Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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Ratten genießbar gewesen waren. In einem größeren Raum entdeckten sie etwas, das einmal ein Ersatzteillager für Schiffsreparaturen gewesen sein mochte: Fässer voll hartem, schwarzem Pech oder klumpigem Öl, zerfallene Ballen von Leintuch, Stapel von Brettern und Kisten voller Nägel in verschiedensten Größen. Einen Durchgang fanden sie nicht. Sie dehnten ihre Suche auf den restlichen Keller aus, klopften Wände ab, verrückten Stapel morscher Kisten und untersuchten den Boden nach Falltüren. Schließlich, über eine Stunde später, versammelten sie sich am Fuß der Treppe.

      »Das gibt’s nicht«, sagte Krona. »Da muss ein Übergang sein. Wir stellen uns nur zu blöd an.«

      »Wenn es einen gibt, ist er gut verborgen.« Pintel ließ sich auf die erste Treppenstufe fallen.

      »Es muss einen geben«, sagte Krona, der plötzlich etwas einfiel. »Und wisst ihr, warum? Weil wir keinerlei sonstigen Türen nach draußen gesehen haben. Es kann ja nicht Sinn der Sache sein, dass man den Turm durch den Lastenaufzug betritt.«

      »Wenn sich aber jemand so viel Mühe gegeben hat, den Zugang zu verbergen, haben wir kaum eine Chance, ihn zu finden«, sagte Nardon frustriert. »Es ist schon ganz ohne Zauberei möglich, unauffindbare Geheimtüren anzulegen. Der Einsatz von Zauberei erweitert diese Möglichkeit vermutlich ganz gewaltig.«

      »Recht hast du«, sagte Pintel niedergeschlagen und nahm einen langen Schluck aus seinem Wasserschlauch.

      »Dann hilft es nichts«, sagte Fenrir, »und wir müssen es von außen versuchen.«

      Schaudernd dachte Krona an das tiefe, steil abfallende Loch.

      »Ich will nicht den ganzen Weg zurück«, sagte sie. »Wir müssten uns etappenweise abseilen, wenn wir uns nicht alle Knochen brechen wollen. Es würde Stunden dauern.«

      »Wartet«, sagte Lomir. »Vielleicht haben wir das Falsche gesucht.«

      Alle Blicke richteten sich auf ihn.

      »Vielleicht haben wir den Zugang schon gefunden«, fuhr er mit wachsendem Eifer fort, »und ihn nur nicht als solchen erkannt.«

      »Das steinerne Sims«, sagte Fenrir.

      »Genau«, bestätigte Lomir. »Es gab ein zweites genau gegenüber am anderen Turm.«

      »Und dazwischen gab es fünfzig Schritt Luft«, erinnerte Krona ihn. »Das ist nur ein Zugang, wenn du fliegen kannst.«

      »Lasst uns das Sims nochmals untersuchen«, schlug Fenrir vor. »Vielleicht haben wir etwas übersehen.«

      »Aber klar«, knurrte Krona. »Ich laufe ja auch gerne ständig in diesem Turm rauf und runter.«

      »Willst du dich lieber durch den Tunnel abseilen? Dann nur zu«, sagte Fenrir.

      Krona warf ihm einen vernichtenden Blick zu und stieg ein paar Stufen hinauf.

      »Nun kommt schon«, sagte sie. »Heult nicht herum. Ist gut für die Ausdauer.«

      Kurze Zeit später waren sie wieder in dem Raum mit dem steinernen Sims.

      »Ich sehe da nichts als Luft«, sagte Krona missmutig und beugte sich vorsichtig hinaus. Der Wind riss an ihren Haaren und schlug ihr Regen ins Gesicht, und sie zog schnell den Kopf zurück.

      »Vielleicht gab es ein Seilzugsystem«, schlug Lomir vor. »Man hangelte sich oder wurde gezogen.«

      »Davon müssten Haken oder andere Vorrichtungen übrig sein.« Fenrir trat hinaus auf das Sims und betrachtete die glatte Wand rund um den Durchgang. »Man kann aber nichts erkennen, nicht einmal Bohrlöcher oder Ähnliches.«

      »Kommst du bitte wieder rein«, sagte Krona unwirsch. »Mir wird schon schwindelig beim Zusehen.«

      »Mir nicht«, sagte Fenrir mit flüchtigem Lächeln. »Hier draußen kann man wenigstens durchatmen.«

      »Seht mal!«, rief Pintel plötzlich aus und versetzte die anderen augenblicklich in Alarmbereitschaft. »Da!«

      »Was, da«, sagte Lomir und folgte Pintels Fingerzeig, der hinaus in den Regen wies.

      »Die Regentropfen«, sagte Pintel. »Es sieht aus, als würden sie von etwas abprallen. Etwas Unsichtbarem! Nimm die Axt runter, Lomir.«

      »Wenn du mich so erschreckst!«, verteidigte sich der Zwerg. »Das ist ein Reflex.«

      »Eine unsichtbare Brücke?«, sagte Fenrir, der immer noch draußen auf dem Sims stand, und ging in die Hocke. Mit der Schwertspitze tastete er vor sich, wo scheinbar nur Luft und Regen waren.

      »Da ist etwas«, sagte er, und Pintel rief »Ja!«, und klatschte vor Freude in die Hände.

      »Es fühlt sich an wie Stein«, sagte Fenrir.

      »Na toll«, sagte Krona. »Eine unsichtbare Brücke. Da seil ich mich doch lieber ab.«

      »Es scheint, als hätte sie sogar ein Geländer«, teilte Fenrir nach einer Weile das Ergebnis seiner weiteren Untersuchungen mit. Er machte einen Schritt über den Rand des Simses und stand nun mit nichts als Luft unter seinen Füßen.

      »Scheint stabil«, sagte er und wippte auf den Zehenspitzen.

      »Götter«, murmelte Nardon. »Erst Boote und jetzt das.«

      »Und was, wenn du durch ein unsichtbares Loch in deiner unsichtbaren Brücke hinunterfällst auf diesen sehr sichtbaren Fels?«, fragte Krona erbost. Fenrir lächelte überraschend sonnig. »Dann könnt ihr anderen euch immer noch abseilen«, sagte er. Krona warf die Hände in die Luft und wandte sich ab.

      Ohne ein weiteres Wort machte Fenrir sich auf den Weg. Seine Füße tasteten vorsichtig nach jedem Schritt, seine Hände lagen auf dem unsichtbaren Handlauf, wie ein Seiltänzer bewegte er sich durch die schiere Luft bis hinüber auf das andere Sims. Mit einem großen Schritt verschwand er im Inneren des Turmes, tauchte gleich darauf wieder auf und winkte ermutigend zu den anderen hinüber.

      Einer nach dem anderen wagten sie nun die Überquerung: Pintel mit der wissbegierigen Begeisterung, die Zauberei bei ihm immer auslöste, Krona mit Todesverachtung, Nardon mit geschlossenen Augen, um sich, wie er sagte, zumindest die Illusion einer Brücke erhalten zu können, und Lomir mit einem wachsamen Blick auf seinen Freund.

      Der Raum, in dem sie sich auf der anderen Seite versammelten, glich dem, aus dem sie kamen.

      »Willkommen im Nordturm«, sagte Fenrir lächelnd und machte eine einladende Geste. »Es ist ein bisschen unaufgeräumt und Staub liegt in den Ecken, aber seht bitte darüber hinweg. Der Mieter war mit anderen Dingen beschäftigt in letzter Zeit.«

      »Mit Tot-Sein nämlich«, ergänzte Pintel grinsend. »Ich habe gehört, das lässt einem kaum Zeit für anderes.«

      »Könnt ihr mal die Karcharoth-Witze einstellen«, bat Lomir mit einem unbehaglichen Blick über die Schulter. »Mir ist nicht wohl dabei, jetzt, da wir näher am eigentlichen Kern der Sache sind. Nicht dass er sein Tot-Sein mal unterbricht, um uns irgendeine Art von üblem Zauber um die Köpfe zu schlagen.«

      »Du hast recht«, sagte Pintel. »Wir sollten ab jetzt besser vorsichtig sein.«

      Sie bewegten sich zur Tür und sahen hinaus auf einen langen, staubigen, dunklen Gang. Nardon hustete und zeigte auf Kronas Fackel.

      »Sie qualmt«, machte er sie aufmerksam.

      »Ich weiß«, sagte Krona. »Ist auf der Brücke nass geworden.«

      »Hast du keine andere?«

      »Nein. Ist meine Letzte.«

      »Dann sag doch ein Wort. Was glaubst du, was da noch in meinem Rucksack steckt.«

      »Noch brennt sie«, sagte Krona, »und ich glaube nicht, dass wir Licht verschwenden sollten. Wie es aussieht, werden wir hier noch eine Weile bleiben.«

      »Sag Bescheid, wenn du eine brauchst.« Nardon folgte Lomir hinaus auf den Gang.

      »Ja«, sagte Krona, die plötzlich das Schlusslicht


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