Wenn Du gehen musst .... Doris Kändler
Geburtstage und Weihnachtsfeste verliefen nicht anders.
Langsam wurden wir erwachsener – wir waren nun schließlich schon 12 und 13 Jahre alt – und entdeckten die Jungs. Auch die Disko wurde für uns nun interessanter. Natürlich hätten unsere Eltern uns in diesem Alter niemals einen Besuch in solch einer Gaststätte erlaubt, also mussten wir uns etwas einfallen lassen...
Ich erzählte meiner Familie ich würde bei Sandy schlafen und sie erzählte ihren Eltern, sie würde bei mir schlafen. Eigentlich ganz einfach. Doch wir hatten ein Problem... Wie und wo sollten wir uns fürs Ausgehen fertig machen? Dann kam uns die rettende Idee. Wir hatten eine Kneipe im Dorf, unmittelbar neben der Diskothek gelegen, auf derselben Straße. Deren Damentoilette nutzten wir für uns als Umkleidekabine. Niemand interessierte es, wenn wir in Straßenklamotten die Toilette betraten und vollständig gestylt dort wieder rauskamen. Es war grandios.
So vergingen einige Monate, bis schließlich unsere Eltern durch einen Zufall herausfanden, dass wir bei keinem von dem Anderen schliefen. Sie müssen sich sehr gesorgt haben. Also wurden wir gesucht. Eines Nachts, als wir ausgelassen auf der Tanzfläche standen, wurde Sandy weiß wie eine Wand. Sie konnte nicht sprechen. Irgendetwas hatte sie gesehen, was für meine Augen noch verborgen blieb. Sie machte einen Satz an mir vorbei und ließ sich unter einen Tisch fallen, um sich dort zu verstecken. Mit ihren Händen zeigte sie mir, ich solle dasselbe tun. Doch ich wollte mich nicht lächerlich machen.
Das machte sie schon für uns beide, denn jeder hatte ihre Flucht unter den Tisch mitbekommen. Alle lachten. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken.
Ich blieb eisern stehen. Mitten auf der Tanzfläche ging nun auch mir die Farbe aus dem Gesicht, als mir jemand auf die Schulter tippte. Ich drehte mich um und sah direkt in das Gesicht des offensichtlich sehr erbosten großen Bruders von Sandy. Er packte mich am Arm und wollte wissen wo Sandy war. Um sie zu beschützen gab ich an, nicht zu wissen wo sie sei, doch die lachenden Mienen und Blicke in Sandys Richtung direkt unter den Tisch, verrieten alles. Er sah ihr direkt in die Augen und ihr blieb nichts anderes übrig, als aus dem Versteck zu kommen und ihre Leidensmiene aufzuziehen. Dann ging sein Gebrüll los. Mitten in der Diskothek! Wir beiden wären am liebsten ein ganz tiefes Loch gekrochen. Doch wir hatten keine Wahl. Wir folgten ihm ganz artig. Ausnahmslos Jeder hatte das Desaster mitbekommen. Draußen maulte er uns noch ein wenig an, was uns denn einfiele und dass unsere Eltern krank vor Sorge wären. Wir versuchten ihm noch zu erklären, doch er wollte nichts hören. Jede von uns sollte nun nach Hause gehen. Das taten wir sogar.
Wie sich später herausstellte, musste Sandy wesentlich mehr aushalten als ich. Sie bezog Prügel und noch dazu eine Woche Hausarrest. Ich bekam eine enorme Standpauke und das war es dann. Meine Mutter erzählte meinem Vater nichts davon, weshalb die Schläge mir erspart blieben, denn bei mir Zuhause war es mein Vater, der eher handgreiflich wurde. Meine Mutter blieb da wesentlich gelassener. Logisch, sie machte das ganze schließlich bei mir mittlerweile zum dritten Mal durch.
Es war nicht so, dass uns dieses Erlebnis davon abhielt, einfach so weiterzumachen. Nachdem der Hausarrest irgendwann auch mal ein Ende hatte, ging es weiter. Ich denke, dass unsere Eltern es sicherlich jedes Mal wussten, uns aber vor lauter Verzweiflung einfach gehen ließen. Ihr Bruder holte uns insgesamt zwei oder drei Mal da raus und schickte uns nach Hause.
Im Laufe der Zeit erkannte meine Mutter wohl auch den Sinn des Hausarrestes und verhängte ihn das ein oder andere Mal auch auf mich. Doch ich war schlauer...
– Dachte ich zumindest –
Ich fand schnell heraus, dass meine Mutter mich nur dann nach draußen ließ, um mit meinem Hund zu gehen. Die Hündin machte alles mit. Also zog ich mir unter der dicken Jacke meine schicken Klamotten an, machte den Hund draußen an einer Laterne fest und ging in der Diskothek feiern. Leider hielt das auch nicht sehr lange an.
Irgendwann fand dann mein Bruder den Hund an der Laterne, was ihn dazu bewog mich höchst persönlich nach Hause zu schicken.
Nun musste ich mir echt was einfallen lassen, denn meine Hausarreste häuften sich mittlerweile auch. Also nahm ich die Hündin einfach mit in die Diskothek. Sie hatte unglaublichen Spaß und die Leute kannten sie schon. Der Inhaber hatte auch nichts dagegen. Also was sollte schon geschehen? Ich hätte ja nie im Leben geglaubt, dass mein Bruder nun auch anfangen würde, dort zu verkehren. Irgendwann entdeckte er mich dann zusammen mit dem Hund in der Disko. Schon wieder schickte er mich nach Hause. Der Ärger danach war groß. Es gab nichts, was wir nicht versuchten, doch wir wurden dauernd erwischt. Sandys Bestrafungen waren meistens sehr hart, wohingegen meine sich dann doch eher in Grenzen hielten. Eines Tages fanden unsere Eltern sich einfach damit ab, dass wir sowieso machten, was wir wollten. Von da an, waren wir an jedem Wochenende in den verschiedensten Diskotheken unterwegs...
Zurück zur Gegenwart...
Mein Lebensgefährte lachte herzhaft, obwohl ihm sehr wohl bewusst war, in welcher Situation wir uns befanden. Da er jedoch gerade erfuhr, was für ein kleines Biest ich war, konnte er es nicht zurückhalten. Wir sprachen so viel über sie und mich, bis wir eines Tages an die Frage kamen, warum unser Kontakt gegenwärtig so selten war.
Darüber dachte ich so oft nach. Sicher lag es auch daran, dass wir so unterschiedliche Leben führten. Trotzdem war da immer dieses Band, was uns verband. In all den Jahren. Wir wussten beide instinktiv, wann man sich bei dem Anderen melden musste. Meist waren es Zeiten, in denen der Eine den Anderen brauchte. Es war eigenartig, ja fast schon gruselig.
Ich erklärte ihm, dass es sicherlich angefangen hatte, als Sandy die Schule im Nachbarort besuchte. Ihre Eltern nahmen sie von der gemeinsamen Schule, da wir beide in den vergangenen Zeiten ständig daran vorbeigelaufen waren. Mein Freund verstand nicht, was ich damit sagen wollte, also holte ich erneut aus. Gedanklich machte ich mich auf die Reise in die Vergangenheit und er hörte mir, wie immer, einfach nur zu...
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