Parzival. Auguste Lechner

Parzival - Auguste Lechner


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Aber es war ein wildes, schreckliches Lachen und Tampanis überlief es kalt, als er es hörte.

      »So ist es recht!«, schrie der König. »Der alte Spitzbube ist also auch wieder da! Wahrhaftig, der Teufel hat alles aufs Beste für mich geordnet. Nun kann der Tanz losgehen und der Kalif mag sich freuen, wenn Ipomidon zur Hölle fährt! Komm, Wesir, wir wollen sehen, wie schnell uns diese neue Kogge dem Tod in den Rachen führt!«

      Dem Kapellan tat das Herz weh bei dieser Rede: Ja, nun war es wohl wieder so schlimm um seinen armen Herrn bestellt wie eh und je. Aber da war doch etwas und darum gab der Kapellan die Hoffnung nicht auf. »Herre Gott«, sagte er eindringlich, »gedenke, er fährt zu den Heiden, damit nicht andere seinetwegen leiden müssen. Freilich ist es nicht das allein, sondern auch sein wildes Blut, das ihn forttreibt, du weißt es wohl und ich weiß es auch«, fügte er demütig und ehrlich hinzu.

      Der Kapellan fühlte sich krank und müde und sehnte sich nach Ruhe. Aber er konnte nicht daheimbleiben; dieses eine Mal noch musste er mit seinem Herrn gehen. –

      Abermals hatte die Fremde Gahmuret Anschewin verschlungen und keine Kunde kam in die Hauptstadt von ihm und von allem, was drüben im Morgenlande geschah.

      Ipomidon erhielt die Nachricht von Gahmurets Ankunft, als die Franken auf dem Wege von Haleb landeinwärts waren.

      Zu dieser Zeit hielt der Babylonier Bagdad bereits von drei Seiten eingeschlossen: Nur das Tor und die Straßen gegen Westen waren noch frei und die Krieger des Kalifen verteidigten diesen letzten Zugang mit verbissenem Mut. Die gewaltigen Mauern und Türme der Stadt aber schienen unzerstörbar, und wenn Ipomidon angriff, regnete es griechisches Feuer, hagelte es Pfeile und Steine und der Babylonier musste sich zähneknirschend wieder zurückziehen.

      So ging es seit vielen Tagen. Nachts, zu irgendeiner Stunde, öffneten sich plötzlich die Tore, wie ein Heer von heulenden Gespenstern fielen die Belagerten über die Feinde her, warfen Feuer in die Zelte, erschlugen viele und verschwanden wieder, ehe man sie in die Stadt zu verfolgen vermochte.

      Nein, es stand zu dieser Zeit weder für den Kalifen noch für Ipomidon sonderlich gut.

      Eines Abends aber trat ein Magier in das Purpurzelt des Babyloniers. »Der Franke ist nach Haleb gekommen mit zwei Schiffen und vielen Kriegern«, meldete er.

      Ohne Eile richtete sich Ipomidon von seinem Lager auf. Das gelbe Licht der Öllampe zuckte über sein dunkles Gesicht. »Endlich«, sagte er langsam. »Woher weißt du es?«

      Der Priester versuchte, hochmütig dreinzublicken. »Die Götter haben es mir mitgeteilt.«

      Ipomidon zog die Brauen hoch. Er schob die Hände in den seidenen Gürtel und kam gemächlich auf den Magier zu. »So. Die Götter«, sagte er hohnvoll. »Mich wundert nur, dass die Götter es nicht mir selbst mitgeteilt haben. Weißt du noch, wie du mir aus den Schrifttafeln gelesen und bewiesen hast, dass ich ein Abkömmling der Götter bin, he, du elender Betrüger? Aber beunruhige dich nicht: Es kümmert mich wenig, wie du es erfahren hast. Ich will nur wissen, was du jetzt zu tun gedenkst. Du weißt, dass der Franke sterben muss.«

      »Du sagst es.« Das Gesicht des Priesters war steinern, die Hände in den weiten Ärmeln seines Gewandes verborgen; aber sie waren zu Fäusten geballt. Der Priester hasste Ipomidon, der ihn durchschaut hatte. »Ich habe längst alles bedacht und vorbereitet. Es gibt nur ein Mittel, dem Franken beizukommen, denn im Zweikampf wirst du ihn nie besiegen. Du weißt, dass er im Helmknauf den Adamas eingeschmiedet trägt, den großen Diamanten, den kein Schwert durchhauen und kein Speer durchstoßen kann. Seine Rüstung aber haben die Schmiede zu Toledo verfertigt und es gibt keine Waffe gegen diese Ringe. Jetzt aber gib acht, großmächtiger Beherrscher von Babylon und Ninive: Ich habe von den Dämonen, die mir dienen, ein versiegeltes Fläschchen erhalten …« Er stockte und schielte zu Ipomidon hinauf, der dicht vor ihm stand und ihn mit kaltem Spott betrachtete.

      »Du Narr!«, zischte er. »Kannst du dein Prahlen nicht lassen? Kein Dämon ist so dumm, dir zu dienen! Was hast du zusammengebraut?«

      Der Magier duckte sich. »Ich habe einen Saft gefunden, der Diamanten erweicht«, sagte er widerwillig. »Frage mich nicht, was er enthält: Ich weiß es selbst nicht, denn ich habe ihn nur durch einen Zufall entdeckt. Aber er hat eine furchtbare Kraft in sich. Nur etwas fehlt mir noch: Ich brauche das frische Blut eines schwarzen Böckleins, das muss dem Saft beigemischt werden, ehe man den Diamanten damit übergießt.«

      Ipomidons Augen bohrten sich misstrauisch in das Gesicht des Priesters. »Ich weiß zwar nicht, was du damit willst«, knurrte er, »aber du sollst deinen Bock haben. Und wie willst du den Adamas in die Hand bekommen?«

      »Das ist sehr einfach«, erklärte jetzt der Priester eifrig. »Im Heere des Franken gibt es allerhand liederliche Gesellen, die ihm nachlaufen, weil er reich und freigebig ist. Ihre Liebe zu ihm ist aber gewiss nicht so groß, dass man sie nicht für einen Beutel Goldes kaufen könnte.« Er kicherte. »Es ist ja auch nur ein ganz kleiner Dienst, so ein Fläschchen Wasser über einen Stein zu schütten.«

      »Gut, du sollst auch das Gold haben«, sagte Ipomidon nachgiebig.

      »Ich bin sicher, dass du mich nicht hintergehen wirst: Denn dann würden dir alle deine Dämonen und Zauberkünste nichts helfen. Und stirbt der Franke nicht, so stirbst du. Hast du das alles verstanden?«

      Der Magier verneigte sich unterwürfig. »Ja, Herr. Ich schwöre dir, der Adamas wird weich sein wie ein Schwamm. Du brauchst, wenn es dann zum Kampfe kommt, nur deinen nie fehlenden Speer nach ihm zu schleudern und es ist aus mit dem Franken. Dein eigenes Leben aber kommt dabei gar nicht in Gefahr und du wirst den Ruhm genießen, den größten Helden des Abendlandes getötet zu haben.«

      »Es wird sehr gut für dich sein, wenn dies alles zutrifft«, sagte Ipomidon kühl.

      So wurde in dieser Nacht Gahmurets Tod beschlossen. Aber Ipomidon ahnte nicht, dass zur selben Stunde auch sein eigener Tod schon beschlossen war.

      Sieben Tage später erfuhr der Babylonier durch seine Kundschafter, dass die Franken ein paar Meilen westwärts in der Niederung zwischen den Strömen ihr Zeltlager errichtet hatten und dass ihre Späher überall umherschwärmten.

      Nicht lange danach trat frühmorgens ein Knecht in das Zelt des Magiers. Er trug ein totes Böcklein mit schwarzem Fell. »Der Herr befahl mir, es zu schlachten und sogleich zu dir zu bringen«, sagte er ehrerbietig.

      Der Priester sah das frische helle Blut aus der Wunde am Hals des Tieres fließen, nahm eine Schale und fing ein wenig davon auf. Dann schickte er den Knecht fort, und als er allein war, hob er in einem Winkel des Zeltes ein paar Steine vom Boden. Darunter war eine kleine Höhlung, in der eine versiegelte Phiole lag. Behutsam nahm er sie heraus und löste das Siegel: Sogleich verbreitete sich ein scharfer Geruch im Zelt, der ihm fast den Atem nahm. Sein Herz begann wild zu schlagen und der Schweiß trat ihm auf die Stirn. Hastig goss er das Blut des Bockes in das Fläschchen und alsbald nahm die wasserhelle Flüssigkeit eine schmutzig rote Farbe an. Als er merkte, wie seine Hände zitterten, stellte er die Phiole schnell auf den steinernen Altar, auf dem feist und wild der Gott Baal hockte.

      »Nur ein Tröpflein auf die Haut und man stirbt eines grässlichen Todes«, murmelte er. Er wagte, das Siegel erst wieder aufzudrücken, als seine Hand ruhiger geworden war. Dann legte er die Priestergewänder ab, zog den Kittel eines Landmannes an, steckte die Phiole und den ledernen Beutel zu sich, den er von Ipomidon erhalten hatte, und verließ das Zelt.

      Er vermied die Straße und wanderte am Ufer eines trägen, kleinen Wassers entlang, wo ihn die tief herabhängenden Zweige und die wuchernden Pflanzen verbargen. Nach einer Weile sah er, ziemlich weit entfernt jenseits der Straße, zwei Reiter auftauchen. Sie trugen das Stahlgewand der Franken und ihre Gesichter waren hell. Nein, diese beiden würden ihm zu nichts nütze sein! Er drückte sich ins Gesträuch, bis sie vorüber waren.

      Als er sich just ein wenig näher an die Straße schleichen wollte, hörte er abermals Hufschlag. Eilig kroch er hinter einen riesigen Baum. Gleich darauf jagte ein halbes Dutzend Reiter heran, gänzlich unbekümmert, als gäbe es weitum keinen Feind: Ein Ritter mit gewaltigem feuerrotem Bart und ein paar von diesen fränkischen


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