Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic

Feuerjäger: Sammelband - Susanne Pavlovic


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trugen kleine weiße Schaumkronen.

      »So dicke Mauern«, sagte Fenrir und berührte mit den Fingerspitzen die gewaltigen, nahtlos aneinandergefügten Steinblöcke.

      »Das ist deine erste Festung, nehme ich an?«, sagte Krona und warf einen Blick über die Schulter. »Die sind nämlich alle so. Wenn ich keine dicken Mauern will, stelle ich ein Zelt auf.«

      »Spar dir deinen Zynismus, Hauptmann«, sagte Fenrir und riss sich vom Blick nach draußen los.

      »Entschuldige. Dieser Ort macht mich nervös, und nicht wegen seiner dicken Mauern.«

      »Dann lasst uns keine Zeit verlieren«, sagte Lomir. »Ich glaube kaum, dass wir hier etwas finden werden, aber lasst uns schnell einen Blick in die anderen Räume werfen, nur um nichts zu übersehen.«

      Die Räume zur Meerseite waren alle leer und in ähnlichem Zustand. Die Räume auf der anderen Gangseite wiesen zum Teil noch Reste von Möblierung auf. In einem fanden sie eine Kochstelle und einige völlig verrostete Töpfe.

      »Soldatenquartiere?«, vermutete Nardon.

      »Eher Offiziersunterkünfte«, sagte Krona. »Für Soldatenquartiere sind es einfach nicht genug Räume.«

      »Es gibt aber doch bestimmt mehr als genug Räume in den anderen Stockwerken.«

      Krona schüttelte den Kopf. »Das ist unüblich. Man bringt die einfachen Soldaten immer auf einem Haufen unter. So gibt es keine Streitereien über irgendeine Ungleichbehandlung.«

      »Nur die Offiziere werden gleicher behandelt«, sagte Nardon mit hochgezogenen Augenbrauen.

      »Ja«, sagte Krona. »Und man lernt, das zu schätzen. Als Offizier, meine ich.«

      Die Untersuchung des restlichen Stockwerks brachte nichts als noch mehr leere, verlassene Räume und Möwennester.

      »Ich frage mich, ob Karcharoth diesen Turm überhaupt genutzt hat«, sagte Pintel, als sie sich wieder an der Treppe versammelten. »Warum sollte er sich in den Stockwerken über diesem gemütlich einrichten und dieses hier so verkommen lassen?«

      »Weil der Ausblick von oben besser ist?«, schlug Lomir vor. »Ich weiß es nicht, aber wir sollten nachsehen. Überdies habe ich noch keinen Zugang zum anderen Turm gefunden. Wir müssen also ohnehin suchen.«

      »Einen Zugang wirst du weiter oben nicht mehr finden«, sagte Pintel. »Ich habe mal eine Zeichnung der Festung gesehen. Die beiden Türme sind nur an ihrem Fuß miteinander verbunden. Sie werden nach oben schmäler, und der Spalt zwischen ihnen wird immer breiter.«

      »Wir haben noch nicht alles vom Keller gesehen«, erinnerte Krona. »Der Zugang wird ein Tunnel sein, der durch den Felssockel verläuft. Sollte jemals einer der Türme genommen werden, kann man sich in den zweiten zurückziehen und den Zugang verschließen.«

      »Dann teilen wir uns auf«, schlug Pintel vor. »Die einen gehen zurück in den Keller und suchen den Durchgang, während die anderen die übrigen Stockwerke ansehen.«

      »Schlechte Idee. Das würde ich vielleicht machen, wenn wir zehn wären. Aber wir sind fünf. Viel zu riskant.«

      »Dann lasst uns erst nach oben gehen«, sagte Lomir. »Vielleicht finden wir hier ja doch, was wir suchen, und müssen uns mit dem Durchgang gar nicht mehr aufhalten.«

      Sie folgten der Wendeltreppe ein Stockwerk hinauf und betraten eine weitere dunkle Halle, deutlich kleiner als die beiden vorhergehenden, aber ebenso verlassen.

      »Erstes Obergeschoss«, sagte Lomir. »Dann versuchen wir mal unser Glück.«

      Pintel hielt seine Laterne hoch über den Kopf und drehte sich langsam um sich selbst. Die Mündungen dunkler Gänge gähnten in den steinernen Wänden und verschlangen gierig jedes Licht. Auf Kniehöhe waren eine Anzahl flacher, hoher Nischen in die Wände eingearbeitet, und zwei Stufen führten in der Mitte der Halle auf ein steinernes Podest.

      »Seht mal«, sagte Pintel und deutete mit der Laterne. »Die Gänge sind mit Gittern gesichert.«

      »Der Zellentrakt«, sagte Lomir. »Dann könnten die Räume im Erdgeschoss die Unterkunft der Aufseher gewesen sein.«

      »Müssen wir uns das wirklich antun?«, fragte Pintel. »Ich meine, hier hat Karcharoth doch sicher nicht gewohnt.«

      »Wartet«, sagte Fenrir. »Ich höre etwas.«

      Schlagartig wurden alle still.

      »Bist du sicher?«, sagte Lomir nach einer Weile. »Ich höre nichts.«

      »Ich auch nicht, solange du sprichst«, sagte Fenrir, der den Kopf leicht zur Seite geneigt hatte und konzentriert ins Leere starrte.

      »Was hörst du?«, fragte Krona leise.

      »Stimmen.«

      Kronas Schwertspitze fuhr in die Höhe. Lomirs Finger schlossen sich um den Stiel seiner Axt. Nardon fasste an seinen Gürtel, wo die Tasche mit seiner Armbrust hing. Pintel beobachtete, wie Fenrir mit fließender Bewegung sein Schwert zog, und machte einen großen Schritt zur Seite.

      »Hier entlang«, sagte Fenrir.

      »Müssen wir wirklich?«, fragte Pintel niedergeschlagen, doch Fenrir war bereits an das Gitter herangetreten und spähte durch die Gitterstäbe in den dunklen Gang.

      »Es ist nicht abgeschlossen«, sagte er und drückte leicht gegen das Gitter. Mit vernehmlichem Knarren gab es nach und öffnete sich in den Gang.

      »Wer immer da ist«, sagte Nardon, »jetzt hat er uns gehört.«

      »Da kann niemand sein«, sagte Krona kopfschüttelnd. »Die Festung ist seit Jahren verlassen, und Schiffe haben wir keine liegen sehen.«

      »Vielleicht wurde jemand hier zurückgelassen?«

      »Und wie hätte der sich hier versorgen sollen?«

      »Oder jemand wurde von einem Schiff abgesetzt, wie wir.«

      »Es ist sehr unwahrscheinlich, dass außer uns noch jemand auf diese Schwachsinnsidee kommt«, knurrte Krona.

      »Sehen wir nach«, sagte Fenrir und ging voran.

      Lange Reihen schwerer Holztüren erstreckten sich links und rechts von ihnen, als sie in den Gang traten. Die meisten standen ganz oder halb offen und waren von der feuchten, salzigen Seeluft zerfressen, eine war sogar aus den Angeln gebrochen und hing schief in der Türöffnung. Lautlos schritt Fenrir voran, den Kopf nach vorne gestreckt, als würde er wittern. Die anderen folgten bemüht, aber deutlich weniger lautlos. Pintel, der sich an seine Laterne klammerte, bildete die Nachhut.

      Vor der dritten Tür zur Linken blieb Fenrir stehen und wies mit der Schwertspitze darauf. Die Gefährten schlossen zu ihm auf. Fenrir legte einen Finger an die Lippen.

      Jetzt hörten sie es alle. Ein monotoner Singsang kam aus dem Raum, eine dünne, krächzende Stimme wiederholte immer wieder dieselben vier Töne, immer wieder, wie ein endloses Mantra. Die Gefährten sahen sich an. Pintels Gesicht wirkte geisterhaft blass im flackernden Licht seiner Laterne. Krona tippte Fenrir an und zeigte auf dessen Bogen. Fenrir nickte, steckte das Schwert zurück in die Scheide und machte den Bogen bereit.

      »Auf drei«, formten Kronas Lippen lautlos. »Eins – zwei – drei!«

      Sie sprang vor, trat die Tür auf, stürmte in den Raum und wich sofort zur Seite, um Fenrir das Schussfeld frei zu geben. Lomir folgte ihr unmittelbar, doch der alte Zwergen-Schlachtruf, duergar-hildr!, erstarb auf seinen Lippen. Krona stoppte ihren Lauf, und der Pfeil auf Fenrirs Sehne verharrte dort wie eingefroren.

      »Götter«, sagte Lomir leise.

      Die geisterhafte Gestalt eines Mannes kauerte an der Rückwand. Seine Formen schienen wie aus durchscheinendem Nebel gebildet, und ein fahler, blasser Lichtschein ging von ihm aus. Er sah die Eindringlinge nicht an, schien sie gar nicht zu bemerken, so versunken war er in sein eintöniges Lied, in dessen Takt er vor und zurück wippte. Skelettartig abgemagerte, nackte


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