Heißes Blut. Un-su Kim
der Hand importiert, wolle er gern wissen, ob es möglich sei, fünf japanische Reiskocher der Marke Elephant zu bekommen. Huisu sah ihn kalt an. Etwas verlegen erging sich der Wirt in Erklärungen, murmelte etwas davon, dass seine Tochter den Sohn einer Arztfamilie heirate, dass er befürchte, nicht genug Geld für die Aussteuer zu haben, dass die Reiskocher von Elephant die besten auf dem Markt seien und die Verwandten seines zukünftigen Schwiegersohns sich sicher sehr über einen davon freuen würden. Wieder blickte der Mann forschend in Huisus stummes Gesicht. Dann wagte er es, mit leiser Stimme anzumerken, sein künftiger Schwiegersohn komme aus einer erstklassigen Familie, und dass er fürchte, seine Tochter könne sich unterlegen fühlen. Heute verdienten er und seine Frau recht ordentlich, fuhr er fort, doch als seine Tochter klein gewesen sei, da sei das noch anders gewesen, und deshalb habe sie eine schwere Kindheit gehabt. Sie sei eine gute Schülerin gewesen, doch aufgrund der finanziellen Situation habe sie schließlich nur eine Berufsfachschule besuchen können, was er heute sehr bedauere.
Huisu wurde langsam ungeduldig. Mit einem langen Seufzer antwortete er, dass er sich wegen der Elephant-Reiskocher erkundigen werde. Sofort hellte sich die Miene des Mannes auf. Huisu schaute auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten. Wahrscheinlich eher mehr, denn Pünktlichkeit war nicht Chef Gus Sache. Auf einmal hatte Huisu einen fürchterlichen Durchhänger. Gern hätte er sich irgendwo hingelegt und kurz die Augen zugemacht. Aber wenn er blieb, würde er weiter das Geschwätz des Wirtes ertragen müssen, über seine ach so nette Tochter und den ach so vornehmen künftigen Schwiegersohn. Womöglich fragte er noch, ob auf der amerikanischen Militärbasis nicht ein Kühlschrank von General Electric aufzutreiben sei. Huisu stand auf und ging.
Es war April und der Strand so gut wie leer. Huisu zündete sich eine Zigarette an. Automatisch begann er, die Spaziergänger zu zählen, es waren sieben. Ein mittelaltes Paar – wahrscheinlich unverheiratet –, zwei die Schule schwänzende Gymnasiasten und drei japanische Touristinnen gesetzten Alters. Allein an diesem Strandabschnitt gab es mehrere Dutzend Sashimi-Restaurants, über hundert Bars und Cafés und tausendvierhundert leere Hotelzimmer. Und am Strand waren sieben Menschen. Man benötigte keinen Taschenrechner, um zu erkennen, was das bedeutete. Voll war es nur im Kasino. Huisu warf seine Zigarette in den Sand und klemmte sich sofort eine neue zwischen die Lippen.
In diesem Moment kam eine Gruppe von Jungen aus Gyeongtaes Boxverein am Meer entlanggelaufen. Gyeongtae, der neben ihnen herrannte, spornte sie laut an. Huisu steckte die Zigarette, die er gerade anzünden wollte, wieder in die Schachtel. Auch Gyeongtae hatte ihn gesehen und winkte. Huisu erwiderte den Gruß. Auf seiner Höhe angelangt, blieb Gyeongtae stehen und die Gruppe mit ihm.
»Nicht stehen bleiben! Gwangho vertritt mich!«, befahl Gyeongtae mit fester Stimme. Während die Gruppe weiterlief, holte er schnaufend Luft. »Mann, ich kann nicht mehr. Kann mit diesen Bürschchen einfach nicht mehr mithalten.«
»Seid ihr auf dem Hügel von Hyeolcheongso gestartet?«
Gyeongtae nickte, den Oberkörper vorgebeugt, die Hände auf die Knie gestützt.
»Hey, ich bin wirklich beeindruckt: Kim Gyeongtae, Asien-Champion! Dass du so eine Strecke immer noch schaffst! Den Hügel komme ich sogar im Schritttempo kaum noch hoch.«
»Beeindruckt? Da muss ich aber lachen. Früher bin ich die Strecke drei Mal hintereinander gerannt. Inzwischen muss ich richtig die Zähne zusammenbeißen, damit mir diese Früchtchen nicht weglaufen.«
»Wenn es zu anstrengend ist, kauf dir einen Motorroller.«
»Nein, die Jungs würden einen Trainer verachten, der mit dem Roller hinter ihnen herfährt. Die würden mich nicht mehr respektieren.«
Gyeongtaes ernster Ton brachte Huisu zum Lachen. »Ach ja? Pater Martino hatte uns aber auch vom Fahrrad aus gut im Griff.«
»Du kannst mich doch nicht mit Pater Martino vergleichen. Der hatte ein wahnsinniges Charisma, das weißt du selbst. Habe ich kein bisschen. Deshalb bleibt mir nichts anderes übrig, ich muss mitlaufen.«
Wieder lachte Huisu, nicht weil er lustig fand, was sein Freund gesagt hatte, sondern weil es ihm gefiel, dass er so in Form war. Auch Gyeongtae musste lachen, ohne genau zu wissen, warum. Alle Jungen aus dem Wohlfahrtsheim Mojawon, in dem Huisu aufgewachsen war, hatten damals bei Pater Martino boxen gelernt. Pater Martino war ein italienischer Pfarrer, ein willensstarker Typ und ehemaliger Profiboxer. Nach der Schule liefen die Jungen den Weg, der vom Hyeolcheongso-Hügel bis zum Leuchtturm am Ende der Mole führte, einmal hin und zurück, insgesamt zwölf Kilometer. Das Boxtraining fand in einer kleinen, baufälligen Halle hinter der Kirche von Guam statt. Sie sprangen Seil, machten Beinarbeit und boxten gegen Sandsäcke oder Punchingbälle, die ihnen als Sparringpartner dienten. In dieser Zeit war Huisu glücklich. Er liebte den salzigen Geruch des Windes, der vom Meer kam, das Schnaufen seiner Kameraden und die harten, trommelnden Schläge seines Herzens. Er liebte das Quietschen der Ketten, an denen die Sandsäcke hingen, das peitschende Geräusch der Springseile, wenn sie auf den Boden schlugen, und das monotone Stampfen der Füße vor den Punchingbällen. Wenn es in seinem Leben rückblickend etwas gab, dem sich Huisu mit Leib und Seele verschrieben hatte, dann war es das Boxen.
Während die Jungs damals fröhlich auf die Sandsäcke eindroschen, sprach Pater Martino mit gütigem Gesicht von Liebe. Das Universum sei voller Liebe, sagte er, die Bäume und der Wind voller Liebe, und dass es Gottes einziger Wunsch sei, dass sie einander liebten. Bei jedem Boxtraining sagte Pater Martino das. Eigentlich konnte man mit solchen Worten nicht falschliegen … Doch entgegen seinem Wunsch waren die Kinder aus Mojawon, die bei ihm das Boxen gelernt hatten, zwar gesund an Leib, aber nicht gesund an Seele aufgewachsen, denn alle waren kriminell geworden. Manche waren schon tot – erstochen –, andere saßen im Gefängnis. Huisu hatte das Boxen mit achtzehn aufgegeben, als er Junior-Gangster wurde. Gyeongtae dagegen hatte weitergemacht. Für kurze Zeit war er sogar Profiboxer gewesen, hatte es bis zu den Olympischen Spielen geschafft – auch wenn er dort keine Medaille errang – und an der Asien-Boxmeisterschaft teilgenommen, wo er in seiner Kategorie Champion wurde.
»Wie geht es Pater Martino?«, fragte Huisu.
»Nicht sehr gut. Er würde dich sehr gern sehen. Sollen wir ihn nicht mal zusammen besuchen, Huisu?«
»Nein, lass mal. Welchen Sinn hat es, ihm einen Kriminellen zu präsentieren? Wer weiß, wie er reagieren würde.«
Gyeongtae nickte, und Huisu fragte sich, ob sein Nicken »verstehe« oder »dann eben nicht« bedeutete. Die Jungen waren bis zum Ende der Mole gelaufen, einmal um den Leuchtturm herum, und kamen nun wieder näher.
»Ich muss los.«
»Okay. Geh ruhig.«
»Arbeitest du heute?«
»Wenn du es Arbeit nennen willst: Ich muss ein paar Betrüger ausführen und ihnen einen ausgeben.«
Gyeongtae zog sich die Kappe tief ins Gesicht, lächelte Huisu an und setzte seinen Trainingslauf fort, den steilen Hyeolcheongso-Hügel hinauf. Huisu klemmte sich die Zigarette wieder zwischen die Lippen. Er blickte Gyeongtae nach, wie er geschmeidig aufs Meer zulief. In jungen Jahren konnte er schneller laufen als Gyeongtae und hatte länger durchgehalten. Er war damals auch derjenige, den Pater Martino beim Boxen mit dem größten Enthusiasmus begleitete. Wäre Huisu heute mit Gyeongtae gelaufen, er hätte nach hundert Metern den gesamten Inhalt seines Magens ausgekotzt. Die Zigarette im Mund, wanderte sein Blick zu den jungen Boxern, die auf Gyeongtae zuliefen, und dann weiter zum roten Leuchtturm und den wenigen Möwen, die ihn träge umkreisten. Schließlich warf er die Zigarette unangezündet in den weißen Sand und ging langsam zum Grillrestaurant zurück, um dort Chef Gu und die Typen vom Zoll zu begrüßen.
AUF DER TERRASSE
Zehn Uhr morgens. Auf der Terrasse des Hotels Mallijang saßen zwei Männer. Der eine war Vater Son, Eigentümer des Hotels, der andere Huisu, sein Manager. Vater Son wirkte an diesem Morgen außerordentlich gut gelaunt, Huisu dagegen mürrisch und übernächtigt, nachdem ihn der Anruf seines Chefs aus dem Schlaf gerissen hatte. Gähnend blickte er auf die große Wanduhr.
»Bist du müde?«
»Wenn