Hilfsmittel, Assistive Technologien und Robotik. Barbara Klein

Hilfsmittel, Assistive Technologien und Robotik - Barbara Klein


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dem Begriff »Medizinprodukte« werden unterschiedlichste medizinische und pflegerische Artikel und Erzeugnisse für die verschiedensten Verwendungszwecke verstanden. Laut Medizinproduktegesetz (MPG) gehören dazu u. a.

      »alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Software, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder andere Gegenstände einschließlich der vom Hersteller speziell zur Anwendung für diagnostische oder therapeutische Zwecke bestimmten und für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinproduktes eingesetzten Software, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktionen zum Zwecke

      a) der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten,

      b) der Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen.« (MPG § 3)

      Medizinprodukte werden dabei verschiedenen Risikoklassen (I, IIa, IIb, III) zugeordnet, die in der EU-Richtlinie 93/42/EWG festgelegt sind. Viele Hilfsmittel wiederum sind Medizinprodukte und gehören oft zu den Produkten mit einer geringen Risikoklasse.

      1.2.4 Altersgerechte Assistenzsysteme

      Der Begriff »Altersgerechte Assistenzsysteme« ist die deutsche Entsprechung für »Ambient Assisted Living« (AAL) und war lange Zeit ein Förderprogramm der Bundesregierung und der Europäischen Union. »›Ambient Assisted Living‹ (AAL) steht für Konzepte, Produkte und Dienstleistungen, die neue Technologien in den Alltag einführen, um die Lebensqualität und Sicherheit für Menschen in allen Lebensphasen, vor allem im Alter, zu erhöhen. Ins Deutsche übersetzt steht AAL für Altersgerechte Assistenzsysteme für ein gesundes und unabhängiges Leben.« (Ambient Assisted Living Deutschland 2016).

      Im Rahmen dieser Programme wurde eine Vielzahl von Projekten mit dem Ziel gefördert, neue sensorbasierte Produkte wie z. B. Sturzerkennungsgeräte zu entwickeln, die die Lebensqualität und Sicherheit älterer Menschen fördern sollen. Entstanden sind aus diesen Projekten bislang erst wenige Produkte, und diese sind auch nicht unbedingt als Hilfsmittel anerkannt. Allerdings gibt es seit kurzem eine Spannbreite an Smart Home und Sicherheitsprodukten z. B. in den Elektrohandelsketten zu kaufen. Auch interaktive Lautsprecher oder intelligente Kameras eröffnen neue Optionen für ein Mehr an Sicherheit und Lebensqualität bei unterschiedlichen Funktionseinschränkungen.

      1.2.5 Robotik, Apps und andere Entwicklungen

      Technologisch komplexer sind robotische Systeme. Hier gibt es wie bei den altersgerechten Assistenzsystemen viele interessante Forschungsprojekte. Erste Produkte kommen nun auf den Markt. Da sind vor allem die Systeme zu nennen, die die Mobilität unterstützen wie z. B. Exoskelette, die manchen Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern zum Gehen verhelfen können, oder auch robotische Rollstühle und Trainingsgeräte. Interessant sind auch Entwicklungen wie emotionale und soziale Roboter. Der Robbenroboter PARO wird z. B. in Deutschland in der stationären Altenhilfe überwiegend bei Menschen mit demenziellen Erkrankungen eingesetzt. Auch bei Menschen mit einem Wachkoma oder schwersten Behinderungen können diese Roboter eingesetzt werden (Klein et al. 2018, S. 62 f.).

      Mit dem Aufkommen von Tablets und Smartphones werden zunehmend sogenannte Gesundheits-Apps für (fast) alle Lebenslagen entwickelt. Das Potenzial dieser Apps ist noch lange nicht ausgelotet. Der Bundesverband Medizintechnologie schlägt sogar einen neuen Versorgungsbereich »Digitale Medizin« (BVmed 2018) vor. Auch der 3D-Druck wird in Zukunft eine verstärkte Rolle in der Hilfsmittelversorgung spielen. Damit können Hilfsmittel relativ kostengünstig, individualisiert und an die Anforderungen der jeweiligen Person angepasst und produziert werden.

      Merke

      Mit »Assistiver Technologie« oder auch Unterstützungstechnologie bezeichnet man unterschiedlichste Hilfsmittel, aber auch Konzepte, die älteren Menschen oder Menschen mit Behinderung länger ein selbstständigeres Leben ermöglichen.

      1.2.6 Teilhabe, Inklusion und Barrierefreiheit

      Teilhabe, Inklusion und Barrierefreiheit sind zentrale Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die 2009 von Deutschland ratifiziert wurde. Die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und die Einbeziehung in die Gesellschaft gehören u. a. zu den Grundsätzen (UN-BRK 2017, S. 9).

      Die UN-BRK sieht ein sich kontinuierlich weiterentwickelndes Verständnis in Bezug auf Behinderung, die »aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern« (UN-BRK 2017, S. 5).

      Wesentlich ist hier zum einen, dass die persönlichen Einstellungen eine Hürde zu Inklusion und Barrierefreiheit darstellen. Zum anderen wird aber auch deutlich, dass umweltbedingte Barrieren angegangen werden müssen. Deutlich wird das im § 4 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG). Hier wird Barrierefreiheit wie folgt definiert:

      »Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.« (BGG, § 4)

      In dieser Definition geht es vor allem darum, die Barrieren abzubauen, die einer politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Teilhabe entgegenstehen. Um Barrierefreiheit umzusetzen, gibt es die jeweiligen Landesgesetze und eine Reihe von Normen, insbesondere die DIN 18040 zum »Barrierefreien Bauen«: Diese DIN-Norm teilt sich in drei Planungsgrundlagen auf: DIN 18040-1 Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude, DIN 18040-2 Teil 2: Wohnungen sowie DIN 18040-3 Teil 3: Öffentlicher Verkehrs- und Freiraum. Doch trotz jahrelanger Diskussionen finden sich heute barrierefreie oder behindertengerechte Wohnungen in lediglich 3,2 % aller deutschen Wohngebäude. Diese Wohnungen gibt es in 3,0 % der Ein-/Zweifamilienhäuser und 3,7 % der Mehrfamilienhäuser (Diefenbach et al. 2010, S. 107). Eine 2015 durchgeführte Kommunalbefragung zu den Wohnungsbeständen der Kommunen zeigt, dass »immerhin 13 % der Wohnungen […] barrierearm« (BBSR-Analysen 2017, S. 5) sind und dass der Anteil im Vergleich zur Befragung 2012 um 3 % angestiegen ist (ebenda). In all diesen Planungsbereichen besteht hoher Handlungsbedarf, wie es auch aus dem Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention mit seinen vorgeschlagenen Maßnahmen hervorgeht (BMAS 2016, S. 116 ff.). Dieser hat zum Ziel »mehr Barrierefreiheit in Wohnungen und im Wohnumfeld, aber auch im Sozialraum herzustellen. Nicht zuletzt aufgrund einer immer älter werdenden Gesellschaft geht es um die Gestaltung eines inklusiven Sozialraums, der eine selbstbestimmte Lebensführung von Menschen mit Behinderungen so lange wie möglich garantiert.« (BMAS 2016, S. 116).

      1.2.7 Universal Design, Inclusive Design und Design für Alle

      Artikel 2 der UN-Behindertenrechtskonvention definiert »universelles Design« als

      »ein Design von Produkten, Umfeldern, Programmen und Dienstleistungen in der Weise, dass sie von allen Menschen möglichst weitgehend ohne eine Anpassung oder ein spezielles Design genutzt werden können. Universelles Design schließt Hilfsmittel für bestimmte Gruppen von Menschen mit Behinderungen, soweit sie benötigt werden, nicht aus.« (UN-BRK 2017, S. 8)

      Die Grundprinzipien des »Universal Designs« wurden 1997 erarbeitet, mit denen Produkte bewertet werden können, der Entwurfsprozess angeleitet werden kann und Verbraucher über die Charakteristika von einfach zu nutzenden Produkten weitergebildet werden können.

      Bei diesen Prinzipien geht es:

      1. um die breite Nutzbarkeit für Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten (z. B. bodengleiche Duschen für Senioren oder Rollstuhlfahrer),


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