Parzival. Auguste Lechner

Parzival - Auguste Lechner


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Mast ächzte, aber er brach nicht. Und das Segel zerriss nicht, es war neu und aus starker Leinwand.

      Die Männer auf dem Schiff wussten nichts mehr, nur dass sie sich verzweifelt irgendwo anzuklammern suchten, dass von überall her Wasser über sie niederstürzte und dass das Schiff mit einer wahnwitzigen Geschwindigkeit vorwärtsjagte.

      Man muss die Seile durchschneiden, die das Segel halten, dachte Gahmuret undeutlich und versuchte, auf Händen und Knien zum Mast zu kriechen. In diesem Augenblick hörte er ein Geräusch, ein Splittern und Krachen – es war gar nicht besonders laut in all dem Lärm –, aber es ging ihm durch Mark und Bein und er wusste sogleich, es bedeutete das Schlimmste, was geschehen konnte: Das Steuerruder war gebrochen. Und ein steuerloses Schiff war in diesem Sturm verloren!

      »Nun mag uns Gott gnädig sein!«, schrie der Schiffer dicht an seinem Ohr. Danach ging alles unter in dem Höllentanz, der jetzt begann.

      Keiner hätte später sagen können, ob es eine Stunde dauerte oder den halben Tag.

      Aber irgendeinmal erhielten sie einen entsetzlichen Stoß, ein ohrenzerreißendes Knirschen kam aus der Tiefe herauf – und dann lag das Schiff still.

      Noch einmal warf sich der Sturm in das Segel, aber eine stärkere Gewalt hielt die Kogge an ihrem Platz fest: Sie lag, eingekeilt zwischen zwei Klippen, die ihre rasende Fahrt beendet hatten.

      Nach einer Weile öffnete sich die Luke, die in den Schiffsraum hinabführte, und ein Mann erschien. Man hätte ihn freilich eher für ein Gespenst halten können – aber es war der Kapellan.

      Er taumelte über das Deck, das ein wenig schief hing, und kam just im gleichen Augenblick beim Steuer an, als die drei Männer, die da wie ein Bündel nasser Lumpen an der Brüstung lagen, sich zu regen anfingen.

      Gottlob, der Sturm schlief allmählich ein und es war wieder so hell geworden, dass er aus dem regellosen Haufen seinen Herrn heraussuchen konnte. Er lehnte Herrn Gahmuret, dem der Kopf wackelte, notdürftig in den Winkel zwischen Wand und Steuerruder, wo er wenigstens nicht umfallen konnte.

      Dieser hier war wohl Tampanis, er sah recht befremdlich aus, weil er eine Beule auf der Stirne hatte, so groß wie ein Hühnerei. Der Schiffer war unterdessen schon ohne Hilfe auf die Beine gekommen und fing sogleich an, schwankenden Schrittes an der Brüstung entlang über das Deck zu gehen, um zu sehen, welchen Schaden das Schiff etwa genommen habe. Je weiter er kam, desto mehr hellte sich sein Gesicht auf: Denn es zeigte sich, dass die Klippen nur die dicken Balken der Außenwände aufgerissen, sonst aber keinen Schaden angerichtet hatten.

      Als er aber seine Augen der Küste zuwandte, erschrak er. Oh Himmel, wohin waren sie geraten! Langsam und sehr verdüstert, ging er zu den anderen zurück.

      Unterdessen kam auch Herr Gahmuret allmählich zu Sinnen, und als er erst einmal begriffen hatte, dass er lebte, wurde sein Herz sogleich wieder leicht und fröhlich: Denn so war er nun einmal beschaffen. Neugierig blickte er sich um.

      »He, Tampanis«, sagte er verdutzt, »ist dir mittlerweile ein Horn gewachsen?« Und Tampanis brachte ein bleiches Grinsen zustande.

      Gahmuret sah den Schiffer an, der jetzt vor ihm stehen geblieben war. »Schau nicht so grimmig drein! Alles ist doch gut! Sage mir lieber, wo wir sind!«

      »Du kannst es selber sehen!«, antwortete der Schiffer missmutig.

      »Schau dorthin!«

      Gahmuret wandte sich verwundert um. Da sah er, dass sie sich dicht vor einer felsigen Küste befanden, und ein wenig landeinwärts lag eine Burg mit hohen weißen Mauern, Zinnen und Türmen, mit fremdartigem Zierrat an Erkern und Säulen und zierlich geschwungenen Fensterbogen.

      Als er das alles sah, kam Gahmuret ein schrecklicher Gedanke.

      »Sind wir – sind wir abermals im Morgenlande?«

      Der Schiffer lachte. »Nein, wir sind in Hispanien! Und dies ist Patelamunt, die Burg der Sarazenenkönigin Belakane, der alles Land weitum gehört, seit das Heidenvolk über das Meer herübergekommen ist!« Er schnellte plötzlich in die Höhe wie ein zorniger Hahn! »Seht ihr sie? Alle Fenster sind schon voll von den schwarzen Köpfen! Sie werden nicht wenig lachen über uns, weil wir da vor ihrer Nase wie Mäuse in der Falle sitzen!«

      Gahmuret sagte nichts. Mit einem sonderbar gespannten Ausdruck blickte er hinüber nach der Sarazenenburg. Dann wandte er sich langsam um, ein strahlendes Lächeln lag auf seinem Gesicht und seine Augen funkelten vor Abenteuerlust.

      Unterdessen waren allmählich aus der Luke hohläugige, verschmierte Gestalten aufgetaucht: Knappen, Trossbuben, Schiffsknechte.

      »Hört zu!«, sagte Gahmuret, nachdem er sie einen Augenblick neugierig gemustert hatte. »Wir reiten noch heute nach der Heidenburg dort drüben! Nehmt die reichsten Gewänder und das kostbarste Zaumzeug aus den Truhen und sattelt die schönsten Pferde. Jeder Einzelne von euch muss aussehen wie ein Fürst!«

      Was half es, dass der Kapellan heimlich die Hände rang über so viel weltliche Eitelkeit?

      Eine Stunde später ritt die prächtigste Gesellschaft, die man je gesehen hatte, über die ausgelegte Brücke ans Land und auch der Kapellan musste wohl oder übel hinter seinem Herrn herreiten.

      Sie ließen die Felsen der Küste hinter sich, und als sie auf die weite sandige Heide vor der Burg hinauskamen, hielt Tampanis, der das Wappen vorantrug, mit einem Ruck sein Pferd an. »Herr, es stehen viele Zelte da«, sagte er verwundert.

      Gahmuret hatte es schon selbst gesehen. Ein kleines Heerlager erstreckte sich rings um die Burg; nur der Weg dem Meer zu war frei. Gahmuret überlegte schnell: Sie waren ohne Harnisch und andere Waffen als ihre kurzen Schwerter! Wie, wenn die unbekannten Krieger aus den Zelten sie angriffen, oder auch, wenn es den Sarazenen nicht gefiel, dass er ihre Königin besuchen wollte?

      Aber jetzt war es zu spät, sich darüber Sorgen zu machen, dachte er trotzig.

      »Vorwärts!«, befahl er. »Wir reiten in die Burg!«

      Der kohlschwarze Hengst tänzelte durch den Sand, dass kleine Wolken unter seinen Hufen aufstoben. Es war Ipomidons Hengst, den er dem Babylonier vor Alexandria abgenommen hatte.

      Auch der Kapellan trieb seine Stute ein wenig an und dachte traurig darüber nach, warum wohl Gott sie nicht an der Küste eines christlichen Landes an die Klippen geworfen hatte, anstatt sie abermals den Heiden auszuliefern.

      Er fuhr zusammen, als vor ihm Gahmuret sein Pferd zurückriss, dass es kerzengerade in die Höhe stieg. Und als er dem Blick seines Herrn folgte, da erschrak er noch mehr. Ja, nun hatte eine neue Gefahr begonnen: Denn droben auf einem der zierlichen Söller war eine Frau erschienen.

      Ihr Gesicht war dunkel und in ihrer Haltung lagen Stolz und lässige Anmut. Sie schien selbst dem armen Kapellan so schön, dass er jegliche Hoffnung aufgab, dies alles könnte für seinen Herrn noch ein gutes Ende nehmen.

      Die Frau war die Maurenkönigin Belakane und drunten vor dem Tor hielt der junge Ritter Gahmuret und starrte wie verzaubert zu ihr hinauf.

      Hinter der Königin war ein Mann auf den Altan hinausgetreten. Eigentlich war es eher ein Zwerg und auf seinen hohen Schultern saß ein viel zu großer Kopf. Aber was ihm an Größe und Schönheit gebrach, das ersetzte er durch Klugheit. Belakane nahm an, dass er alles wusste, und er enttäuschte sie selten.

      »Wer ist dieser Fürst?«, fragte sie, ohne den Kopf nach ihm zu wenden.

      »Ich habe das Wappen mit dem Anker vor Alexandria gesehen!

      Es gehört dem fränkischen Königssohn, der im Heere des Kalifen kämpfte und Wunder an Tapferkeit vollbrachte! Es sieht fast so aus, als sollten wir noch einmal Glück haben, Herrin: Denn wenn du diesen Ritter dazu bewegen könntest, für dich zu kämpfen, so wären wir vielleicht mit einem Mal alle unsere Feinde los!«

      »Er wird nicht für mich kämpfen wollen, da er ein Christ ist«, sagte sie finster.

      Er lächelte schlau. »Er hat auch für den Kalifen gekämpft, und wenn ich ihn so betrachte, will mir scheinen,


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