Vorsorgen statt Hamstern. T. C. A. Greilich

Vorsorgen statt Hamstern - T. C. A. Greilich


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Bericht enthält unter anderem die Risikoanalyse „Pandemie durch Virus Modi-SARS“, die unter fachlicher Federführung des Robert-Koch-Instituts und Mitwirkung verschiedener Bundesämter, Bundesanstalten, der Bundesnetzagentur, des Paul-Ehrlich-Instituts und der Bundeswehr durchgeführt wurde.

      Das Szenario beschreibt ein Seuchengeschehen, das auf der Verbreitung eines neuartigen Erregers basiert. Dem wurde das hypothetische Virus „Modi-SARS“ zugrunde gelegt, das mit dem natürlichen SARS-CoV in fast allen Eigenschaften identisch ist; als aktuelles Beispiel für einen neu auftretenden Erreger wurde explizit ein neues Coronavirus („novel Coronavirus“) angeführt.

      Nach den zwischenzeitlichen Erfahrungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 überraschen die Ähnlichkeiten mit dem hypothetischen Erreger dennoch: eine Übertragung hauptsächlich über Tröpfcheninfektion, aber auch eine mehrtägige Übertragungsfähigkeit des Virus auf unbelebten Oberflächen, eine gesicherte Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen, ähnliche Krankheitssymptome, eine rein symptomatische Behandlung aufgrund fehlender Medikamente, eine 10%ige Letalität, leichtere Krankheitsverläufe bei Kindern, das Fehlen eines Impfstoffes usw. Diese Parallelen sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man später die modellierten Auswirkungen bewerten will.

      Für dieses „Modi-SARS“-Virus wurde auch der hypothetische Verlauf einer Pandemie in Deutschland modelliert, wobei sich die Parallelen fortsetzen. Der Erreger stammt aus Südostasien, wo der bei Wildtieren vorkommende Erreger über Märkte auf den Menschen übertragen wurde. Das Szenario beschreibt eine weltweite Verbreitung des Virus, das hauptsächlich in Asien, Europa und Nordamerika auftritt. In der Initialphase des Geschehens werden insgesamt zehn Fälle nach Deutschland eingetragen, „bevor den Behörden die erste offizielle Warnung durch die WHO zugeht. Darunter sind zwei Infizierte, die durch eine Kombination aus einer großen Anzahl von Kontaktpersonen und hohen Infektiosität stark zur initialen Verbreitung der Infektion in Deutschland beitragen“, je eine infizierte Person in Nord- und in Süddeutschland.

      In dem Bericht heißt es: „Das Besondere an diesem Ereignis ist, dass es erstens die gesamte Fläche Deutschlands und alle Bevölkerungsgruppen in gleichem Ausmaß betrifft, und zweitens über einen sehr langen Zeitraum auftritt.“ Dabei wird von einer Ausbreitung der Pandemie in drei Wellen ausgegangen; „nachdem die erste Welle abklingt, folgen zwei weitere, schwächere Wellen“. Die Erklärung leuchtet ein: „Nach einem Höhepunkt sinkt die Neuerkrankungsrate auch, weil die Bevölkerung allgemein mit verstärkten (Eigen-)Schutzmaßnahmen auf das massive Krankheitsgeschehen reagiert. Infolge dieser Maßnahmen nehmen die Neuerkrankungen ab, was zum Nachlassen der individuellen Schutzmaßnahmen führt (aufgrund einer geringeren subjektiven Risikowahrnehmung), wodurch wiederum die Zahl der Neuerkrankungen zunimmt. Diese Wechselwirkungen tragen neben dem Auftreten neuer Virusvarianten zu einem Verlauf mit mehreren Höhepunkten bei.“

      Schließlich „ist so lange mit Neuerkrankungen zu rechnen, bis ein Impfstoff verfügbar ist. Für das vorliegende Szenario wird ein Gesamtzeitraum von drei Jahren zugrunde gelegt mit der Annahme, dass nach dieser Zeit ein Impfstoff entwickelt, freigegeben und in ausreichender Menge verfügbar ist. Der Erreger verändert sich im Verlauf der drei Jahre durch Mutationen so, dass auch Personen, die eine Infektion bereits durchlebt haben, wieder anfällig für eine Infektion werden. Hierdurch kommt es insgesamt zu drei Erkrankungswellen unterschiedlicher Intensität“.

      Und weiter: „Das Gesundheitssystem wird vor immense Herausforderungen gestellt, die nicht bewältigt werden können. […] Die enorme Anzahl Infizierter, deren Erkrankung so schwerwiegend ist, dass sie hospitalisiert sein sollten bzw. im Krankenhaus intensivmedizinische Betreuung benötigen würden, übersteigt die vorhandenen Kapazitäten um ein Vielfaches. […] Dies erfordert umfassende Sichtung (Triage) und Entscheidungen, wer noch in eine Klinik aufgenommen werden und dort behandelt werden kann und bei wem dies nicht mehr möglich ist.“ Dabei wird von einer gleichzeitigen Erkrankung von bis zu 8 % der Gesamtbevölkerung ausgegangen: sechs Millionen Menschen, davon 4,1 Millionen krankenhauspflichtig und 1,1 Millionen intensivmedizinisch. Gleichzeitig.

      Bevor ich die modellierten Infiziertenzahlen weiter zitiere, möchte ich nochmals daran erinnern, dass diese Risikoanalyse vom Robert-Koch-Institut unter Mitwirkung weiterer Bundesbehörden durchgeführt und von der Bundesregierung offiziell dem Parlament vorgelegt wurde. Jedenfalls heißt es dort:

      „Über den Zeitraum der ersten Welle (Tag 1 bis 411) erkranken insgesamt 29 Millionen, im Verlauf der zweiten Welle (Tag 412 bis 692) insgesamt 23 Millionen und während der dritten Welle (Tag 693 bis 1052) insgesamt 26 Millionen Menschen in Deutschland. Für den gesamten zugrunde gelegten Zeitraum von drei Jahren ist mit mindestens 7,5 Millionen Toten als direkte Folge der Infektion zu rechnen. Zusätzlich erhöht sich die Sterblichkeit sowohl von an Modi-SARS Erkrankten als auch anders Erkrankter sowie von Pflegebedürftigen, da sie aufgrund der Überlastung des medizinischen und des Pflegebereiches keine adäquate medizinische Versorgung bzw. Pflege mehr erhalten können.“

      Ich möchte nochmal die Zahl der genannten Erkrankten zusammenzählen: 78 Millionen. Bei 80 Millionen Einwohnern zum Analysezeitpunkt im Jahr 2012 wird hier von einer Erkrankung von bis zu 97,5 % der Bevölkerung (und dem Tod von rund 9,5 % der Bevölkerung) ausgegangen, wobei ich mögliche Mehrfacherkrankungen nicht berücksichtigt habe.

      Zudem möchte ich eine vorangestellte Erläuterung zitieren: „Dort, wo flächendeckend verallgemeinerte Aussagen derzeit nicht oder nur bedingt möglich sind, sodass mitunter vereinfachte Annahmen getroffen werden müssen, wurde im Rahmen der beiden diesjährigen Risikoanalysen im Zweifel der jeweils günstigere Verlauf angenommen, um nicht belegbare Dramatisierungen zu vermeiden. Andernfalls hätten die den Risikoanalysen zugrunde gelegten Szenarien auch anders gestaltet werden können, was durchaus zu noch drastischeren anzunehmenden Auswirkungen auf die betrachteten Schutzgüter hätte führen können.“ Die vorgenannten Zahlen sind also das Ergebnis einer Modellierung, die im Zweifelsfall vom günstigeren Verlauf ausgegangen ist!

      Politisch müsste man jetzt den Finger in die Wunde legen und den Verantwortlichen die vorwurfsvolle Frage stellen, warum sie seit der Konfrontation mit der Risikoanalyse acht Jahre lang nichts unternommen haben, um im Jahr 2020 besser vorbereitet zu sein. Unter dem Vorsorgeaspekt dient die Studie dazu, sich bewusst zu machen, welches Szenario die Behörden für möglich halten – sowohl mit Blick auf einen möglichen Fortgang der Corona-Pandemie als auch hinsichtlich zukünftig auftretender Pandemien.

       Verlauf der 1. Welle der Corona-Pandemie

       Globale Verbreitung

      Am 10. Juni 2020, meinem Stichtag zur Abgrenzung dieses Buches, ging die amerikanische Johns-Hopkins-Universität, deren COVID-19-Dashboard zu diesem Zeitpunkt als das Maß der Dinge in der Corona-Pandemie 2020 galt, von 7.256.412 bestätigten Infektionen in 188 Ländern aus.

      Wenn man bedenkt, als wie extrem in der westlichen Welt die Ausbreitung zu Jahresbeginn 2020 in China empfunden wurde, wo 84.198 Menschen erkrankt waren, dann irritiert es umso mehr, dass China damit inzwischen auf den 18. Rang zurückgefallen ist. Davor liegen:

      •mit 1.979.893 Erkrankten die USA,

      •mit 739.503 Brasilien,

      •mit 493.023 Russland,

      •mit 290.581 das Vereinigte Königreich,

      •mit 276.583 Indien,

      •mit 241.966 Spanien,

      •mit 235.561 Italien,

      •mit 199.696 Peru,

      •mit 191.523 Frankreich,

      •mit 186.522 Deutschland,

      •mit 175.927 Iran,

      •mit 172.114 die Türkei,

      •mit 142.759 Chile,

      •mit 124.301 Mexiko,

      •mit 113.702 Pakistan,

      •mit 108.571 Saudi-Arabien und

      •mit 98.241 Kanada.

      Natürlich


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