Unerfüllte Träume einer jungen Liebe. Marie-Claire de Bergér

Unerfüllte Träume einer jungen Liebe - Marie-Claire de Bergér


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      Sie musste lachen, ob sie wollte oder nicht. „Da hast du mir ja was Schönes eingebrockt, Ursula. Was soll ich jetzt deiner Mama erzählen, die hält mich für verrückt, wenn ich ihr dies berichte. Hören Sie, Diether, das Gör ist erst sechzehn Jahre alt“, erwiderte sie belustigt.

      „Macht doch nichts, ich bin achtzehn Jahre alt und studiere in Wien an der Universität.“

      „So, so, Sie sind Student. Na ja, dann müssen wir den Tatsachen ins Auge sehen, Ursula, was meinst du?“, lächelte sie. „Dann kommen Sie halt mit nach Rigi Scheidegg und wohnen bei uns im Haus. Platz ist ja eh genug da“, fügte sie freundlich hinzu.

      „Bist du mit dem Zug gekommen oder mit dem Auto?“, wollte Uschi nun wissen.

      „Ich bin mit dem Wagen da. Mein Volvo steht gleich dahinten.“

      „Fahren Sie einfach hinter uns her, Diether. Wir fahren die Straße bis Gersau und dann bis zur Talstation der Luftseilbahn, die fährt nämlich hinauf zur Scheidegg“, erklärte die Patentante.

      Diether kehrte zu seinem PKW zurück, der ganz in der Nähe stand. Der Karmann Ghia von Uschis Tante parkte nur drei Autos weiter. Sie stiegen in die Wagen und fuhren zusammen vom Parkplatz in Richtung Vierwaldstättersee. Zwanzig Minuten später hatten beide Autos ihr Ziel erreicht, nämlich den Parkplatz der Rigi-Seilbahn in Chräbel.

      Die drei Personen begaben sich zum Eingang der Talstation und Diether löste sich ein Ferienbillett für vierzehn Tage auf Rigi Scheidegg. Die beiden Damen zeigten ihre Billetts vor, Diether nahm sein Gepäck und alle drei stiegen in die Gondelbahn ein. Die Fahrt dauerte etwa fünfundzwanzig Minuten, dann erreichte sie die Bergstation. Sie kletterten aus der Kabine. Vor der Station wurden sie bereits erwartet. Es war die kleine Bella, eine Westhighland-Terrier-Hündin, die sich tierisch auf ihr Frauchen freute. Uschi und Diether wurden zuerst beschnuppert und dann stürmisch begrüßt. Zusammen gingen sie den langen Hang des Weges hinunter zum Chalet Resi.

      Das Chalet Resi hatte man im alpenländischen Stil erbaut. Am Haus angekommen schloss Marie-Theres die Haustüre auf. In der Diele stand eine prachtvoll bemalte Truhe mit einem herrlichen Krug aus Gmundener Keramik, befüllt mit einem Strauß bunter Gladiolen. Marie-Theres lud ihren Gast zum weiteren Eintreten ins Haus ein.

      Diether betrat dieses Ferienhaus voller Bewunderung. Das Heim von Uschis Tante bot etwa 240 Quadratmeter Wohnfläche. Im Erdgeschoss lagen die Küche mit Essraum, ihr Schlafzimmer, der große Wohnbereich und ihr Arbeitszimmer. Draußen war eine überdachte Terrasse zum Ausruhen, um den Blick über die Berge schweifen zu lassen. Darüber hinaus waren im ersten Stock vier Doppelzimmer mit Bad und WC. Uschi logierte im Erkerzimmer und Diether bekam das angrenzende Balkonstüberl links neben ihr. Alle Räume waren mit Schweizer Arvenmöbeln ausgestattet. In der oberen Diele des ersten Stocks stand ein Familienerbstück – ein alter, bemalter Bauernschrank aus dem bayerischen Rupertiwinkel anno 1878. Im Wohnbereich des Salons erblickte man das Pendant dazu, einen Bauernschrank anno 1880 aus dem Tegernseer Tal, bemalt mit Darstellungen der vier Jahreszeiten. In manchen Ecken des Zimmers sah man alte, bemalte Truhen stehen. Die übrigen Einrichtungsgegenstände waren Biedermeiermöbel.

      Rechts neben der Terrassentüre befand sich ein riesiges Blumenfenster. Davor stand ein kleiner Rauchtisch nebst Messingleuchte und ein überaus gemütlicher Ohrensessel, in dem man sich die Hausherrin gut beim Schmökern vorstellen konnte. An der gegenüberliegenden Wand bereicherte ein üppig mit Holzintarsien geschmücktes und aus Kirschholz gebautes Klavier den Wohnbereich. Darauf lagen jede Menge Noten. Außerdem drei kleine Marmor-Büsten: von Beethoven, Haydn und Mozart.

      Der Gast des Hauses staunte nicht schlecht über das wertvolle Mobiliar des Chalets. Bei diesen Möbeln konnte man sich die Familie gut beim abendlichen Musizieren vorstellen. Diether kam selbst aus einer musikalischen Familie und spielte ausgezeichnet Cello.

      *

      Diethers Ferientage im Chalet Resi

      Marie-Theres trat leise hinter Diether und freute sich, dass er das Klavier bewunderte. Leicht tippte sie an seine Schulter, um ihn nicht zu erschrecken. In Gedanken versunken zuckte er dennoch merklich zusammen. Er fing sich aber sofort wieder, räusperte sich und sagte: „Ich komme aus einer musikalischen Familie und unser Klavier ist nur zum Spielen da. Dieses Exemplar ist eigentlich zu wertvoll, um darauf zu spielen. In Wien gehe ich in die Meisterklasse der Musikhochschule und musiziere auf dem Cello, dem Klavier und der Geige. Wenn ich mit den Bergkameraden auf der Hütte bin, habe ich meine Gitarre immer dabei“, erklärte er.

      „Wollen Sie uns etwas zu Gehör bringen?“, fragte Marie-Theres.

      „Gerne, wenn ich darf“, erwiderte er voller Freude. Die Baronin schloss das Piano auf und reichte ihm die Noten. Es waren die Kinderszenen von Robert Schumann. Er schlug die Seite der Träumerei auf und begann zu musizieren – Uschis Lieblingsstück, aber dies wusste er noch nicht. Er spielte dieses Stück mit Grazie und fast mit Zärtlichkeit, wie man es eigentlich immer spielen sollte.

      Uschi war still ins Zimmer getreten und wunderte sich, wer da ihr Lieblingsstückerl so auf dem Klavier präsentieren konnte. Eigentlich wollte sie etwas sagen, aber ihre Patentante legte den Finger auf den Mund und so schwieg sie. „Das gibt’s doch nicht“, dachte sie bei sich. „Erst hat uns die Liebe wie ein Blitz getroffen und nun lieben wir beide das gleiche Klavierstück.“ Marie-Theres warf ihr einen wissenden Blick zu. Als Diether geendet hatte, klatschten die Damen Beifall.

      „Oh, liabs Herrgöttle von Biberach, Diether, dös is mei Lieblingswerk von Schumann.“ Sie trat hinter ihn, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben.

      „Was sagst du da, deines auch? Ich liebe Schumann und besonders seine Lieder für seine Frau Clara, zum Beispiel die Stücke vom Myrtenkranz, die er so beispiellos vertont hat“, erwiderte er und küsste sie zärtlich zurück auf die Wange. Errötend meinte er: „Ich weiß, du bist erst sechzehn Jahre und ich dürfte das gar nicht ...“

      „Was darfst du nicht?“, bemerkte Uschi gelassen.

      „Dich busseln, meine ich. Madl, du bist mein Schicksal, und dem soll man nicht davonlaufen. Dies hab ich auf dem Parkplatz in Luzern gemerkt, es ist mir durch Mark und Bein gegangen!“

      „Mein Gott, mir auch, als hätte mich der Blitz getroffen, Bub“, flüsterte Uschi ihm zu.

      „Genauso war’s bei mir auch, so etwas habe ich noch nie erlebt, Uschilein. Habe immer gedacht, dös gibt’s net, und hab gelacht, wenn die Freunde mir so etwas erzählten. Weil ich es nicht glauben wollte, dass es dieses Gefühl wirklich gibt. Wart nur, bis es dich auch erwischt, witzelten die Kameraden – und jetzt hat es mich gepackt. Aber mir ist net zum Lachen zumute, eher zum Weinen, weil es so wunderbar ist“, fügte er hinzu. „Mei Madl, i muss mit deiner Bekannten reden, was meinst du?“

      „Ach Diether, mach die Pferd net scheu, mir wird schon was einfallen.“ Er stand in seiner ganzen Länge von der Klavierbank auf, umarmte Uschi, beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie herzhaft.

      „Na, ihr zwei verliebten Gockeln – oder sage ich besser Hennen, wollt’s nix essen?“, äußerte sich die Baronin lachend.

      Klar hatten sie Hunger und ließen sich an der liebevoll gedeckten Tafel nieder. Die Haushälterin beziehungsweise die Köchin Madame Sutter hatte sich wegen des Gastes viel Mühe gegeben. Es gab eine Vorspeise – Lachsterrine gratiniert mit frischem Spargel. Dazu servierte die Hausherrin einen lieblichen Veltliner Weißwein Jahrgang 1956. Als Hauptgang gab es einen Rehrücken mit gefüllten Steinpilzen, Herzoginkartoffeln und Rotkraut. Dazu tranken sie einen Rotwein: Gumpoldskirchner Spätlese Jahrgang 1950. Diether war wie verzaubert, nicht nur vom Abendessen, sondern besonders von der jüngeren Dame. Das Diner war für ihn der Beweis, dass diese Familie Stil besaß. Nicht nur wegen der Atmosphäre des Hauses, sondern es war das Flair im Gesamten, dem er sich nicht entziehen konnte. Marie-Theres schmunzelte und schaute Diether freundlich an: „Na, Diether, Ihnen scheint ja eine Menge durch den Kopf zu gehen: Was ist das für eine Familie, die so ein wunderbares Heim besitzt und in solch einem


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