Heißes Blut. Un-su Kim
Nutte hasst es, wenn sie ihn abkriegt.«
»Wie kann es sein, dass ein Kerl, der aussieht wie ein Tiger, so ein Weichtier zwischen den Beinen hat?«
»Wenn bei den Kerlen nichts mehr geht, halten sie sich eigentlich von den Mädchen fern und suchen sich was anderes, Pferderennen, Golf oder was weiß ich. Aber Chef Gu ist ein komischer Typ, der kann’s einfach nicht lassen.«
»Da ist er bestimmt nicht der Erste. Genau genommen sind alle Menschen pervers.«
Huisu warf die Stäbchen auf den Tisch und erhob sich mit einem Blick auf die Uhr.
»Gehst du?«
»Muss mich fertig machen. Will mich noch waschen und umziehen.«
»Okay. Viel Spaß bei der Arbeit.«
Doch anstatt zu gehen, blieb Huisu vor Vater Son stehen und sah ihn durchdringend an.
Vater Son reagierte mit einem fragenden Blick. »Was?«
»Ich brauche noch das Geld.«
»Was für Geld? Wenn du das Geld meinst, das die Typen vom Zoll kriegen, das habe ich denen alles schon geschickt.«
»Um Leute in eine Go-go-Bar einzuladen, braucht man Bares. Wollen Sie, dass ich den Ladys Schecks ausstelle, oder was?«
»Also wirklich, wie kleinlich von dir – solche läppischen Ausgaben könntest du wirklich selbst übernehmen.«
Leise schimpfend entnahm Vater Son seiner Brieftasche zwei Geldscheine. Zwei Millionen won. Huisu zog die Mundwinkel herunter, worauf Vater Son noch einen dazulegte und ihm alles hinhielt. Drei Millionen. Missmutig nahm Huisu das Geld und stopfte es sich in die Gesäßtasche. Er deutete eine Verbeugung an und verließ das Büro. Auf der Treppe kam ihm der Entleerte entgegen, der sich, eine Tasse ssanghwacha in jeder Hand, mühsam an den Aufstieg machte. Seine Kleider waren schweißnass.
»Sie gehen schon, Herr Huisu?«
»Ja, ich habe zu tun.«
»Trinken Sie doch noch einen Tee, bevor Sie gehen. Er sieht vielleicht nicht so aus, aber er ist wirklich sehr gesund.«
»Ist schon gut. Trink du doch einfach meinen, wenn er so gesund ist.«
Um fünfzehn Uhr erreichte Huisu wieder den Parkplatz des Hotels Mallijang. Noch drei Stunden bis zu seinem Treffen. Sein Mund war wie ausgetrocknet, wahrscheinlich von den vielen zu kurzen Nächten in Folge. Außer den paar Bissen im Kuckucksdepot hatte er den ganzen Tag noch nichts gegessen. Sein Magen knurrte, und er war müde. In ein paar Stunden würde er den spendablen Gastgeber spielen müssen. Besser, er aß vorher noch was, duschte, zog sich frische Unterwäsche an und gönnte sich noch eine Mütze Schlaf, denn mit Typen wie Chef Gu drohte die Abendveranstaltung eine nervtötende Sache zu werden.
Huisu warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Nachdenklich trommelte er mit den Fingern auf das Lenkrad. Fürs Essen, Duschen und Schlafen war die Zeit zu knapp. Er ließ den Motor wieder an und fuhr Richtung Kasino.
Auf dem Stuhl neben dem Eingang saß dösend ein Trumm von einem Mann. Auch als Huisi sich direkt vor ihm aufbaute, wachte der Typ nicht auf. Da rüttelte er ihn kurzerhand an der Schulter.
Der Fettwanst schlug die Augen auf und begrüßte Huisu hastig. »Guten Tag, Großer Bruder Huisu.«
»Lass mich rein.«
Der Typ nuschelte etwas in die Sprechanlage; sofort schwang mit einem durchdringenden Piepen eine der schweren Eisentüren auf, die sich am oberen und am unteren Ende der Treppe befanden, die zum Kasino hinunterführten. Sie waren eingebaut worden, damit im Fall einer Polizeirazzia genügend Zeit blieb, das Kasino durch eine Geheimtür zu räumen. Diese Eisentüren waren so massiv, dass man selbst mit einem Schweißbrenner zwanzig Minuten gebraucht hätte, um nur eine von ihnen zu überwinden. Jedes Mal, wenn Huisu die dunkle, feuchte Treppe hinunterging, hatte er das Gefühl, in eine Katakombe hinabzusteigen. Am Fuß der Treppe angelangt, klingelte er. Durch den Spion checkte ein Mann sein Gesicht und machte auf.
Es war Nachmittag und das Kasino trotzdem brechend voll. Huisu ließ den Blick wandern. Alle Tische waren besetzt.
Jiho kam aus seinem Büro geschossen und verbeugte sich vor Huisu. »Großer Bruder Huisu, was verschafft mir zu dieser ungewöhnlichen Tageszeit die Ehre Ihres Besuchs?«
»Nichts, ich hatte gerade ein bisschen Zeit.«
»Soll ich Ihnen einen Tisch frei machen?« Mit forschendem Gesicht versuchte er, Huisus Wünsche am Gesicht abzulesen.
Wie gern wäre Huisu an einen der Tische gegangen, an denen mit hohem Einsatz gespielt wurde, aber dafür hatte er nicht genug Geld dabei. Also zeigte er auf einen, an dem bei einer Million Schluss war. Jiho ging hin und gab einem der dort sitzenden Männer einen leichten Klaps auf die Schulter. Der Typ drehte sich verärgert um. Als er Huisu sah, erhob er sich schicksalsergeben. Mit einer Hand wischte Jiho beflissen über die Sitzfläche des Stuhls, dann bot er ihn Huisu an.
Bei Jiho gab es nur ein einziges Spiel. Kein Poker, kein Roulette, kein Blackjack, bei Jiho wurde ausschließlich Baccara gespielt. Die Regeln dieses einfachen Spiels kapierte jeder Mensch, der nicht den IQ eines Hundes hatte, im Handumdrehen. Da es außerdem ein sehr schnelles Spiel war, das mehr als hundert Einsätze pro Stunde ermöglichte, hatte es einen hohen Suchtfaktor. Theoretisch hatten die Gäste und das Kasino eine nahezu gleiche Gewinnquote: 49 zu 51. Trotzdem gewann am Ende immer das Kasino. Und weil sich die minimale prozentuale Differenz unendlich oft wiederholte und sich zudem die Provisionen summierten, verließen die Leute das Kasino am Ende des Tages mit leeren Taschen. Bei ihren Versuchen, tiefer in die Geheimnisse des Baccara einzudringen, übersahen sie, dass sie nicht verloren, weil sie keine Ahnung von dem Spiel hatten, sondern nur deshalb, weil sie immer weiterspielten.
Jiho war ein guter Geschäftsmann. Er war gastfreundlich und feierte gern. Kein Wunder also, dass schon so viele Idioten in seinem Kasino ihr Leben verpfuscht hatten. Die alten Leute von Guam mochten ihn. Hatten sie die Wahl, waren ihnen Ganoven, die etwas von Kundenbindung verstanden und liebenswürdig und auf intelligentem Weg Profit machten, lieber als ordinäre Gangster; eben Leute wie Jiho.
Huisu nahm die drei Millionen, die er von Vater Son bekommen hatte, legte aus eigener Tasche zwei Millionen dazu und tauschte sie gegen Spielmünzen ein. Auf der anderen Seite des Tischs wurde er argwöhnisch von Obligation Hong beobachtet. Auch dessen chinesischer Leibwächter Changdo fixierte Huisu wie immer mit kaltem Blick. Huisu dagegen tat so, als sähe er die beiden nicht.
Er schuldete Obligation Hong einiges Geld. Im Laufe der Zeit war es immer mehr geworden, sodass seine Schulden sich inzwischen auf dreihundert Millionen won beliefen. Und in letzter Zeit schaffte es Huisu nicht einmal mehr, die Zinsen zu bezahlen. Obligation Hong war ein gewerbsmäßiger Wucherer, der in Guam von Vater Son geduldet wurde, weil die jungen Kerle, die für ihn arbeiteten, alle von außerhalb kamen. Obligation Hongs ursprünglicher Plan, für die abscheuliche Arbeit des Geldeintreibens Gangster aus dem eigenen Viertel zu engagieren – dessen Bewohner ja alle mehr oder weniger direkt miteinander verwandt waren –, hatte sich offenbar nicht so leicht umsetzen lassen. Nun hatten sie es so geregelt, dass Obligation Hong jeden Monat Vater Son eine hübsche Summe zukommen ließ und dafür in den Kasinos, auf den Märkten und in den Bars sein Geld verleihen konnte. Vater Son stellte sich blind, was die Methoden betraf, mit denen Obligation Hong den verschuldeten Gangstern von Guam auf den Fersen war. Er hatte sich, was das betraf, klar ausgedrückt: »Geldgeschichten sind nicht mein Problem.« Eine Allianz wie die zwischen Krokodilwärter und Krokodil.
Ob Auftragskiller oder Clan-Mitglied – wer sich bei Obligation Hong Geld lieh, hatte keine Chance, ihm zu entkommen. Wie alle Wucherer war er ein Scheusal, dem es gelang, noch aus dem ausgedörrtesten Tintenfisch Saft zu pressen. Das für Gangster eigentlich charakteristische Ehrgefühl hatte er mit seinem Eintritt ins Verbrechermilieu über Bord geworfen. Im Wesentlichen lieh er Spielern und Callgirls Geld, aber seine eigentliche Spezialität war etwas anderes: Er kaufte Gläubigern Schulden ab, die schwer einzutreiben waren. Dafür zahlte er Spottpreise von allenfalls zehn oder zwanzig Prozent der geschuldeten Summe und setzte