Zwischen "nicht mehr" und "noch nicht". Ulla Peffermann-Fincke

Zwischen


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geben Halt in einer Lebensphase, in der vieles noch ungewiss ist: die endgültige Berufswahl oder der weitere berufliche Werdegang, ebenso, wo und wie ich leben möchte. Viele Menschen, leben auch jenseits der Studentenzeit in WGs oder wählen andere Formen des gemeinsamen Lebens.

      Übung

      Denken Sie an Ihre erste große Liebe. Erinnern Sie sich an die Glücksgefühle, aber auch an die schmerzlichen Gefühle, an die Angst, diese Liebe zu verlieren? Wie sind Sie mit den Ambivalenzen in dieser Zeit umgegangen? Was hat Ihnen geholfen? Hatten Sie vertrauensvolle Freunde? Was war Ihnen in dieser Zeit wichtig in Bezug auf ihre Lebensgestaltung?

      Ein Kind wird geboren: Aus einer Partnerschaft wird eine Familie. Und sie ist kein Auslaufmodell. Im Gegenteil: Mütter und Väter empfinden sie zu einem überwiegenden Prozentsatz als das Wichtigste im Leben. Auch 85 Prozent der Jugendlichen nennen die Gründung einer Familie als eines der großen Lebensziele (Shell-Jugendstudie 2015). Fast drei Viertel würde die eigenen Kinder dieser Studie zufolge so erziehen, wie sie selbst erzogen wurden.

      Aus Männern werden Väter, aus Frauen werden Mütter. Jede Familie hat besondere Eigenheiten, die ihr ihren ganz eigenen Charakter geben und teilweise über mehrere Generationen tradiert werden. So entwickeln sich ausgesprochene (oder unausgesprochene) Eigenarten des Familienlebens wie Familienregeln und Rituale. Auch die Kontakte zum erweiterten Familienkreis wie Großeltern, Verwandte und Freunde prägen die Familie. Ebenso wirkt das weitere Umfeld wie Gemeinde, Kindergarten, Schule in die Familie hinein.

      Das Bild der Familie hat sich in den letzten dreißig Jahren grundlegend verändert und damit auch die Identität als Vater und Mutter. Heute sind Frauen oftmals besser ausgebildet als Männer und dann auch die Hauptverdiener. Wir bleiben ein Leben lang Vater oder Mutter. Kinder verändern dabei unseren Lebensalltag dramatisch. Allerdings haben sich die Anforderungen an die Familie in den letzten fünfzig Jahren deutlich erweitert, was auch mit einer Diversifizierung der Familienformen (Patchworkfamilien, interkulturelle Familien, Einelternteilfamilien, Regenbogenfamilien …) und mit den sich verändernden beruflichen Herausforderungen zusammenhängt.

      In dieser Lebenszeit geht es vermehrt darum, Verantwortung zu übernehmen. Mit und ohne festen Partner, mit und ohne Kinder müssen wesentliche Entscheidungen getroffen werden, die meinem Leben eine Richtung geben. Ich merke, dass ich, indem ich mich für etwas entscheide, anderes ausschließe. Manche zögern deshalb Entscheidungen hinaus, um sich möglichst viele Möglichkeiten offenzuhalten. Das mag sich zunächst gut anfühlen, ist auf Dauer aber unbefriedigend, weil zur Reife des Menschen gehört, sich zu positionieren, zu etwas Ja zu sagen.

      Übung

      Wozu haben Sie Ja gesagt? Welche Art von Verantwortung haben Sie übernommen? War Verbindlichkeit wichtig oder hatten Sie eher den Eindruck, dass Ihre Freiheit eingeschränkt wird? Wie stehen Sie heute zu diesen Fragen?

      In dieser Phase sind wir auf der Höhe unserer Schaffenskraft und häufig in unserer Karriere schon ein ganzes Stück vorwärts gekommen. Karriere bedeutet dem Wortsinn nach »Fahrstraße« (lateinisch »carrus« = Wagen). Der Begriff wird heute nicht nur für die berufliche Laufbahn verwendet, vielmehr gibt es auch künstlerische und sportliche Karrieren. In jedem Fall geht es um einen Aufstieg, eine »Fahrstraße« nach oben, oft verbunden mit Konkurrenz und Wettkampf.

      Um Erfolg zu haben, wird die Arbeitsstelle häufig gewechselt, manchmal auch die Art der Arbeit. Es gibt dafür materielle Gründe, zum Bespiel, wenn die neue Stelle finanziell Vorteile verspricht. Aber es geht auch um Ehre und Macht. Arbeit hat einen großen Wert, dient nicht nur dem Geldverdienen, sondern gibt dem Leben auch einen Sinn.

      Oft ist es dann aber so, dass wir beruflich viel erreicht haben, in einem etablierten Umfeld mit oder ohne Familie leben und eigentlich glücklich sein müssten, stattdessen aber das Gefühl haben, dass etwas fehlt. Es läuft alles irgendwie »zu gut«. Die Spannung lässt nach, alles wird zur Gewohnheit, und wir vermissen Freude und Begeisterung. Diese Entwicklung ist völlig verständlich. Um beruflich voranzukommen, um gewisse Ziele, auch privater Natur, zu erreichen, musste die Energie gebündelt und eben zielorientiert eingesetzt werden. Dadurch wurde vieles ausgeblendet. Wir sind mit Scheuklappen durchs Leben gegangen. Diese Einseitigkeit wird nun schmerzlich bewusst. Alles, was es noch rechts und links am Weg gab, wurde nicht gesehen, nicht wahrgenommen. Vielleicht wurden Freundschaften vernachlässigt, die Entwicklung der eigenen Kinder nicht mehr richtig wahrgenommen oder das Genießen, die Muße kam zu kurz. Man erkennt, dass die Arbeit wertvolle Lebenszeit verschluckt hat. Plötzlich entsteht das Gefühl, vieles verpasst zu haben. Was nun?

      Viele versuchen jetzt beinahe zwanghaft, alles Mögliche nachzuholen. Das Problem dabei ist aber, dass wir sind nicht mehr so jung sind. Das Nachholen scheitert meist kläglich oder befriedigt uns nicht wirklich, nicht nachhaltig. Es ist schwer, sich einzugestehen, vieles nicht gelebt zu haben, und zu erkennen, dass es auch nicht immer weiter bergauf geht. Wenn wir diese Tatsache akzeptieren und lernen, unsere Schwachstellen und Schattenseiten, die wir auf unserem Erfolgskurs ausgeblendet haben, anzunehmen, spüren wir trotz schmerzlicher Erkenntnis eine neue Lebensfülle. Wir müssen nicht mehr angestrengt immer besser werden, sondern erlauben uns, mit dem zufrieden zu sein, was ist. Richard Rohr formuliert dies so: Nur wer absteigt, kommt auch an. Biblisch gesprochen: Wer sein Leben verliert, wird es gewinnen.

      Wir sollten ehrlich und nüchtern Bilanz ziehen und uns fragen: Wie möchte ich ab heute weiterleben? Was interessiert mich wirklich? Was ist wesentlich für mich, wo schlägt mein Herz? Wofür kann ich mich begeistern? Welche Menschen sind mir wirklich wichtig? Und, den Blick nach vorne gewendet: Was sollte in zehn oder zwanzig Jahren sein? So kommt es in dieser Zeit zu innerlichen und äußerlichen Umbrüchen und Veränderungen. Oft werden Beziehungen beendet und neue aufgebaut. Wir bekommen ein Gespür für das, was stimmig ist, und für die Dinge, die nicht mehr zu uns passen. Viele Menschen nehmen sich eine Auszeit und suchen Abstand, um sich neu zu orientieren.

      Eine Neuorientierung steht auch dann an, wenn das Leben überraschend anders läuft als geplant. Arbeitslosigkeit, eine Krankheit oder eine Verlusterfahrung zwingen uns, völlig anders weiterzuleben und neue Wege zu finden, um ein erfülltes Leben zu führen.

      Übung

      Was bedeutet Karriere für Sie? Was möchten Sie beruflich noch erreichen? Welche Werte sind Ihnen wichtig? Gestalten Sie aktiv ihr Leben? Oder haben Sie das Gefühl, fremdbestimmt zu leben? Was bedeutet für Sie »glücklich und zufrieden« zu leben?

      Nach etwa vierzig bis fünfundvierzig Jahren Tätigkeit endet das offizielle Berufsleben. Zur Vorbereitung der Verabschiedung in den Ruhestand ist es zunächst einmal gut, auf das zurückzublicken, was war. Man sieht vieles, was gut war und was man selbst auch gut gemacht hat. Und vielleicht ebenso vieles, das nicht gelungen ist. Es gibt Kollegen, bei denen man froh ist, sie nur noch von hinten zu sehen. Andere wird man schmerzlich vermissen. Es wird deutlich, dass eine ganz neue Zeit anbricht. Die vorgegebenen Strukturen fallen weg, die Anerkennung für getane Arbeit bleibt aus, die Möglichkeit zu Gesprächen – und sei es nur der Smalltalk in den Pausen am Arbeitsplatz – gibt es nicht mehr. Auch wenn man die Rentenzeit herbeigesehnt hat, ist die neu gewonnene Freiheit nicht automatisch das Paradies. Die neue freie Zeit muss gestaltet werden, eine neue Gestalt finden. Das kann, muss aber nicht unbedingt ein Problem sein. Viele Menschen haben Hobbys, an denen sie sich im fortgeschrittenen Alter noch freuen können oder die durch die viele freie Zeit, die jetzt zur Verfügung steht, sogar intensiviert werden können. Für andere bekommen Kinder und Enkel eine größere Bedeutung und man widmet ihnen nun mehr Zeit. In manchen Familien sind Oma und Opa unentbehrlich, weil ohne sie der Alltag nicht gemeistert werden könnte.

      In dieser Zeit spüren wir aber deutlich, dass die Kräfte nachlassen. Krankheiten drängen sich in den Vordergrund und sind plötzlich Gesprächsthema im Freundeskreis. Es wird uns bewusst, dass wir nicht ewig leben und unbegrenzt agieren können. Wir sind herausgefordert, unsere Zeit sinnvoll zu gestalten und weise Entscheidungen zu treffen. Weisheit meint die Fähigkeit, einen ganzheitlichen Blick


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