Parzival. Auguste Lechner

Parzival - Auguste Lechner


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sagte er und verwünschte seinen Mantel, der so lang war, dass die goldenen Borten am Saum im Sande schleiften.

      »Gottes Gruß, Herr Gahmuret! Du sollst mir willkommen sein!«, sprach die Königin; es klang freundlich, nur ein wenig müde.

      Der Kapellan, der hinter seinem Herrn hielt, sah, wie Herr Gahmuret mit einem Ruck den Kopf hob und Frau Herzeloide ins Gesicht blickte. Da faltete er die Hände um den Zügel.

      Lieber Herrgott, dachte er sorgenvoll, dies alles habe ich schon einmal gesehen und nun beginnt es wieder von vorne! Aber ich danke dir, weil du es diesmal wenigstens so gefügt hast, dass sie eine Christin ist und auch nicht schwarz.

      Die Königin war längst vorübergeritten, aber Gahmuret stand immer noch da und starrte ihr nach wie ein törichter Fant.

      Er fuhr zusammen, als Kaylets andalusischer Hengst dicht vor seinem Gesicht schnaubte. »Gottes Gruß, Herr Vetter«, sagte Kaylet grimmig, »ich bin froh, dich wieder einmal zu sehen, es ist lange genug her, dünkt mich!«

      »Wahrhaftig, Kaylet!« Gahmuret lächelte so strahlend zu ihm hinauf, als wäre er just aus einem schönen Traum erwacht: Und das gefiel dem König von Toledo erst recht nicht.

      »Komm mit mir in mein Zelt«, sagte er ungeduldig, »mich dünkt, wir haben allerlei zu bereden!«

      »Ja«, stimmte Gahmuret voll Eifer zu, »sage mir schnell, wer hier ist, damit ich weiß, wer meine Gegner sein werden!«

      »Sachte!«, knurrte Kaylet. »Jedenfalls wirst du genug zu tun bekommen, wenn du sie alle aus dem Sattel werfen willst. Alle sind da, angefangen vom alten bretonischen König Utrepandragun, der sich einbildet, es müsste ihm gelingen, noch zwei Länder und eine schöne junge Königin zu erkämpfen. Lot von Norwegen ist hier, Morholt von Irland, der Herzog von Brabant und ein paar von diesen hochmütigen Alemannenherzögen. Auch der König von Gascogne und Riwalin, der Fürst von Lohneis, und –«

      »Hör auf!«, lachte Gahmuret, »ich sehe, dass es mir nicht an Gegnern fehlen wird! Aber sage mir, ist mein Bruder Galoës nicht hier?«

      Kaylet schüttelte den Kopf. »Nein, wir haben uns schon gewundert, was ihn wohl abhalten mag!«

      Gahmuret meinte erleichtert bei sich, das sei eigentlich ein Glück: Denn wie hätte er wohl mit seinem eigenen Bruder um die Königin kämpfen sollen?

      Kämpfen aber würde er! Er würde auch siegen. Nichts auf der Welt schien ihm so gewiss wie dies! –

      Als am nächsten Tag die Sonne aufging, ritt Gahmuret zum Kampfplatz. Aber es schien ein anderer Gahmuret als gestern. Zwar war sein Harnisch eine kostbare Arbeit und er trug den Helm mit dem berühmten Diamanten im Knauf, den man den Adamas nannte. Sonst aber war kein Schmuck an ihm zu sehen. Kein Fiedler und kein Pfeifer hüpfte hinter ihm drein, nur seine Knappen folgten ihm und jeder trug fünf Gere, zusammengebunden in der Linken, und die Lanze mit dem Wappen ihres Herrn in der Rechten: Denn es würden noch viele Lanzen brechen, ehe die Kämpfe zu Ende waren.

      Der Erste, der gegen Gahmuret ritt, war der alte Utrepandragun und dieser Kampf hatte ein Gutes: Als sich der beleibte Recke mühselig wieder aus Gras und Blumen aufraffte, begann er endlich zu begreifen, dass seine guten Jahre längst vorüber waren.

      Nach ihm jagte Morholt von Irland heran: Die Lanzen brachen dreimal, ehe Morholt den Sattel räumte.

      Siebenmal spornte Riwalin sein Ross gegen Gahmuret, dann fand auch er sich auf dem Rasen.

      Zornsprühend rannte Lähelin an, den es schon längst wurmte, dass dieser Sarazenenkönig Gahmuret unbesiegbar sein sollte. Aber was half es: Übel zerschunden, zog er sich am Schweif seines Rosses in die Höhe und hinkte fluchend davon.

      So ging es noch drei Tage lang.

      Dann war das Turnier zu Konvoleis aus und Gahmuret hatte gesiegt. Als er am Abend des dritten Tages stolz und müde vom Kampfplatz ritt, kam ihm ein Knappe der Königin entgegen: »Meine Herrin wünscht dich zu sehen!«

      Ja, nun war er abermals am Ziel seiner Wünsche!

      Aber als er zu den Zelten kam, näherte sich auf der Straße ein Häuflein Reiter. Sie waren verstaubt, ihre Rosse schienen abgetrieben, als hätten sie eine lange Reise hinter sich. Sie hielten die Schilde nach abwärts gekehrt und auch die Wappen an ihren Lanzen. Das bedeutete, dass sie Trauer um ihren Herrn trugen.

      Als Gahmuret dem grauhaarigen Recken, der voranritt, ins Gesicht sah, hielt er mit einem Ruck sein Pferd an: Diesen Recken kannte er! Und dann wurde es ihm eiskalt ums Herz: Er hatte auf dem abwärts gekehrten Schild den Panther gesehen, das Wappentier seines Vaters Gandin, das danach sein Bruder Galoës geführt hatte. Sein Blick wanderte weiter von einem Wimpel zum anderen. Da hing der Greif traurig mit dem Kopf nach unten und daneben die Schlange; und dorthinten, ja, da war auch der Anker und reckte sich ins Leere, und alle die anderen Wappen der Anschewin. Und das bedeutete, dass König Galoës von Anschouwe tot war. Ein jäher Riss ging durch Gahmurets Glück und Ruhm, just in dem Augenblick, als ihm beides am größten schien.

      Er saß da, wie betäubt, und es fiel ihm nicht einmal ein, die Männer aus Anschouwe anzureden. Er rührte sich auch noch nicht, als der alte Ritter sein Ross auf ihn zulenkte.

      Gahmuret trug weder Schild noch Helm: Denn beides hatte ihm Tampanis nach dem Kampfe abgenommen. So suchte der Alte umsonst nach einem Zeichen, an dem er erkennen könnte, wen er da vor sich habe.

      »Gottes Gruß, edler Ritter«, sagte er endlich, »wir suchen Herrn Gahmuret Anschewin. Kannst du uns sagen, wo wir ihn finden?«

      Gahmuret zuckte zusammen. Nein, das … das war doch nicht möglich! Ungläubig forschte er in den Gesichtern der andern: Aber sie sahen ihn nur fremd und müde an. Sie hatten ihn vergessen!

      »Ja«, sagte er langsam und seine Stimme klang heiser, »ja, ich bin Gahmuret Anschewin. Gottes Gruß, Markgraf.« Der Alte starrte ihn an, seine Augen waren rot vor Müdigkeit. Dann sprang er aus dem Sattel, die andern mit ihm.

      »Verzeihe mir, Herr, ich habe dich nicht erkannt. Es ist lange her …«, er stockte.

      »Du hast recht«, sagte Gahmuret. »Es ist lange her. Und – was ist mit meinem Bruder geschehen?«

      »König Galoës ist im Kampfe vor der Feste Muntori gestorben. Als wir ihn begraben hatten, machten wir uns sogleich auf, dich zu suchen. Aber niemand wusste, wohin du dich begeben hattest.

      Endlich kamen wir nach Toledo und der Burgvogt sagte uns, du wärest zum Turnier nach Konvoleis geritten.«

      In diesem Augenblick sah Gahmuret, wie der alte Mann schwankte und sich an den Zügel klammerte. Mit einem Satz war er vom Pferde.

      »Bist du krank?«, fragte er beunruhigt und stützte ihn schnell.

      »Wir sind seit neun Tagen nicht aus dem Sattel gekommen«, murmelte der Markgraf und vermochte sich kaum auf den Beinen zu halten.

      »Lieber Himmel«, sagte Gahmuret erschrocken und warf einen Blick auf die andern, die mehr tot als lebendig an ihren Pferden lehnten.

      Er rief einen Burgknappen herbei. »Geh und sage der Königin, ich bitte sie um Gastfreundschaft für meine Mannen aus Anschouwe, die sehr müde von der Reise sind.«

      Der Knappe lief. Fürsorglich half Gahmuret dem alten Grafen auf sein Pferd und sie ritten die Gasse hinauf zur Burg. Dort nahmen sogleich Mägde und Badeknechte die Müden in Empfang und verschwanden mit ihnen.

      Gahmuret aber ging zur Königin. Er sah nicht höfisch aus mit seinem zerzausten feuchten Haar und er hatte keinen Hut mit Zobel und Schnallen, den er vom Kopfe nehmen konnte, und keinen samtenen Mantel, der über den Estrich schleifte, sondern nur einen zerbeulten Harnisch und ein trauriges, erschrockenes Herz.

      An der Tür zum Saal standen zwei Knappen und ließen ihn eintreten: Aber der Saal war leer. Da setzte sich Gahmuret auf eine Bank an der Wand, um zu warten. Er dachte an Galoës und daran, wie schnell der Tod über einen kommen konnte. Galoës war nicht viel älter gewesen als er. Nun war er nicht mehr da. Und eines Tages, früher oder später, würde


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