Feuerjäger: Sammelband. Susanne Pavlovic
gewesen waren, befand sich nun eine dunkle, feuchte Steinwand.
Sie kniff die Augen zusammen, riss sie wieder auf. Auch links und rechts und vor ihr befanden sich Steinwände. In der Wand direkt vor ihr war eine dicke Tür eingelassen. Sie hob die Fackel und leuchtete um sich.
»Meridias nackter Arsch«, sagte sie fassungslos. »Was, zum Teufel, ist passiert?«
Keine Antwort. Ihre Stimme klang leblos und erstickt in dem winzigen Raum.
Eine Zelle. Ich bin in einer Zelle. Wie bin ich nur hierher gekommen?
Während sie noch darüber nachdachte, bemerkte sie eine weitere Veränderung: Ein vertrautes Gewicht war von ihrer Hüfte verschwunden, ihre Schwerthand war leer.
Sie kontrollierte ihren Gürtel. Ihr Dolch fehlte. Ein Griff hinunter: Auch die Halterung an ihrem Stiefel war leer.
Eine Hitzewelle rauschte durch ihren Körper. Ihre Handflächen waren plötzlich schweißnass. Sie öffnete und schloss die Fäuste.
Ganz ruhig, Soldatin.
Die Luft roch so modrig und salzig wie überall auf Sturmwacht. Sie war also vermutlich noch immer in der Festung und musste nun so schnell wie möglich zurück zu ihren Gefährten finden.
Sie trat an die Tür. Ein seifiger Überzug bedeckte das morsche Holz. Es gab keine Klinke, und als sie schob, passierte nichts. Sie warf sich gegen die Tür und spürte, wie das morsche Holz sich in den rostigen Beschlägen bewegte. Sie machte weiter, bis ihre Schulter taub war. Sie dachte an Elwig Küfner, das fette Schwein hinter seinem protzigen Schreibtisch, der mit einer Unterschrift ihr Leben zunichtegemacht hatte. Sie nahm Maß und trat zu. Holz splitterte.
Und nochmal. In dein fettes Arschgesicht.
Diesmal blieb ihr Stiefel in dem Loch stecken, das sie in die Tür getreten hatte. Sie befreite sich, packte zu und hebelte die Holzplanke aus ihrer Halterung. Sie fasste durch die Öffnung, ertastete einen völlig verrosteten Riegel und zerrte daran, bis er sich knirschend bewegte.
Endlich öffnete sich die Tür, und sie stolperte keuchend auf den Gang.
Sie war am Ende eines langen Zellentraktes gelandet. Viele weitere Türen folgten nach ihrer, und die gegenüberliegende Wand bestand aus grob behauenem Fels.
Vorsichtig schritt sie die lange Reihe der Türen ab. Einige waren verschlossen und wurden von vermoderten Riegeln an ihrem Platz gehalten. Drei allerdings waren in ihren Angeln zerfetzt, als seien gewaltige Kräfte durch sie nach draußen gedrungen. Mürbe Holzspäne zerfielen unter Kronas Stiefeln, als sie die Ausbruchsstelle passierte.
Sie zählte sechs Türen zu ihrer Rechten, dann kamen auch links zwei Türen in weitem Abstand. Nach vierzehn Türen zur Rechten mündete der Gang in einen weiteren, der quer zu ihm verlief.
Der Weg nach links war durch eine ehemals massive, nun rostige Gittertür versperrt. Der rechte Gang endete einige Schritte weiter an einer Wand. Zwei weitere, halb offen stehende Türen führten zur Linken in dunkle Räume.
Krona fluchte leise. Sie hatte ein Ganglabyrinth befürchtet, und sie schien eines zu bekommen. Sie warf einen flüchtigen Blick in die beiden Räume. Reste von Mobiliar befanden sich in einem davon. Sie testete die Tauglichkeit eines Tischbeines als Waffe, warf das schmierige Stück Holz aber zurück auf den Haufen. Es war so morsch, dass der Aufprall es in Stücke zerlegte. Sie trat zurück auf den Gang und besah sich die Gittertür. Sie stand einen Spalt breit offen.
Glück gehabt.
Sie schob die Tür auf. Ein lautes Kreischen von Metall auf rostigem Metall schickte ihr Herz mit einem Satz hinauf in ihren Hals. Sie schloss die Finger um den Stiel der Fackel, wie sie es mit ihrem Schwert getan hätte. Sie fühlte sich nackt, verletzlich. Hilflos.
Oh, Götter, wie ich es hasse.
Ein Gang zweigte nach rechts ab. Sie hatte sich gerade entschieden, zunächst geradeaus zu gehen, als ...
Ein Geräusch! Ein Geräusch? Mach dich nicht verrückt. Die Einzigen, die in diesem Drecksgemäuer Geräusche machen, sind wir. Und ein paar harmlose, verlorene Seelen.
Und dennoch. Ein Schaben und Scharren, etwas Hartes, das über Stein kratzte. Rhythmisch.
Und da – eine Bewegung, vor ihr, in der Dunkelheit?
Krona kniff die Augen zusammen und riss sie wieder auf. Alles, was sie jenseits ihres Fackelscheins erkennen konnte, war Schwärze. Und doch lauerte dort etwas, ein Fleck oder Schatten, der dunkler war als seine Umgebung, kompakter. Kaum mehr als eine Ahnung.
Mit einem Sprung rettete sie sich in den Seitengang. Sie war sich bewusst, welch hervorragendes Ziel sie mit ihrer Fackel abgab. Kaum zu verfehlen.
Sie musste die Treppe finden. Raus aus diesen Katakomben.
Wenn es eine Treppe gibt.
Reiß dich zusammen. Natürlich gibt es eine Treppe. Hier sind überall Treppen. Jetzt keine Panik, Soldatin! Keine Panik. Keine Panik.
Sie versuchte, sich wie Fenrir leise und gleichzeitig schnell zu bewegen, stellte aber fest, dass sie das eine nur auf Kosten des anderen tun konnte. Die Eile siegte.
Ihr Weg führte sie an weiteren Türen vorbei und an einer dunklen Gangöffnung, die rechts von ihr gähnte. Für einen Augenblick zögerte sie, welchen Weg sie einschlagen sollte, und leuchtete in den Seitengang.
Noch mehr Türen und zuckende Schatten – und eine dunkle Masse, die im gleichen Augenblick verschwunden war, die Wand hinauf, mit einem leisen Klacken.
Krona versuchte, ihren Atem zu beruhigen, der in ihrer Brust explodierte. Sie zwang sich, der dunklen Gangmündung den Rücken zu kehren und weiter zu gehen.
Sie wusste, etwas war hinter ihr. Sie konnte es im spärlichen Licht nicht sehen, aber sie spürte es, und jede Faser ihres Körpers wehrte sich dagegen, ihm den Rücken zuzuwenden.
Es folgte ihr, eine Kreatur in den Schatten, leise und unerbittlich, sie spürte, wie die Dunkelheit hinter ihr vibrierte.
Aber warum greift es nicht an? Will es nicht? Nimmt nur zufällig den gleichen Weg, oder wie?
Noch mehr Türen und noch mehr Gänge. Ich wünschte, einer der Zwerge wäre hier. Ich habe schon längst die Orientierung verloren.
Inzwischen hatte Kronas Tempo sich zum Lauf gesteigert. Sie passierte eine weitere dunkle Gangmündung zu ihrer Rechten und brachte ein weiteres Dutzend rascher Schritte hinter sich, als die Wände des Ganges sich plötzlich zur Seite entfernten. Ihre Schritte erzeugten ein weites Echo.
Eine Halle. Danke, Götter. Wenn ihr mir jetzt auch noch eine Treppe gebt, opfere ich euch bei nächster Gelegenheit was Schönes.
Ist das …? Jawohl. Götter, ich danke euch! Und ich stehe zu meinem Wort. Ich lasse mir etwas Nettes einfallen.
Während sie im Laufschritt auf die Treppe zuhielt, die sich am äußersten Rand ihres Lichtscheines aus dem Dunkel löste, warf sie einen Blick über die Schulter. Ihr rätselhafter Verfolger kauerte sich in die schwarzen Schatten der Gangmündung. Sie erkannte etwas von der Größe eines Menschen, das sich unter einen großen, faltigen Umhang duckte.
Warum folgt es mir nicht weiter?
Sie richtete den Blick zurück in die Halle.
Oh. Alles klar. In Ordnung. Panik in drei ... zwei ... eins. Jetzt.
Sie bremste und wich zurück. Mit einem Mal war die Treppe unerreichbar geworden.
Sie hatten in den Schatten der Halle auf sie gewartet. Sie türmten sich als schwarze, bewegliche Masse vor ihr auf, eine Lawine zuckender Leiber, böse funkelnder Augen, Krallen und Klauen, nadelspitzer Fänge, durch die zischend Atem gezogen wurde, und wie ein Schlachtengesang erhob sich vielstimmiges Knurren. Dann flossen sie aus der Dunkelheit auf sie zu.
Krona wich zurück, die Fackel als erbärmliche Waffe vor sich. Die kleine Flamme zitterte und reckte sich am abgebrannten Stumpf in die Höhe. Licht geisterte