Parzival. Auguste Lechner

Parzival - Auguste Lechner


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ehe er noch ein Wort zu sagen vermochte, fuhr sie fort: »Du wirst gleich wieder gehen müssen, Herr Marschalk, denn es erwartet dich viel Arbeit. In sieben Tagen soll meine Hochzeit mit Herrn Gahmuret sein.«

      Lachfilirost verschwand wortlos und Gahmuret blieb und meinte wieder einmal, ja, nun sei er am Ziel seiner Wünsche. –

      In der Turmkammer, wo er wie in einem prächtigen Gefängnis lebte, hörte es der Kapellan von den Dienern.

      »Führt mich zu Herrn Gahmuret!«, sagte er darauf. Aber sie machten allerlei Ausflüchte und er bekam seinen Herrn nicht zu sehen, auch am nächsten und am übernächsten Tag nicht.

      Am sechsten Morgen wartete er vor Gahmurets Schlafgemach. Er sah abgehärmt aus und Gahmuret wäre ihm lieber nicht begegnet.

      »Herr, du kannst die Heidin nicht zur Gemahlin nehmen!«, sagte der Kapellan.

      Gahmuret blickte an ihm vorbei. »Sie wird den Christenglauben annehmen!«, sagte er unwillig.

      Der Kapellan schüttelte traurig den Kopf. »Ich bin sicher, dass sie das nicht tun wird.«

      »So kann ich dir nicht helfen!«, beschied ihn Gahmuret kühl.

      Also hielt Herr Gahmuret Anschewin Hochzeit mit Belakane nach ihrer Sitte und wurde König im Sarazenenreiche in Hispanien.

      Aber oft beginnen die Dinge, wenn sie geschehen sind, plötzlich oder allmählich ein anderes Gesicht anzunehmen als vorher.

      Bald nach der Hochzeit schien es Gahmuret, es wäre doch nicht alles so, wie er es wünschte.

      Es war so still an diesem Hofe. Niemals kamen ritterliche Gäste von anderen Burgen. Nur Mauren jagten durch die Tore aus und ein.

      Im ganzen Abendlande schien sich niemand mehr an Herrn Gahmuret zu erinnern und das verdüsterte sein Gemüt.

      Zwar liebte er seine schöne Gemahlin wie zuvor, aber sein wildes Herz ließ ihm auch jetzt keine Ruhe. Immer mehr sehnte er sich nach Abenteuern und nach dem fröhlichen Leben an Fürstenhöfen unter seinesgleichen.

      Wenn er zu Belakane davon redete, dass sie doch den Christenglauben annehmen möge, schüttelte sie den Kopf und ihre weiche Stimme sagte: »Nein, mein Gemahl, darum sollst du mich nicht bitten!« Und er wusste, dass es vergebens war.

      So vergingen drei Monde, da zwang ihn sein wildes Herz und er ritt eines Tages nach Sibilje und suchte den Schiffer. Der fragte nur, als hätte er ihn längst erwartet: »Wann willst du reisen, Herr?« Und sie verabredeten, dass die Kogge in der dritten Nacht draußen vor den Klippen liegen sollte. »Ich werde deine Schätze, die ich getreulich in meinen Kellern verwahrt habe, auf das Schiff bringen lassen«, fügte der schlaue Bursche hinzu, »du wirst sie brauchen, da du ja heimlich fortmusst und nichts mitnehmen kannst.« –

      So ritt Gahmuret am Abend des dritten Tages fort von Burg Patelamunt mit seinen Knappen und dem Kapellan, genau wie sonst, wenn er nach seiner Gewohnheit stundenlang das Land durchstreifte.

      Auf einem Umweg erreichten sie die Küste. Die Kogge lag schon da.

      »Wohin soll ich segeln, Herr?«, fragte der Schiffer.

      »Wohin der Wind uns treibt!«, antwortete Gahmuret und es war ihm so leicht zu Sinne wie schon lange nicht. –

      Es war noch nicht Morgen, als die Königin erwachte. Aber sie stand auf, als sie gewahr wurde, dass Gahmuret nicht da war.

      Zwar geschah es öfters, dass ihn seine Unrast nachts forttrieb: Aber diesmal fühlte sie, war es anders.

      Sie wusste es, noch ehe sie Gahmurets Brief fand.

      In diesem Brief aber stand: »Ich bitte dich, mir zu verzeihen. Aber ich muss fort. Ich werde immer wieder fortmüssen: Gott weiß, warum ich so unsteten Wesens bin. Wenn ich kann, will ich eines Tages zurückkehren.«

      Belakane tobte, schrie und weinte und versetzte das ganze Gesinde vom Marschalk bis zum Stallbuben in Angst und Schrecken. Sie zerriss die seidenen Polster und schlug die Mägde.

      Allmählich aber schickte sie sich darein, dass ihr berühmter Gemahl zu neuen Abenteuern ausgezogen war und eines Tages noch berühmter heimkehren werde.

      Zu ihrer Zeit brachte die Königin einen Sohn zur Welt. Es war ein merkwürdiges Kind: Seine Haut war weder hell noch dunkel, sondern auf eine wunderliche Weise gefleckt und auch das Fellchen auf seinem Kopf bestand aus helleren und dunkleren Haarbüscheln.

      Sie nannte den Knaben Feirefiss und war stolz darauf, dass er aus dem Königsgeschlecht von Anschouwe stammte.

      Aber als der Knabe fünf Tage alt war, befiel sie ein hitziges Fieber und daran starb sie.

      Gahmuret war zu dieser Zeit fort in den Ländern jenseits des Nordmeeres und es verging ein Jahr, ehe er die Nachricht erhielt.

      Danach dauerte es noch lange, bis er wieder nach Hispanien kam.

      Er hatte den guten Willen, sich seines Sohnes nach Pflicht und Schuldigkeit anzunehmen. Aber es war ihm nicht bestimmt, jemals nach Patelamunt zurückzukehren.

      2 Es half nichts, dass der Himmel wie blaue Seide war, dass die Sonne schien und die Luft immer linder wurde, während sie vor der Küste des Frankenreiches gen Süden segelten.

      Gahmuret wartete vergebens darauf, dass die sonderbare Traurigkeit ihn endlich verlassen möchte, die ihn gefangen hielt seit – er wusste nicht mehr, wie lange schon.

      Zuerst meinte er, die graue Schwermut der Nebelländer sei schuld daran. So bestieg er sein Schiff samt all dem wunderlichen Volk, das sich allmählich um ihn gesammelt hatte, und fuhr südwärts.

      »Herr«, sagte der Schiffer, »bald wird meine Kogge deinen Tross nicht mehr zu fassen vermögen. Wenn wir nach Hispanien kommen, werde ich zu einem Schiffsbauer gehen müssen und ein größeres Fahrzeug bauen lassen!«

      »Und wie viel Beutel Goldes gedenkst du, von mir dafür zu bekommen?«, fragte Gahmuret spottend.

      Das verwitterte Gesicht des Schiffers verzog sich zu einem schlauen Grinsen. »Oh, du bist immer ein freigebiger Herr gewesen, darum kann ich das ruhig dir überlassen!«

      Gahmuret nickte ihm grimmig zu. »Jaja, du hast ganz recht, alter Spitzbube! Es lässt sich gut leben, wenn man einen reichen Herrn hat: Dem läuft das Volk zu wie die Mäuse einem Kornsack.«

      Der Schiffer warf seinem übellaunigen Herrn einen schielenden Blick zu, zog den Kopf ein und machte sich davon. Er hätte gern gewusst, warum ein berühmter, reicher und vornehmer Mann so übler Laune sein konnte. Aber das wusste Gahmuret selber nicht. Er stand an der Brüstung und starrte hinüber nach dem Land. Just gegenüber mündete der große Fluss, der auch durch Anschouwe floss; und wenn er wollte, konnte er jetzt Anker werfen lassen und zu der Hauptstadt reisen, wo sein Bruder Hof hielt.

      Aber er tat es nicht: Denn es schien ihm ganz und gar nicht sicher, wie ihn Galoës aufnehmen würde. Vielleicht konnte der christliche König ihm nicht verzeihen, dass er die Sarazenin zur Frau genommen hatte. Und vielleicht wollten er und seine Sippe und die ganze abendländische Ritterschaft nichts mehr von dem Abtrünnigen wissen.

      Als er dies dachte, überkam Gahmuret zum ersten Mal in seinem Leben eine so furchtbare Einsamkeit, dass er es nicht mehr ertragen konnte, und da fasste er einen Entschluss: »Ich muss Gewissheit haben«, sagte er trotzig zu sich. »Ich will zu meinem Vetter Kaylet reiten. Es müsste doch merkwürdig zugehen, wenn ich am Hofe von Toledo, wo Ritterschaft in höchstem Ansehen steht, nicht mit Ehren aufgenommen würde! Und, bei Gott, sie sollen das Wundern lernen!«

      So warfen sie Anker an der Mündung des Flusses, an dem weit landeinwärts die Hauptstadt Toledo lag.

      Gahmuret stieg selbst mit Tampanis und ein paar Knechten in den Schiffsraum hinab, ließ die Truhen öffnen und verteilte ihren kostbaren Inhalt freigebig an seine Leute, obgleich Tampanis verdrießlich etwas von »Mummenschanz« und »Fastnachtsnarren« vor sich hin murmelte. – Am nächsten Morgen setzte sich ein langer Reiterzug flussaufwärts


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