Vorsorgen statt Hamstern. T. C. A. Greilich
Auftreten der Pandemie in drei Wellen binnen eines Jahres (im Frühjahr 1918, im Herbst 1918 und zum Teil noch einmal ab Frühjahr 1919) Sorgen – denn nachdem die erste Welle keine spürbar erhöhte Todesrate aufwies, brachten erst die zweite und dritte Welle eine außergewöhnlich hohe Sterblichkeit mit sich. Es wird befürchtet, dass die Corona-Pandemie eine ähnliche Entwicklung nehmen könnte.
Schweinegrippe H1N1
Die sogenannte Schweinegrippe, von offiziellen Stellen eher als „Neue Grippe“ bezeichnet, trat 2009/10 weltweit auf. Die Erkrankungen wurden, wie bei der Spanischen Grippe, durch eine Influenzavirus-Variante des Subtyps A(H1N1) verursacht, was global zu einer enormen Aufmerksamkeit und weitreichenden Maßnahmen führte.
Laut der US-Gesundheitsbehörde CDC waren auch Personen zwischen 30 und 44 Jahren deutlich häufiger von schweren Verläufen betroffen als bei der saisonalen Influenza; nach ersten Berechnungen war die Virusvariante ansteckender und die von ihr ausgelöste Erkrankung besaß eine höhere Letalität (Tödlichkeit). Darin konnten Parallelen zur Spanischen Grippe gesehen werden.
Anfang Juni 2009 wurde die Schweinegrippe von der WHO als Pandemie eingestuft, in 214 Staaten und Überseegebieten wurden H1N1-Fälle bestätigt. Die Fallzahlen gingen in den Millionenbereich, die Symptome unterschieden sich jedoch kaum von denen der jährlich wiederkehrenden (saisonalen) Influenzawelle. Schließlich wurde bei mindestens 18.449 Todesfällen weltweit von einem Zusammenhang mit laborbestätigten H1N1-Infektionen ausgegangen, wobei eine Studie die Todesfälle allein für das erste Jahr vielmehr auf 151.700 bis 575.400 schätzte.
Der Höhepunkt der Erkrankungswelle lag in Deutschland im November 2009. Millionen Menschen wurden geimpft, rund 226.000 bestätigte Fälle und 258 zurechenbare Todesfälle wurden gemeldet. In Österreich wurden rund 4000 Infektionen sowie 40 zuzuordnende Todesfälle registriert.
Im Juni 2020 gibt es Anzeichen für eine mögliche Wiederkehr der Schweinegrippe.
Vogelgrippe H5N1
Als Vogelgrippe wird eine Viruserkrankung der Vögel, also zunächst einmal eine Tierseuche bezeichnet, die durch das Influenza-A-Virus H5N1 hervorgerufen wird. Das Hauptgeschehen der Vogelgrippe fand ab 2004 statt. Ausgehend von der Region um Hongkong verbreitete sich der Erreger weltweit und wurde von der WHO der Pandemie-Warnstufe „Alarmphase“ zugeordnet.
Allerdings ist die Vogelgrippe eine Zoonose, d. h. eine Krankheit, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden kann und dann häufig tödlich endet, vielfach infolge eines Lungenoder Multiorganversagens. Zwar waren Personen mit intensivem Kontakt zu infizierten Tieren besonders gefährdet, jedoch wurden auch Übergänge von Mensch zu Mensch berichtet.
Die WHO-Statistik wies am Ende 861 Erkrankungen und 455 Todesfälle in 17 Ländern in Asien, Afrika, Südosteuropa und Nordamerika aus. Zwar wurde das Risiko für Menschen, an einer H5N1-Infektion zu erkranken, von Experten weltweit als äußerst gering eingeschätzt. Allerdings befürchteten viele, dass das Vogelgrippevirus sich zukünftig mit einem Erreger der Humangrippe kreuzen und dann leichter von Tier zu Mensch oder gar von Mensch zu Mensch übergehen könnte.
Dazu trugen auch die Ergebnisse von Forschern bei, die 2005 den Erreger der Spanischen Grippe rekonstruierten und feststellten, dass das H1N1-Virus unmittelbar von einem Vogelgrippe-Virus abstammte und nach nur wenigen Mutationen die Fähigkeit entwickelt hatte, den Menschen zu befallen.
Coronaviren SARS-CoV und MERS-CoV
Das SARS-CoV (neuerdings auch als SARS-CoV-1 bezeichnet) gehört wie das neue SARS-CoV-2 zur Spezies des SARS-assoziierten Coronavirus. Dabei bezeichnet SARS die verursachte Infektionskrankheit „Severe acute respiratory syndrome“ (Schweres akutes Atemwegssyndrom), deren klinisches Bild einer atypischen Lungenentzündung (Pneumonie) entspricht.
Der erste größere Ausbruch der Krankheit war die SARS-Pandemie 2002/03, die von Südchina ausging und ihre Schwerpunkte in Asien und Nordamerika hatte. Als erste Pandemie des 21. Jahrhunderts veranschaulichte sie die rasche Ausbreitung einer Krankheit in der globalisierten Welt und wurde weltweit massiv von den Medien begleitet.
Die WHO bezifferte am Ende 8096 Infektionsfälle in 25 Ländern auf fünf Kontinenten, davon 774 Tote und 7322 Genesene, was einer Letalitätsrate von 9,6 % entsprach.
Das MERS-CoV entstammt ebenfalls der Familie der Coronaviren. MERS bezeichnet ein seit 2012 im Nahen Osten aufgetretenes respiratorisches Syndrom, das beim Menschen mit einer schweren Infektion der Atemwege, Lungenentzündung und/oder Nierenversagen einhergehen kann. Mangels einer ausreichend großen Zahlenbasis lässt sich der Anteil der Erkrankten an den Infizierten nicht beziffern und lediglich für die den Behörden bekannt gewordenen Erkrankungen feststellen, dass diese meist schwer und oft tödlich verliefen. Es wird davon ausgegangen, dass das MERS-CoV seltener von Mensch zu Mensch übertragen wird, sondern vor allem ein tierisches Erregerreservoir existiert, von dem die Fälle ausgehen.
Ende Februar 2020 waren der WHO 2519 Erkrankungen bekannt, wovon 866 zum Tode führten. Außer dem regionalen Schwerpunkt auf der arabischen Halbinsel waren Asien, Afrika, Europa und Nordamerika betroffen.
Saisonale Grippewellen
Die jährlich wiederkehrende (saisonale) Influenza mag im Vergleich zu Schweine- und Vogelgrippe sowie Coronaviren geradezu banal klingen. Doch die Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache.
Die Influenzasaison 2004/05 führte in Deutschland zu bis zu 6,2 Millionen Influenza-assoziierten Arztbesuchen, 2,4 Millionen attestierten Arbeitsunfähigkeiten und 860.000 Schülerattesten, 32.000 Krankenhauseinweisungen und 20.000 Todesfällen.
Noch höher lagen die Todeszahlen in den Influenza-Saisons 2008/09, 2012/13, 2014/15, 2016/17 und vor allem 2017/18 mit der höchsten Zahl an Todesfällen in den vergangenen 30 Jahren.
Während dieser letzten großen Grippewelle wurden bis zu neun Millionen Influenza-assoziierte Arztbesuche und 60.000 Krankenhauseinweisungen beziffert. Selbst während der Grippewelle 2019/20, deren Höhepunkt Ende Februar 2020 überschritten wurde, waren bis dahin 2,1 Millionen Menschen beim Arzt. 185.893 Influenzafälle wurden labordiagnostisch bestätigt, 476 Menschen sind an der Grippe gestorben.
Weltweit geht man Jahr für Jahr von ungefähr 650.000 Menschen aus, die an der saisonalen Grippe sterben. Diese Zahlen relativieren wohl auch ein wenig die oftmals als unangemessen empfundene Aussage, dass die Corona-Pandemie nicht schlimmer sei als eine „normale“ Grippe, die von den meisten Menschen Jahr für Jahr in Kauf genommen wird.
EHEC-Epidemie
Als regional relevantes Phänomen möchte ich noch an die EHEC-bzw. HUS-Epidemie erinnern. Dabei handelte es sich um eine ab April/Mai 2011 in Norddeutschland aufgetretene Häufung und Ausbreitung einer bis dahin nicht bekannt gewesenen schweren Verlaufsform einer Erkrankung der kleinen Blutgefäße, des hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS), als deren Ursache EHEC-Darmbakterien angenommen wurden.
Die Vermutungen über deren Herkunft reichten von keimbelasteten Salatgurken bis hin zu Bockshornkleesprossen. Jedenfalls erkrankten 855 Menschen an HUS und 2987 an EHEC-Gastroenteritis; 53 Menschen starben an der Infektion, die zeigt, welch große Auswirkungen kleine Ursachen haben können – und wie leicht auch hierzulande eine Epidemie entstehen kann.
Risikoanalyse 2012
Mit der Bundestagsdrucksache 17/12051 vom 3. Januar 2013 unterrichtete die Bundesregierung den Deutschen Bundestag über den Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012. Sie ist ihrer Präambel