Parzival. Auguste Lechner

Parzival - Auguste Lechner


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Herrn verriete!

      Während er weiterging, drangen allerlei Geräusche an sein Ohr und bald merkte er mit Unbehagen, dass er sich nicht mehr weit vom Lager der Franken befinden musste.

      Da kam ihm ein einzelner Reiter entgegen. Zwar war er nach fränkischer Art gerüstet, aber als der Priester sein Gesicht sah, erkannte er, dass es ein Sarazene war. Da beschloss er, sein Glück zu versuchen. Denn, dachte er, sonst bleibt mir nichts anderes übrig, als mich selbst in die Höhle des Löwen zu begeben: Und danach gelüstet es mich nicht allzu sehr.

      So trat er, gemächlich und wie von ungefähr, aus dem Ufergebüsch, wie eben ein Landmann, der zur Arbeit geht. Der Sarazene zügelte sofort sein Ross, als er ihn erblickte, und seine Hand fuhr nach dem Schwert.

      »Lass es stecken, Freund, lass es stecken«, rief der Priester eifrig.

      »Du siehst, ich bin waffenlos und kein Krieger.«

      »Wer bist du?«, fragte der Sarazene barsch.

      »Nur ein niedriger Diener meines Herrn. Und du, ich sehe, du gehörst unserem Volke an, aber du dienst gewiss dem Frankenkönig, da du …«

      »Ich diene niemandem«, unterbrach ihn der Reiter zornig. »Ich kämpfe, wo es mir gefällt und wo es mir Gewinn einbringt. Was schert mich der Franke?«

      Dem Magier gefiel diese Rede über alle Maßen. »Oh«, sagte er langsam, »wenn du Freude am Golde hast – das ist hierzulande oft recht leicht zu verdienen. Hör zu! Ich will dir etwas erzählen.«

      Sie redeten lange und zuletzt zog der Babylonier das Fläschchen hervor, nahm eine Handvoll Gold aus dem Beutel und sagte: »Dies ist die erste Hälfte deines Lohnes. Ich werde hier auf dich warten, während du zum Lager zurückreitest und dein Werk vollbringst. Kehrst du mit der leeren Phiole zurück, so sollst du den Rest erhalten. Aber hüte dich: Dieses Wasser zerstört alles. Fällt nur ein Tropfen davon auf deine Haut, so bist du des Todes. Gehst du aber behutsam zu Werke, so wird niemandem etwas geschehen, der Adamas wird den Saft in sich hineinsaugen und über Nacht wird er sein wie ein nasser Schwamm.« Er hielt inne und sein Blick wurde starr. »Und morgen im Kampfe, wenn ihn Ipomidons Schwert trifft, wird der Saft herausspritzen und auch ihn vernichten«, murmelte er vor sich hin und sah so teuflisch aus, dass es dem Sarazenen graute.

      »So will ich zum Lager reiten«, sagte er hastig und hätte die unheimliche kleine Flasche gern weit von sich geworfen. Aber da war das Gold und lockte: Immer haben Menschen um Gold einander verraten.

      Niemand bemerkte ihn, als er ins Lager zurückkam, wo es wimmelte wie in einen Ameisenhaufen. Niemand achtete auf ihn, als er zu dem Zelt ging, in dem sich die Waffen des Königs befanden.

      Er sah Gahmurets Helm auf der Truhe liegen, der Adamas funkelte wie ein Stern. Schnell das Siegel herunter, den höllischen Saft über den Diamanten ausgegossen und fort, ehe einem das stinkende Zeug den Garaus machte!

      Es war ihm, als steige einen Augenblick lang ein leiser, singender Ton von dem Stein auf, dann war es vorüber, die Flasche war leer.

      Er blickte sich noch einmal um, ehe er aus dem Zelt schlüpfte: Da war das Funkeln des Diamanten erloschen. –

      Unterdessen hatte der Kalif durch den Wesir längst die Nachricht von Gahmurets Ankunft erhalten.

      Einmal gegen Mitternacht standen, wie aus dem Boden gewachsen, drei Männer mitten im Lager vor den verdutzten Wächtern beim Königszelt. Gott mochte wissen, wie sie hereingekommen waren. »Botschaft vom Kalifen«, sagten sie und verlangten, vor den König geführt zu werden.

      Eilig weckte Tampanis seinen Herrn, und als die drei nach einer Weile wieder lautlos in der Nacht verschwanden, hatten sie mit dem König verabredet, beim Morgengrauen Ipomidon von beiden Seiten zugleich anzugreifen: Die Krieger des Kalifen sollten aus allen Toren der Stadt hervorbrechen, während die Franken den Babyloniern in den Rücken fielen.

      Als die Sonne aufging, hatte die große Schlacht von Bagdad begonnen. Und als sie im Mittag stand, da war unversehens mitten in dem Getümmel an einer Stelle ein leerer Raum entstanden, ohne dass jemand recht wusste, wie es zuging.

      Dann ritt langsam Gahmuret vor die Reihen der Franken. Sein Pferd ging unruhig, mit spielenden Ohren. Über die blanke Schwertklinge zuckte das Sonnenlicht wie eine Flamme. Nur der Adamas funkelte nicht wie sonst: Aber vielleicht war er von Blut und Staub blind geworden.

      Gahmuret hörte Ipomidons Kampfruf im gleichen Augenblick, als drüben der schwarze Hengst mit einem einzigen tollen Sprung in den leeren Raum hereinschnellte. Der Babylonier trug einen goldenen Brustharnisch, seine nackten braunen Arme glänzten und sein langes schwarzes Haar wehte hinter ihm her.

      Als Gahmuret sein Ross spornte, hob der Babylonier den Arm mit der Lanze: Die Krieger sangen an den Lagerfeuern über diese Lanze, die nie ihr Ziel verfehlte.

      Der Adamas aber war weich wie ein Schwamm. Als die Spitze durch ihn hindurchfuhr, da sprühte es wie ein feiner Regen über Ipomidons Haupt und Arme. Und während Tampanis heranjagte und seinen Herrn auffing, krümmte sich der Babylonier im Sattel vor jähem Schmerz zusammen: Wie Feuer fraß es sich durch seine Haut. Weder der Kapellan noch Tampanis hätten später sagen können, wie es ihnen gelang, mit dem sterbenden König vom Schlachtfelde fortzukommen. Aber sie fanden sich schließlich irgendwo am Rande eines kleinen Gehölzes, da legten sie Gahmuret ins Gras.

      Sie hatten die Lanze aus der Wunde gezogen und den Helm abgebunden. Keiner achtete darauf, dass der Adamas rissig und wie eingeschrumpft im Knauf hing. Ja, nun war alles unwichtig geworden.

      »Herr«, sagte Tampanis und bückte sich über das Gesicht mit den geschlossenen Augen, »Herr, ich bitte dich!« Er wusste nicht, worum er bat: Nur das durfte nicht sein, dass sein Herr so dalag und ihn nicht sah und nicht hörte.

      Da schlug Gahmuret die Augen auf, ganz helle, fast durchsichtige Augen. Sie blickten Tampanis an und dann den Kapellan: Noch einmal waren sie von weither zurückgekommen, vom Rande des großen Dunkels. Aber es war nur noch für eine kurze Zeit.

      Und als der Kapellan neben seinem Herrn niederkniete, wusste er, dass er um dieser kurzen Zeitspanne willen viele Jahre lang mit Gahmuret Anschewin in der Fremde umhergefahren war.

      Tampanis stand auf und ging ein paar Schritte fort, da lag ein modernder Stamm, darauf setzte er sich nieder. Es half nichts, dass er immer wieder die Fäuste in die Augen drückte, weil es sich für den grauhaarigen Knappen Tampanis nicht geziemte, dass er weinte.

      Als König Gahmuret von Anschouwe, Waleis und Norgals starb, war niemand bei ihm als Tampanis und der Kapellan: Denn die Schlacht von Bagdad dauerte immer noch fort. Als sie dann zu Ende war und der Kalif gesiegt hatte, da waren von den Franken nur mehr wenige übrig. Und bis sie sich durch den brodelnden Hexenkessel der aufgestörten Völkerschaften endlich zur Küste durchgeschlagen und ein Schiff gefunden hatten, fuhren längst die Herbststürme über das Mittelmeer.

      In der Burg zu Anschouwe ging zu dieser Zeit die junge Königin Herzeloide immer müder und schwerer über Treppen und Gänge. Sie gab sich alle Mühe, nicht traurig zu sein, denn ihre alte Amme hatte ihr gesagt: »Wenn du traurig bist, wird dein Kind krank und schwach zur Welt kommen und ein hartes Leben haben; und das willst du doch nicht.« Nein, das wollte sie gewiss nicht: Gahmurets Sohn sollte stark und schön und glücklich sein. Aber wo war Gahmuret?

      Manchmal kam es ganz plötzlich über sie, dass sie zusammenschrak und deutlich fühlte, er sei nicht mehr am Leben. Sie wehrte sich mit aller Kraft dagegen, aber es half wenig: Immer stand es wie ein dunkler Schatten hinter ihr.

      Eines Nachts fuhr sie aus dem Schlafe auf. Sie hatte geträumt, irgendetwas Schreckliches wäre geschehen, aber was denn nur? Ihr Herz schlug wild. Nein, das war nicht ihr Herz, das waren ferne dumpfe Hufschläge, irgendwo gingen Pferde in der Nacht, müde Pferde.

      Ja, nun könnte sie wohl wieder schlafen. Aber sie stand auf, legte ihr Gewand an und flocht ihr Haar, als hätte ihr jemand befohlen, sich bereit zu machen.

      Als es drunten ans Tor pochte, ging sie hinüber in die Stube mit dem Erker, in dem sie sonst zu sitzen pflegte. Da setzte sie sich hin und wartete. Sie


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