Stille Wasser sind auch nass. Mila Roth

Stille Wasser sind auch nass - Mila Roth


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dafür etwa auch ein neues Auto?« Der Sarkasmus troff geradezu aus seinen Worten.

      Prompt wurde Walter wieder ernst. »Wohl eher nicht. Hören Sie, Markus, ich weiß, wie schwierig die Situation gewesen ist. Auch ich bin nicht damit einverstanden, wie Dr. Schwartz diese Angelegenheit angegangen ist ...«

      »Das weiß ich, Walter. Ihnen mache ich keinen Vorwurf.« Unwirsch fuhr Markus sich mit den Fingern durch sein dichtes, dunkelbraunes Haar. »Dann werde ich wohl mal eine kleine Probefahrt mit der Kiste machen.«

      Walter hüstelte. »Daraus wird leider vorerst nichts. Melanie musste vorhin wegen einer familiären Angelegenheit frühzeitig Feierabend machen.«

      »Was habe ich damit zu tun?«

      »Sie müssen sie vertreten.«

      Markus runzelte die Stirn. »Sie sagen das so komisch. Bei was vertreten?«

      Walter schmunzelte. »Keine Sorge, es handelt sich nicht um langweilige Schreibtischarbeit.«

      ***

      Bonn, Kaiserstraße

      Institut für Europäische Meinungsforschung

      Sporthalle

      Donnerstag, 16. August, 15:00 Uhr

      Mit Schwung legte Janna ihre handliche blaue Sporttasche neben dem Eingang zur institutseigenen Sporthalle ab und sah sich um. Sie staunte noch immer, dass es diesen zwölf Meter langen und neun Meter breiten Raum tatsächlich gab. Er lag unterirdisch, wie der größte Bereich des Geheimdienstes, der nach außen hin als Meinungsforschungseinrichtung getarnt war.

      Links von der doppelflügligen Tür befanden sich mehrere Fitnessgeräte wie Ergometer-Fahrrad, Crosstrainer, Laufband, Rudergerät und zwei Hantelbänke sowie eine gut ausgestattete Multifunktions-Fitness- und Kraftstation. Dadurch wirkte der Raum, der von mehreren Tageslichtlampen erhellt wurde, fast wie ein modernes Fitnessstudio. Es gab aber auch eine Fläche für freie Bewegung. Basketballkörbe sowie ein aufspannbares, derzeit aber ordentlich aufgerolltes und an der Wand befestigtes Volleyballnetz verrieten, dass hier auch Teamsportarten trainiert wurden. Die Agenten hielten sich sportlich fit, auch während der Arbeitszeit. Rechter Hand gab es einen Geräteraum, dessen Tür halb offen stand. Dort befanden sich alle möglichen Matten, Bälle und sonstige Sportutensilien, die Janna an den Sportunterricht in der Schule erinnerten.

      Sie trug bereits ihre Sportsachen, sodass sie nicht den Gemeinschaftsumkleideraum benutzen musste. In der oberirdischen Etage, in der sich seit Kurzem ihr neuer Arbeitsplatz befand, gab es einen eigenen Duschraum samt Umkleidezimmer, was sie als extrem komfortabel empfand.

      Weniger als zwei Wochen war es her, dass sie ihre Stelle als Markus’ Partnerin offiziell angetreten hatte. Nachdem es durch seinen Undercover-Einsatz, bei dem das Institut seinen Tod vorgetäuscht hatte, zunächst für sie den Anschein gehabt hatte, als ob sie diesen Job niemals würde antreten können, war jetzt doch alles ausgesprochen schnell gegangen. Die letzten Tage hatte sie hauptsächlich dazu genutzt, sich in dem neuen Büroraum einzurichten und sich mit dem Computer sowie den Abläufen im Institut vertraut zu machen. Nachmittags und manchmal auch abends besuchte sie verschiedene Kurse, die ihr die Theorie und Praxis der Geheimdienstarbeit näherbrachten. Die übrigen Kursteilnehmer waren deutlich jünger als sie, hatten entweder gerade ihr Studium beendet oder machten eine Ausbildung in den institutseigenen Abteilungen.

      Zur Praxisschulung gehörte auch ein Selbstverteidigungskurs, der später, je nach Bedarf, durch Trainings im Nahkampf und in verschiedenen Kampfsportarten ergänzt werden konnte. Janna glaubt jedoch nicht, dass Walter Bernstein vorhatte, sie derart intensiv ausbilden zu lassen. Über die Auffrischung ihres schon viele Jahre zurückliegenden Kurses in Selbstverteidigung war sie jedoch sehr froh. Immerhin ging es darum, sich nicht nur allgemein gegen Übergriffe behaupten zu können, sondern auch in lebensbedrohlichen Situationen, wie sie die Zusammenarbeit mit einem Geheimagenten leider hin und wieder mit sich brachten. Da der offizielle Kurs erst in zwei Wochen beginnen würde und außerdem ein Aufbaukurs war, hatte Herr Bernstein die Agentin Melanie Teubner gebeten, mit Janna bereits vorab ein paar Trainingseinheiten abzuhalten. Heute war die vierte Übungsstunde und Janna erwartete neugierig, was Melanie sich dieses Mal für sie ausgedacht hatte.

      Obwohl die attraktive schwarzhaarige Agentin sie zu Beginn ihrer Bekanntschaft sehr von oben herab behandelt hatte und auch heute noch manchmal ihre Überlegenheit zur Schau trug, hatten sie sich inzwischen ein wenig angefreundet. Dass Janna sich trotz einiger schmerzhafter Blessuren, die Melanie ihr bereits zugefügt hatte, recht geschickt anstellte, trug vielleicht dazu bei, Jannas Ansehen bei ihr zu heben. Janna argwöhnte, dass Melanie sie anfangs für ein unbedarftes Heimchen am Herd gehalten hatte. Inzwischen hatte sie jedoch bewiesen, dass deutlich mehr in ihr steckte. Wenn nicht nur Walter Bernstein, sondern auch die Leute aus der obersten Chefetage der Ansicht waren, dass sie sich als Partnerin für einen der besten Agenten des Instituts eignete, konnte Melanie Teubner kaum bei ihrer Geringschätzung bleiben.

      Während Janna darauf wartete, dass ihre Kollegin und Trainerin eintraf, wärmte sie sich schon ein wenig auf. Sie hatte sich auf Melanies Anweisung hin einen weißen Judo-Gi zugelegt, einen Judoanzug mit weißem Gürtel. Zu Hause trug sie immer einfache Sportshorts und Tops, wenn sie in ihrem Fitnesskeller trainierte, sodass sie sich erst an den recht warmen Anzug hatte gewöhnen müssen. Doch inzwischen fühlte sie sich sehr wohl darin. Sie lief und hüpfte ein wenig auf der Stelle, machte ein paar Kniebeugen und Lockerungsübungen, so wie Melanie es ihr gezeigt hatte. Dabei schielte sie immer wieder nach der Uhr über der Tür und fragte sich nach einer Viertelstunde allmählich, ob Melanie das Training vielleicht vergessen hatte.

      Gerade als sie auf ihre Tasche zuging, um das Smartphone herauszuholen und die Agentin anzurufen, öffnete sich die Tür. Es war jedoch nicht Melanie, die eintrat. Beim Anblick des hochgewachsenen, breitschultrigen Mannes, der ebenfalls in einen Judo-Gi – allerdings mit schwarzem Gürtel – gekleidet war, hielt sie verblüfft inne. »Markus. Was machst du denn hier?« Sie hatten sich heute noch nicht gesehen, da er fast den ganzen Tag in irgendwelchen Meetings und Lagebesprechungen verbracht hatte.

      Markus grinste schief und schloss die Tür hinter sich. »Ich vertrete Melanie. Sie musste wegen irgendeiner Familiensache früher weg und Walter meinte, es wäre eine gute Idee, wenn ich heute mit dir trainiere.«

      »Du?« Jannas Herzschlag holperte ein wenig. Eine Reaktion, die sie in seiner Gegenwart einfach nicht in den Griff bekam, auch wenn sie sich noch so anstrengte. Dabei gab es überhaupt keinen Grund dafür, beim Gedanken daran, mit ihm eine dreiviertel Stunde lang Selbstverteidigung zu üben, nervös zu werden. Sie waren immerhin inzwischen gute Freunde. Beste Freunde, die Seite an Seite arbeiteten – oder es tun würden, sobald sie sich in der neuen Abteilung sieben A eingewöhnt hatten.

      »Ja, ich.«

      Als Markus mit einem noch breiteren Grinsen auf sie zutrat, wurde ihr wieder einmal überdeutlich bewusst, wie groß er mit seinen eins zweiundneunzig war und wie kräftig. Die Jacke des Judoanzugs betonte die breiten Schultern und obwohl der Anzug weit geschnitten war, konnte er doch nicht über die harten Muskeln hinwegtäuschen, die sich darunter befanden. Unwillkürlich schluckte sie. »Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?« Sie schielte links und rechts an ihm vorbei, obwohl sie wusste, dass es albern war, nach einem Fluchtweg Ausschau zu halten. »Ich habe bisher immer nur mit Melanie geübt und noch nie mit einem Mann.«

      Markus schien nichts von ihrer Nervosität zu bemerken, denn er winkte nur lässig und immer noch grinsend ab. »Dann wird es doch allmählich Zeit, oder? In den meisten Fällen werden Frauen von Männern überfallen und überwältigt. Also kann es wohl nicht schaden, wenn du so früh wie möglich lernst, es mit jemandem aufzunehmen, der dir an Körperkraft und -gewicht überlegen ist.«

      Das hatte Melanie auch schon einmal gesagt. Janna beruhigte sich wieder ein wenig. Markus hatte vollkommen recht. Abgesehen davon – was würde es schon für einen Unterschied machen, ob sie mit ihm trainierte oder mit irgendjemand anderem?

      »Also gut.« Sie rang sich ebenfalls ein Lächeln ab. »Womit fangen wir an?«

      »Hast du dich schon aufgewärmt?« Er begann,


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