Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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wir gehen?«

      »Ja«, sagte Pintel sofort.

      »Ich warte nur, bis du deine Rede beendet hast, Hauptmann«, sagte Fenrir.

      »Sie ist beendet«, erklärte Krona. »Jerina, heb den Schlüssel auf. Jetzt stell dich nicht an, du hast ihn die ganze Zeit in der Hand gehabt. Gehen wir.«

      Ihr Weg erstreckte sich dunkel und in leichter Linkskurve, senkte sich dann und lieferte die Gruppe schließlich in einer lang gestreckten Höhle ab. Lichtfäden leuchteten im Gestein und ließen eine ruhige Wasseroberfläche glitzern. Auf der anderen Seite des Sees führte ein erleuchteter Gang aus der Höhle hinaus.

      »Nicht schon wieder«, stöhnte Pintel. »Ich bin gerade trocken.«

      »Schaut mal«, sagte Fenrir und zeigte mit dem Finger auf einen nassen, abschüssigen Uferstreifen. Pfützen standen dort in den natürlichen Unebenheiten des Felsgrundes. »Ich denke, das Wasser unten kam von hier. Der See stand vor kurzem noch bis zur Wand, aber jetzt können wir auf dem Uferstreifen entlang gehen.«

      »Und wozu brauche ich dann Glück und Geschick?«, sagte Krona. »Das scheint mir zu einfach.«

      »Ich befürchte, deine Frage wird sich bald von selbst beantworten«, erwiderte Fenrir düster.

      »Ich gehe voran«, erbot sich Pintel. »Ich bin wahrscheinlich der Geschickteste von uns.«

      »Aber du kannst dich kaum alleine verteidigen«, widersprach Krona. Pintel blinzelte ihr zu.

      »Wie süß von dir, dass du dir Sorgen machst. Aber ich komme schon zurecht.«

      »Na gut. Geh nicht weiter als bis ans andere Ufer, damit wir dich im Blick behalten.«

      »Alles klar.« Pintel hüpfte auf den Uferstreifen.

      »Womöglich ist es auch gar keine Prüfung, sondern einfach nur ein Wasserspeicher«, drang seine helle, vom Echo verzerrte Stimme zu ihnen. »Ich meine, es musste irgendwo einen geben, und vielleicht ist er sogar natürlichen Ursprungs ... ups!«

      Letzteres bezog sich auf einen Stein, der sich unter seinem Stiefel löste und hinunter ins Wasser rollte, wo er mit einem Platschen aufschlug. Pintel ruderte kurz mit den Armen, behielt aber das Gleichgewicht.

      »Aufpassen!«, rief Krona unnötigerweise. »Wer weiß, was in diesem Teich wohnt.«

      »Ich falle nicht rein! Es ist nur sehr glitschig hier, und es liegt jede Menge Geröll herum, und die Lichtfäden sind zwar toll, aber taghell ist trotzdem anders ...« Pintels Worte gingen in einen Aufschrei über. Dort, wo der Stein ins Wasser gerollt war, begann die Wasseroberfläche plötzlich zu brodeln. Wellen entstanden, breiteten sich aus und schlugen klatschend gegen das felsige Ufer. Ein Schatten zeichnete sich unter der Wasseroberfläche ab, beängstigend groß, er näherte sich Pintels Position, der wie angewachsen da stand und ihn mit offenem Mund anstarrte.

      »Lauf!«, schrie Krona. »Pintel! Lauf!«

      Es war zu spät. Der Schatten hatte sich dem Ufer bis auf sieben oder acht Schritte genähert und verharrte dort im tiefen Wasser, doch von seiner Position aus schnellte etwas wie Beine oder Tentakel empor, einen glitzernden Tropfenregen hinter sich her ziehend, und jetzt endlich kam Bewegung in den kleinen Zauberer. Er warf sich zur Seite, und die Tentakel schlugen krachend gegen die Höhlenwand. Der Aufprall klang metallisch, und nun, als die seltsamen Gliedmaßen sich suchend in der Luft bewegten, wurde sichtbar, dass sie in einzelne Segmente gegliedert waren, deren Oberfläche dunkel schimmerte. Pintel war dem Angriff gerade noch entkommen. Auf Händen und Füßen versuchte er, den gegenüberliegenden Gang zu erreichen. Sie hörten seine Stiefel hektisch auf dem Fels schaben, als er nach Halt suchte, doch der Schatten im Wasser begleitete ihn. Wie die Beine einer scheußlichen Spinne verfolgten die seltsamen Gliedmaßen ihr Opfer, und nur Augenblicke später verschwand Pintels kleine Gestalt in einem Gewirr von Tentakeln.

      Pfeile lösten sich schwirrend von Fenrirs Bogensehne, doch sie prallten von der Oberfläche des Wesens ab, ohne Schaden anzurichten, und fielen nutzlos zu Boden.

      »Götter«, murmelte Krona, und als sie Pintels entsetzten Schrei hörte, überlegte sie nicht länger.

      »He, Untier!«, schrie sie, packte einen Stein und warf ihn mit aller Kraft ins Wasser, dass es platschte. »Hierher!« Ein neuer Stein folgte. Fenrir ließ den Bogen sinken und begann ebenfalls, Steine zu werfen.

      »Ich hoffe, du hast einen Plan«, sagte er, während Krona weiter schrie und Steine warf.

      »Die Ablenkung sollte genügen, damit er sich in den Gang retten kann«, sagte Krona mit mehr Gewissheit, als sie in sich hatte.

      »Die Ablenkung sind wir«, sagte Fenrir.

      »Wenn du einen besseren Plan hast, nur raus damit«, fauchte Krona.

      Es waren nicht viele Steine nötig, bis das seltsame Wesen von Pintel abließ. Es zog seine Beine ein und verschwand mit leisem Plätschern im Teich. Krona sah, wie Pintel auf die Füße kam und dem gegenüberliegenden Durchgang zustrebte. Dann brach direkt vor ihr eine riesige, metallisch schimmernde Masse aus dem Wasser, füllte ihr Blickfeld gänzlich aus und schleuderte eine Anzahl Beine in ihre Richtung. Krona packte Fenrir am Arm und rannte den Gang hinein, den sie gekommen waren, Jerina, die noch dort stand, grob vor sich her stoßend. Hinter ihnen ertönte ein hässliches, schabendes, schleifendes Geräusch. Dann verlosch plötzlich der Lichtschein, der von der Höhle aus in den Gang gedrungen war. Pechschwarze Finsternis legte sich über die Gruppe. Sie klammerten sich aneinander und kamen stolpernd zum Stehen. Die Dunkelheit war erfüllt von metallischem Kratzen und Schaben.

      »Was ist passiert?« Jerinas atemlose Stimme klang eher ärgerlich als ängstlich.

      »Licht«, sagte Krona und versuchte, nüchtern und bestimmt zu klingen. »Jerina, du musst noch von vorhin das Feuerzeug in der Tasche haben. Ich hab eine Fackel in meinem Rucksack. Warte einen Augenblick.«

      Sie nahm ihren Rucksack ab, unterdrückte mit aufeinander gebissenen Zähnen einen Fluch, als ihre Schulter sich schmerzhaft in Erinnerung brachte, und zog die Fackel aus ihrem Gepäck.

      »Hier«, sagte sie und tastete in der Dunkelheit um sich. »Hier ist sie.«

      Jerina hantierte mit dem Feuerzeug, und die Fackel tat ihnen den Gefallen und brannte mit hell aufspringender Flamme, obwohl sie feucht geworden war.

      Sie leuchtete den Gang hinunter zu der Quelle des metallischen Kratzens, und dann standen alle drei still und starrten auf den Anblick, der sich ihnen bot.

      Die Kreatur hatte sich, ihrer Beute folgend, an Land begeben und offenbar versucht, sie aus dem Durchgang zu fischen. Nun steckte sie, Beine voraus, mit ihrem massigen, unförmigen Körper in der viel zu engen Öffnung fest. Die Beine zuckten und schabten über den Fels. Sie waren mit Widerhaken von der Länge einer Dolchklinge versehen, die auf dem Fels Funken schlugen, und nun erkannten sie auch, dass es sich um eine Art Krake handeln musste, denn die Beine entsprangen nicht dem Rumpf, sondern waren am Kopf rund um eine dunkle Öffnung angebracht. Der Rumpf war dick und ballonförmig und war mit solcher Wucht in den Durchgang getrieben worden, dass sich das Material an dieser Stelle verformt hatte. Es wies Dellen und Knicke auf, die jetzt auch verhinderten, dass die Kreatur sich wieder in den Teich zurückzog.

      »Es steckt fest«, sagte Fenrir. »Und, nebenbei bemerkt, wir auch.«

      Krona zog ihr Schwert, wartete einen günstigen Moment ab und führte dann einen raschen Angriff gegen einen der Tentakel. Klirrend prallte ihre Klinge von der Oberfläche des Wesens ab, und sie zog sich rasch aus der Reichweite der Widerhaken zurück.

      »War das nicht klar?«, fragte Fenrir. »Du hast gesehen, wie wirkungslos meine Pfeile waren.«

      »Ich wollte nur sichergehen«, sagte sie und untersuchte ihre Schwertklinge, die eine neue Scharte aufwies.

      »Das bist du nun. Und wie lauten deine Befehle, Hauptmann?«

      Sie beschloss, seinen herausfordernden Unterton zu überhören.

      »Lass mich in Ruhe nachdenken.«


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