukelte. »Dann nähern wir uns dem Erdmittelpunkt, und da ist es wirklich schön warm.«

      Krona hörte nur beiläufig zu. Es war ihr nicht gelungen, die Spitze der Gruppe einzunehmen. Vor ihr ging Jerina mit der Körperspannung eines Jagdhundes, der Beute gewittert hatte. Krona versuchte angespannt, in der Dunkelheit vor ihnen etwas zu erkennen, doch Jerinas Fackel blendete sie, so dass sie kaum weiter als bis auf den Rücken der jungen Frau sehen konnte.

      Zunächst stießen sie am Fuß der Treppe erneut auf eine Tür. Sie unterschied sich in der Machart nicht von der oberen, allerdings war auf dieser hier eine Schrift angebracht. Die Buchstaben glänzten golden im Fackellicht.

      »Die Ebene der Kraft eröffnet den Reigen«,

      las Jerina laut vor.

      »Ob ihr sie bewältigt, wird sich zeigen.

      Nur mutig voran, seid nicht verzagt,

      und Kampfkraft ist hier wirklich sehr gefragt.

      M.M.

      »Kinderkram«, sagte Krona kopfschüttelnd. »Soll ich das wirklich ernst nehmen?«

      »Wir werden sehen«, sagte Fenrir. »Nun kommt schon, bringen wir es hinter uns.«

      »Hast du noch mehr Schlüssel?«, fragte Pintel Jerina.

      »Nein.« Sie probierte die Klinke. »Ist auch nicht nötig. Sie ist unverschlossen.«

      »Langsam«, warnte Krona noch, aber Jerina hatte bereits die Tür geöffnet und mit der Fackel hindurch geleuchtet. »Lass mich voran gehen!« Sie packte Jerina unsanft bei der Schulter. »Bei der nächsten Tür schauen wir erst durch einen Spalt, bevor wir sie aufreißen«, knurrte sie, während sie sich an Jerina vorbei schob. »Das heißt, wenn dein Leichtsinn es zulässt, dass wir die nächste Tür erleben.«

      Hinter der Tür befand sich eine weitere Treppe, kürzer diesmal, schon nach zehn Stufen hatten sie einen kurzen Gang vor sich, der dann in einen seltsamen Raum mündete. Er war durch Lichtfäden erleuchtet und erstreckte sich lang und schmal mindestens ein Dutzend Schritte vor ihnen. Seine Wände standen nicht senkrecht, sondern strebten nach unten aufeinander zu, sodass der Raum eher einer Rinne glich. Die ebene Fläche zwischen den beiden steilen Schrägen war gerade so breit, dass ein Mensch darauf stehen konnte. Am anderen Ende des Raumes befand sich eine Steintür, neben ihr ragten ein Hebel und Teile eines Räderwerkes aus der Wand. Über der Tür, fast unter der Decke, die mit großen Tropfsteinen behangen war, befanden sich zwei Schächte in der Wand, die dunkel in den Berg hinein führten.

      Sie standen unter der Tür und starrten in den Raum, Kronas Hand immer noch wie ein unerbittlicher Schraubstock auf Jerinas Schulter.

      »Was ist das?«, fragte Pintel atemlos. »Ich wette, etwas Komisches passiert, wenn wir da rein gehen. Aber was?«

      »Vielleicht fallen diese Tropfsteine auf uns runter«, überlegte Krona. »Findet ihr es nicht bemerkenswert, dass es nur oben welche gibt? In der oberen Höhle hatte jeder Tropfstein an der Decke auch einen Partner auf dem Boden.«

      »Vielleicht gab es unten auch welche, bevor der Raum zu dieser Form verändert wurde«, sagte Fenrir. »Solche Tropfsteine wachsen nicht von heute auf morgen nach.«

      »Aber Tropfsteine müssen tropfen, um zu wachsen«, wandte Pintel ein. »Das sagt schon der Name. Und hier tropft gar nichts.«

      »Du hast recht«, sagte Fenrir erstaunt. »Wirklich sehr seltsam.«

      »Löscht euer Licht«, sagte Krona. »Wir werden es nicht brauchen, und wahrscheinlich ist es gut, wenn wir beide Hände frei haben. Fenrir, mach deinen Bogen bereit.«

      »Das habe ich gemacht, während du noch nachdachtest, Hauptmann«, gab Fenrir kalt zurück.

      »Gut«, sagte sie und schluckte vergeblich an ihrem Ärger. »Jerina, wie wäre es dann, du würdest mal den Dolch in die Hand nehmen, der deinen Gürtel ziert?«

      Mit einem verächtlichen Schnauben kam Jerina der Aufforderung nach.

      »Wir rennen durch«, sagte Krona. »Ich nehme an, der Hebel dort öffnet die Tür. Ich geh zuerst, mach die Tür auf, und ihr anderen kommt nach, so schnell ihr könnt, klar?«

      »Klar«, bestätigte Pintel hörbar


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