Einmal morden ist nicht genug. Irene Scharenberg

Einmal morden ist nicht genug - Irene Scharenberg


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einer knappen halben Stunde da«, äffte sie seine Stimme nach. »Super, einfach super, wie du dich jetzt wieder aus der Affäre ziehen kannst. Da will ich einmal mit dir über etwas sehr Wichtiges sprechen und schon ...«

      »Für den Anruf kann ich nun wirklich nichts«, unterbrach er sie ärgerlich. »Dem nörgeligen Plötsche unter die Augen zu treten, ist wohl nichts, was man als willkommene Abwechslung betrachten kann.«

      »Das Thema wird aber nicht auf ewig zu den Akten gelegt«, rief sie hinter ihm her, während er sich schon halb im Bad befand.

      Als er wenig später das Haus verließ, spukte Gabys Wunsch immer noch in seinem Kopf herum. Natürlich war Gaby voll okay, nein, eigentlich mehr als das. Sie war in gewisser Weise schon die Frau, die er sich als Partnerin immer vorgestellt hatte, also, zum Älterwerden, für alles eben. Aber musste man deshalb gleich heiraten? Paare, die einfach ohne Trauschein zusammenlebten, gab es doch wahrlich genug. Auf jeden Fall war ihm die Vorstellung unangenehm, alles offiziell zu machen. Während er zu seinem Auto lief, fuhr er sich mit beiden Händen durchs Haar, als könne er die unangenehmen Gedanken dadurch verscheuchen. Er brauchte jetzt wirklich einen klaren Kopf. Er wusste ja nicht einmal genau, was Kriminaloberrat Plötsche von ihm wollte und ob er die gewünschten Informationen griffbereit hatte. Barnowski fühlte einerseits Ärger wegen des verpatzten Endes der Kuschelstunde mit Gaby, andererseits plagte ihn ein schlechtes Gewissen. Während er geplant hatte, seine Überstunden im Bett abzufeiern, anstatt an seinem Platz zu sitzen, hatte Nadine Rede und Antwort stehen müssen. Sein Fuß drückte stärker auf das Gaspedal. Auch wenn er gerade mit seinem Privatwagen fuhr und das Martinshorn nicht einschalten konnte, lag hier für seine Begriffe im weitgehenden Sinne ein Notfall vor.

      Kapitel 6

      Thorben Hachlinger saß mit verkniffener Miene hinter seinem Schreibtisch. »Scheiße«, murmelte er leise vor sich hin. Wie viel er auch grübelte, er konnte nicht abschätzen, ob sich Florian mit einer Forderung zufriedengeben würde. Schließlich hatten sie lange genug zusammen zahlungswillige Kunden ins Land geschleust, und sein ehemaliger Partner wusste, wie gut man in diesem Geschäft verdiente. Hundertfünfzigtausend Piepen! Eine Stange Geld, wenn man dafür nichts weiter tun musste, als den Mund zu halten. Mit dieser Summe konnte man sich in Südamerika, der Heimat von Florians Frau, sicher eine Existenz aufbauen oder ein nettes Leben machen, aber was wäre, wenn ... Hachlinger fuhr sich mehrmals über die kleine kahle Stelle an seinem Hinterkopf und verbot sich, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Sollte Florian später eine weitere Forderung stellen, hatte er immer noch die Möglichkeit, sich eine Lösung auszudenken. Hachlinger versuchte, zu lächeln, und trommelte mit den Fingern seiner rechten Hand auf die Schreibtischunterlage.

      »Was hast du?«, fragte seine Sekretärin, die ohne anzuklopfen in sein Büro gerauscht war. Irritiert rückte sie ihre modische Brille zurecht. »Bist du sauer, weil ich erst jetzt zur Arbeit komme? Ich habe dir doch gesagt, dass der Termin beim Zahnarzt länger dauern kann. Und ich bin wirklich froh, dass ich den überhaupt so schnell bekommen habe. Eigentlich nur, weil jemand kurzfristig abgesagt hat.« Inzwischen stand sie fast vor ihm und sah ihm prüfend ins Gesicht.

      »Es hat nichts mit dir zu tun«, erklärte er seufzend. »Der Sebald macht Ärger.«

      »Wieso? Ich denke, ihr arbeitet nicht mehr zusammen.«

      »Wir haben unsere Zusammenarbeit leider noch nicht ganz beendet«, wich er aus. »Aber ich will dich da nicht mit reinziehen.«

      »Jetzt hast du mich aber ganz schön neugierig gemacht.«

      »Lass gut sein.« Seine Stimme klang nun hart und befehlend. »Massier mir lieber den Nacken. Anschließend gehen wir die säumigen Rechnungen durch.« Sie beobachtete ihn skeptisch und rührte sich nicht von der Stelle. »Komm schon! Mensch, Malu, mach du mir nicht auch noch Ärger. Tu, was ich dir sage, und ich lade dich heute Abend groß zum Essen ein. Du darfst auch das Restaurant auswählen.«

      »Na also, es geht doch«, erwiderte Malu. Während sie sich ihm näherte, strich sie ihre roten Locken nach hinten. »Jetzt triffst du ja doch den richtigen Ton. Und deshalb wird mein großer Bär auch richtig schön massiert.«

      Kapitel 7

      Pielkötter stand an Deck der Fähre und beobachtete, wie die Rampe hochgefahren wurde. Nachdenklich schaute er zu der Insel hinüber, die sich langsam entfernte. In den Wochen während seiner Reha auf Norderney hatte er so viel erlebt und jetzt freute er sich auf seine Familie und sein Zuhause. Seinen Vorgesetzten hatte er sofort nach dem Arzttermin über seine Rückkehr ins Polizeipräsidium informiert. Nun war noch sein Mitarbeiter Barnowski an der Reihe. Was der wohl dazu sagen würde, dass er bald wieder mit ihm zusammen seinen Dienst versehen würde? Hoffentlich verlief dieses Gespräch erfreulicher als das mit Marianne. Inzwischen versuchte er allerdings, sich nur an das zu erinnern, was ihm Hoffnung für die Zukunft gab.

      Pielkötter saß schon im Zug nach Duisburg, als er die Nummer seines Untergebenen wählte. Barnowski saß offensichtlich an seinem Schreibtisch, denn er meldete sich sofort. »Barnowski, Kriminalpolizei Duisburg.«

      »Pielkötter hier.« Er räusperte sich. »Es gibt Neuigkeiten.«

      »Ich hoffe, die sind gut, Chef.« Barnowski versuchte, scherzhaft zu klingen, aber auf Pielkötter wirkte es eher angespannt.

      »Zumindest nicht schlecht. Ich bin heute Morgen entlassen worden und werde wieder eingegliedert. Wie das genau aussehen wird, erfahre ich erst, nachdem ich beim Arzt in Duisburg war.«

      »Ja ... also ... das freut mich natürlich für Sie«, brachte Barnowski mühsam hervor.

      Pielkötters Finger drückten den Kugelschreiber, mit dem er ein Kreuzworträtsel gelöst hatte, als wolle er ihn zerquetschen. Etwas mehr Begeisterung hätte er sich schon von seinem Mitarbeiter gewünscht und nach den bisherigen Telefonaten hatte er das auch erwartet. Was war in Duisburg los? Hatte man Barnowski etwa in Aussicht gestellt, ihn zu befördern und ihm seinen Posten zu übertragen?

      »Das kommt jetzt etwas überraschend«, fuhr Barnowski fort. »Nun ja, weil man mir gerade eine Verstärkung zugeteilt hat, habe ich ehrlich gesagt nicht mit Ihrer baldigen Rückkehr gerechnet.«

      »Verstärkung?«, fragte Pielkötter irritiert.

      »Ja, und zwar Nadine Schönling, unsere ehemalige Praktikantin.«

      »Aha!«

      »Nadine Schönling, die es in dem Fall Erwin Lützow geschafft hat, unserem oberknauserigen Lochhausner einen Durchsuchungsbeschluss abzutrotzen. Na ja, abtrotzen trifft die Sache vielleicht nicht ganz. Sie hat einmal nett gelächelt, ihm zwei entzückende Augenaufschläge gegönnt und schon lag ihr unser Herr Staatsanwalt zu Füßen.«

      »Wenn ich hier auf Norderney jemanden garantiert nicht vermisst habe, dann ist das Lochhausner.«

      »Das glaube ich Ihnen gerne. Ach ja, ich habe noch nicht erzählt, dass die Nadine es inzwischen zur Kommissaranwärterin gebracht hat.«

      »So, so, die Nadine.« In Pielkötters Stimme war ein Hauch Ironie nicht zu überhören.

      »Ich hab die ja schon damals während ihres Praktikums geduzt.«

      »Aber nicht in meinem Beisein«, wandte Pielkötter ein. Bahnte sich da etwa was an, und Barnowski hatte Angst, er könnte bei seiner Rückkehr dazwischenfunken? Unwillkürlich schüttelte er den Kopf. Was malte er sich da aus? Barnowski war seit Langem in festen Händen. Sogar Heiratspläne standen im Raum, wenn er an ein Telefonat dachte, das er von Norderney aus mit seinem Mitarbeiter geführt hatte.

      »Chef, jetzt machen Sie doch mal halblang«, erwiderte Barnowski, als hätte er seine Gedanken erraten. »Die Frau Schönling ist wirklich ganz schön clever, und ich war froh, dass man sie mir zur Unterstützung geschickt hat. Zumal ich nicht wissen konnte, ob Sie bald zurückkehren würden. Außerdem …« Abrupt stoppte Barnowski seinen Redefluss. »Aber eigentlich will ich mich jetzt nicht darüber auslassen, dass die Nadine viel zu spät in unsere Abteilung geschickt worden und das ja nun überflüssig ist ...«

      »Sondern?«

      »Also,


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