Parzival. Auguste Lechner

Parzival - Auguste Lechner


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nicht eine schwache Frau, ringsum von Feinden bedroht?«

      Sie sah ihn nachdenklich an. »Vielleicht hast du recht und dieser Franke könnte unsere Rettung sein. Was rätst du mir also?«

      »Ich rate dir, ihn nicht länger da drunten warten zu lassen!«, antwortete er. »Ich werde hinabgehen und ihn samt seinem Gefolge von Milchgesichtern und dem Pfaffen in die Burg geleiten. Was du ihm dann erzählen sollst, brauche ich dir ja nicht zu sagen!«

      So kam es, dass drunten alsbald das Tor aufflog und der Bucklige mit großer Beflissenheit dem vornehmen Gast entgegentrat.

      Zwar missfiel Gahmuret der Bursche und seine schmeichlerische Art; aber er war gewiss ein großer Herr am Hofe dieser märchenhaft schönen Königin …

      »Ich bin Lachfilirost Schachtelakunt, der Marschalk der Königin«, sagte der Sarazene auch sogleich.

      Gahmuret seufzte erschrocken. »Lach… wie hast du gesagt, edler Marschalk?«

      Aber eine kleine Weile darauf hatte er den Namen und den Marschalk und alles Übrige auf der Welt vergessen.

      Er saß droben in diesem verzauberten Saal auf seidenen Kissen und neben ihm saß die Königin. Er horchte auf ihre singende Stimme und sah ihre schönen, ein wenig traurigen Augen und es war Herrn Gahmuret so seltsam zumute wie noch nie in seinem jungen Leben.

      »Ich hatte Angst, als ich am Morgen dein Schiff draußen in den Klippen liegen sah«, sprach die Königin und lächelte mit traurigen Augen. »Ich dachte, nun kämen meine Feinde auch noch über das Meer, um mich zu bedrängen: Denn Gäste sind schon lange nicht mehr in dieser Burg eingekehrt. Alle meiden und verfolgen mich.

      Sie – sie sagen, ich sei schuld an Herrn Isenharts Tod!«, fügte sie hinzu, während die schwarzen Samtaugen flink hinter den langen Wimpern verschwanden.

      Gahmuret horchte auf. Herr Isenhart? Er hatte einmal eine Geschichte gehört von diesem Ritter Isenhart und einer Sarazenenfürstin …

      Aber sie fuhr schon fort: »Sie tun mir unrecht! Ich habe seinen Tod nicht gewollt. Er kam vom Norden herab und sagte, er liebe mich sehr und begehre mich zur Gemahlin. Aber wie sollte ich wissen, ob er mich wirklich so sehr liebte? Da bestand er viele Kämpfe für mich, um es mir zu beweisen! Er siegte immer. Ich sagte ihm, das käme nur daher, weil sein Schwert und seine Rüstung so gut seien. Er ging traurig und zornig fort. Am nächsten Morgen ritt er ohne Harnisch und mit einem ganz gewöhnlichen Schwert gegen den berühmtesten Krieger meines Volkes zum Zweikampf. So starb er. Sage mir, Herr Gahmuret, es ist doch nicht wahr, dass ich ihn in den Tod gejagt habe?«

      Nein, niemand konnte trauriger und unschuldiger aussehen als Belakane und so sagte denn auch der junge Held Gahmuret mit tröstlichen Worten, Herr Isenhart sei wahrhaftig völlig närrisch gewesen, ohne Harnisch zum Zweikampf anzutreten, und niemand dürfe darum die Königin anklagen.

      Ein sonderbarer Ausdruck glitt über ihr Gesicht, fast wie Spott.

      Aber er merkte es nicht: Denn sie hatte seine Hand ergriffen und zog ihn mit sich auf den Söller hinaus.

      »Schau hinunter!«, sagte sie. »Isenharts ganze Sippe ist gekommen, um mich anzuklagen und zu bestrafen. Sie wollen mich zwingen, das Land zu verlassen. Sie fordern meine besten Krieger zum Kampf. Die Burg ist schon voll von Verwundeten und viele sind getötet worden.«

      Gahmuret starrte auf das Heerlager hinab. »Mir scheint, die ganze abendländische Ritterschaft ist hier versammelt«, murmelte er verdutzt, als er die vielen wohlbekannten Wappen über den Zelten gewahrte.

      Einen Augenblick wurde ihm doch recht unsicher zumute und etwas wie Misstrauen beschlich ihn. Er warf einen schnellen Blick in das Gesicht der Königin. Aber ach – sie war so schön und Herr Gahmuret war so jung –, wie konnte es da gut für ihn ausgehen?

      Und als sie jetzt mit ihrer traurigen Stimme sagte: »Bald werde ich niemanden mehr haben, der für mich kämpft« – da rief er: »So will ich für dich kämpfen, Herrin!«

      Und weil er das nun einmal versprochen hatte, musste sein Schicksal weiter seinen Lauf nehmen.

      »Ich danke dir!«, sagte sie und sah ihn aus glänzenden Augen an.

      Und plötzlich fügte sie hinzu: »Ich habe einen Eid geschworen, den Ritter, der mich von meinen Feinden befreit, zum Gemahl zu nehmen!«

      Belakane log: Denn sie hatte es erst in diesem Augenblick beschlossen, weil ihr der junge tapfere Frankenritter gefiel. Gahmuret aber meinte, ein größeres Glück könnte es für ihn nicht geben!

      Spät am Abend, als die Königin mit den Mägden nach ihren Gemächern gegangen war, brachte der Marschalk die Knappen in einen weit entfernten Saal in einen anderen Teil der Burg. Den Kapellan aber führte er über viele Treppen und Gänge in eine Turmkammer und empfahl sich mit tiefen Bücklingen. Und der arme Kapellan fragte sich bedrückt, wie er in dieser riesigen Burg seinen Herrn wiederfinden sollte, wenn er ihn etwa brauchte.

      Gahmuret aber war unterdessen schon mit dem Buckligen fortgegangen.

      »Dich selbst bitte ich mit meinem ärmlichen Hause vorliebzunehmen«, sagte Lachfilirost Schachtelakunt: Er wollte den kostbaren Gast nicht mehr aus den Augen lassen, ehe er sein Ziel erreicht hatte.

      Das ärmliche Haus war in Wirklichkeit freilich ein herrlicher Palast und das Schlafgemach, in das der Marschalk ihn führte, war mit aller Pracht des Morgenlandes ausgestattet.

      Aber Gahmuret lag auf dem Ruhebett aus seidenen Teppichen und weichen Polstern und fand keinen Schlaf. Er dachte an die Königin und an die Kämpfe, die ihm morgen bevorstanden.

      Endlich erhob er sich wieder, sah nach den Sternen und merkte, dass es schon drei oder vier Stunden nach Mitternacht sein musste. Und weil er doch keine Ruhe finden konnte, meinte er, er könnte ebenso gleich zum Schiff reiten, um die Rüstung anzulegen und seine Waffen zu holen, damit er, wenn es hell wurde, schon zum Kampf bereit war.

      Denn Belakane hatte ihm gesagt: »Jeden Morgen kommen einige von ihnen vor das Burgtor geritten. Sie tragen eine Fahne, darauf ist das Bild eines Ritters mit einem Speer in der Brust. So mahnen sie mich Tag für Tag an Isenharts Tod und warten, ob einer meiner Krieger für mich kämpfen will!«

      Herr Gahmuret war sehr zornig über die Männer, die eine wehrlose Frau so sehr quälten. Nun, morgen würde es ein Ende haben, dachte er, während er leise das Schlafgemach verließ. Er ging hinab zu den Ställen, weckte einen Knecht, der im Stroh schlief, befahl ihm, seinen Hengst zu satteln, und ritt gleich darauf zum Tore hinaus.

      Als er zum Strand kam, saß der Schiffer droben auf dem Mast und hielt Ausschau. Jetzt fuhr er flink herunter und rannte über die Brücke ans Land.

      »Gottlob, dass du da bist, Herr!«, schrie er. »Ich habe vor lauter Angst die ganze Nacht kein Auge zugetan: Ich fürchtete schon, die Heiden hätten euch allen den Garaus gemacht! Bedenke, Herr, was hätte ich dann mit deinen Schätzen anfangen sollen!«

      Gahmuret lachte. »Du hättest mich beerben können, alter Spitzbube, dann wärest du deiner Lebtage ein reicher Mann! Aber jetzt hilf mir, meine Rüstung anzulegen, ich muss sogleich wieder fort!«

      »Fort? Wohin willst du denn so allein? Das ziemt sich doch nicht für einen vornehmen Herrn wie dich!«

      Gahmuret lief schon über die Brücke. »Mach dir keine Sorgen: Ich kehre zurück in die Burg, weil ich versprochen habe, für die Königin zu kämpfen.«

      »Was?«, schrie der Schiffer und packte vor lauter Entsetzen den Ritter, der doch gewiss den Verstand verloren haben musste, am Mantel. »Was hast du gesagt, Herr? Du willst kämpfen für die – für die Sarazenin?«, fragte er ganz schwach.

      »Nun ja, was geht es dich an? Lass mich lieber los!« Gahmurets Stimme klang unmutig.

      Von da an redete der Schiffer nichts mehr. Stumm half er Gahmuret, die Rüstung anzulegen. Er trottete hinter ihm aufs Deck und über die Brücke und hielt den Hengst am Zügel.

      »Herr«, sagte er, ohne Gahmuret anzusehen, »es ist schade um dich und du hast mich


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