Parzival. Auguste Lechner

Parzival - Auguste Lechner


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schaute über sie fort, als wenn sie gar nicht da wäre, hinab zu den Männern, die in goldenem Harnisch auf ihren Pferden saßen, dunkle, bärtige Gesichter unter seltsam geformten Helmen, wie sie kein Ritter im Abendland je getragen hatte, krumme Schwerter in edelsteinblitzenden Scheiden, Purpurdecken und kostbare Felle unter dem Sattel, und wenn die Pferde die Köpfe aufwarfen, klingelten die goldenen Glöcklein am Zaumzeug.

      Die Königin fasste Gahmurets Arm. »Was hast du, mein Gemahl?

      Was ist mit diesen Männern?«

      Er schien sie nicht zu hören: »Warum können sie mich nicht in Frieden lassen!«, murmelte er zornig. Dann hob er die Hand und winkte den Torwächtern. Drunten legte der vorderste unter den Männern die Hand auf die Brust und neigte sich dreimal bis auf den Hals des Pferdes, das Tor ging auf und die Fremden ritten in die Burg. Das Verhängnis nahm seinen Anfang.

      Gahmuret wandte sich nach dem Saale zurück, er sah bleich und bekümmert aus. »Komm, wir müssen sie empfangen«, sagte er.

      Sie rührte sich nicht. Sie starrte ihn nur an und ihre Augen waren fast schwarz vor Angst.

      »Wer sind sie?«

      »Der Wesir des Kalifen und sein Gefolge«, antwortete er rau abgewandten Gesichtes.

      Da sank ihre Hand herab, eine arme, hoffnungslose Hand, die sich so gerne irgendwo festgehalten hätte; aber es gab nichts mehr, keinen Halt und keine Sicherheit, fühlte sie. Es war, als glitte Gahmuret langsam von ihr fort und sie vermöchte ihn nicht mehr zu erreichen. »Nein!«, flüsterte sie verzweifelt. »Nein, das darf nicht sein! Schicke sie fort, mein lieber Herr, und höre sie nicht an!«

      Aber sie wusste, dass man die Gesandten des großen Kalifen zu Bagdad nicht einfach fortschicken konnte. Und sie wusste auch, dass sie über die Dinge, die jetzt geschehen würden, keine Macht mehr hatte.

      Sie saß in ihrem Thronsessel und sah die Fremden hereinkommen wie Gestalten in einem bösen Traum. Sie hörte ihren Gemahl höfische Worte sprechen und den dunklen Wesir antworten: Er redete lange und es klang, als habe er einen endlosen Gesang eingelernt, der König Gahmuret Anschewin, den berühmtesten Helden des Abendlandes, pries.

      »Ich danke dir, Wesir«, sagte Gahmuret, als er zu Ende war. Seine Hand umklammerte die Armlehne, dass die Knöchel weiß vorsprangen. »Und – was für eine Botschaft sendet mir der Kalif?« Er hatte nur ganz kurz gezögert und dann klang seine Stimme fast ruhig.

      »Es ist keine gute Botschaft, Herr«, begann der Wesir vorsichtig und ließ seine Augen zu schwarzen Löchern erlöschen: Denn Augen verrieten allzu leicht etwas. »Der großmächtige Beherrscher der Gläubigen lässt dir sagen: Ipomidon von Babylon hat viele von den unterworfenen Fürsten und Stammeshäuptlingen für sich gewonnen. In den Reichen des erhabenen Kalifen hat sich allenthalben Aufruhr erhoben. Ipomidon ist mit einem großen Heere von Ägypten aufgebrochen, um Bagdad zu erobern. Unsere Krieger müssen an vielen Orten zugleich kämpfen und das mindert ihre Stärke. Darum ist der Kalif in großer Sorge. Er ließ mich zu sich kommen und befahl mir: ›Reite nach Haleb, nimm den schnellsten Segler, den du findest, und fahre zu den Franken. Suche König Gahmuret von Anschouwe und frage ihn, ob er noch unserer Freundschaft gedenkt. Er wird mich nicht im Stiche lassen.‹ Dies ist meine Botschaft, König Gahmuret.«

      Es dauerte lange, bis Gahmuret antwortete. Endlich hob er den Kopf. »Der Kalif weiß, dass ich immer sein Freund bleiben werde«, sagte er fast barsch. »Aber es hat sich vieles geändert, seit ich für ihn kämpfte. Ich habe drei Königreiche zu verwalten und kann darum nicht mehr für viele Monde fortreiten, wie ehemals, als ich frei war. Sage … sage deinem Herrn, dass es mir leidtut«, schloss er schnell, als könnte es ihn sonst reuen.

      Das Gesicht des Wesirs blieb unbewegt. Er spielte sein Spiel weiter, klug und kalt, das uralte Spiel, das seinesgleichen immer gespielt haben, seit es Reiche und Völker auf Erden gibt.

      »Das ist sehr schade.« Es klang beinahe gleichgültig, nur ein wenig bedauernd. »Der erhabene Kalif wird enttäuscht sein. Und Ipomidon – nun, er wird lachen und sagen, er habe also recht.«

      Gahmuret runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?«

      »Oh, nur – Ipomidon erzählt jedem, der es hören will, du wärest damals aus Angst vor seiner Rache aus dem Morgenlande geflohen!«

      Jetzt fuhr Gahmuret auf. »Was sagst du da? Dieser elende Lügner! Noch niemand hat mich ungestraft einen Feigling genannt! Das soll er mir büßen!« Er brach plötzlich ab und starrte vor sich nieder.

      »Zwar – was kümmert’s mich? Mag er doch reden! Jeder Fürst und jeder Häuptling im Reiche des Kalifen kennt mich: Keiner wird ihm glauben!«

      »Du irrst dich!«, sprach der Wesir kühl. Niemand hätte gemerkt, dass er sehr zornig war, weil ihm dieser Christenkönig zu entgleiten drohte. »Vergiss nicht, dass du ein Fremder für sie bist und ein verhasster Christ. Du hast viele von ihnen besiegt und das können sie nicht vergessen: Denn sie sind sehr stolz. So glauben sie es nur allzu gerne, wenn Böses über dich geredet wird.«

      Er hob gleichgültig die Schultern und trat zurück zu den andern, als habe er plötzlich alles satt. »Ich sehe, König Gahmuret, dass ich dich nicht für uns zu gewinnen vermag«, sagte er. »Das ist schlimm für meinen Herrn. Und – es ist noch viel schlimmer für die Christen, die Ipomidon in die Hände fallen«, fügte er bedauernden Tones hinzu: Er wusste, dies war seine letzte Waffe.

      Irgendetwas an dieser Rede gefiel Gahmuret nicht. Aber während er noch darüber nachgrübelte, fuhr der Wesir bedächtig fort: »Ipomidon ist sehr grausam. Und er hat geschworen, da er sich an dir nicht rächen kann, soll seine Rache alle Christen treffen, die er in seine Gewalt bekommt. Ihnen kann nun niemand mehr helfen. Erlaube uns jetzt zu gehen, Herr, wir wollen wieder zu Schiffe, denn der erhabene Kalif bedarf unserer Dienste.«

      Aber da hob Gahmuret die Hand. »Warte noch!« In seiner Stimme lag eine tödliche Hoffnungslosigkeit.

      Langsam richtete sich der Wesir aus seiner tiefen Verbeugung auf. In den schwarzen Augen glühte ein Funke.

      »Was befiehlst du, Herr?«

      »Erzähle mir, was drüben in euren Ländern geschieht. Es darf nicht sein, dass Christen meinetwegen leiden müssen.«

      Ja, nun hatte der Wesir sein Spiel gewonnen. –

      Fünfzehn Tage später ritt Gahmuret von Anschouwe fort aus der Burg mit den Gesandten des Kalifen, mit vielen Hundert Rittern und Knechten und all dem Volk, das stets wie aus Mäuselöchern auftauchte, wenn ein großer Herr auf Abenteuer auszog.

      Die Königin gab ihrem Gemahl das Geleit bis vor die Stadt. Beim Abschied sagte sie: »Einmal, zu Konvoleis, da fragte ich dich, ob du wieder zu mir zurückkehren würdest, wenn du in die Fremde fährst. Und du gabst mir zur Antwort …«

      »Immer, solange ich lebe«, murmelte Gahmuret und legte einen Augenblick sein Gesicht in ihre Hände. Es war ihm schwer ums Herz wie noch nie.

      »Solange du lebst«, wiederholte sie. Dann wandte sie langsam ihr Pferd zur Stadt zurück. Sie blickte sich nicht mehr um, nein, das vermochte sie nicht.

      Kaum war die Königin fort, da drängte der Wesir sein Pferd neben Gahmuret. Er atmete heimlich auf, denn wenig hatte gefehlt, so wäre der König um dieser helläugigen, goldhaarigen Frau willen daheimgeblieben, das hatte er wohl gemerkt.

      »König Gahmuret«, begann er vorsichtig, denn das Gesicht des Königs lud nicht eben zum Reden ein, »ich habe im Hafen von Haleb eine Kogge gefunden, sie war ganz neu und der Schiffer schwor, sie sei der schnellste Segler des Mittelmeeres. Als er erfuhr, wohin er uns bringen sollte, starrte er mich zuerst an wie ein Narr, dann riss er sich die Kappe vom Kopfe, warf sie in die Luft und schrie dazu wie ein Besessener: Er habe es immer gewusst, dass eines Tages sein Herr, der König von Anschouwe, wieder mit ihm fahren werde. Ich sagte ihm, das sei noch lange nicht gewiss. Aber er bestand darauf, in einem der spanischen Häfen an der Südküste haltzumachen und das zweite Schiff, das er besaß, mitzunehmen. Ich ließ ihn zuletzt gewähren: Denn er behauptete eigensinnig, wir würden es brauchen. Nun


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