Tabulose Seitensprünge. Lulanda
prunkvollen Lust- und Jagdschloss am Stadtrand ein. Sogar einige Delegierte aus den europäischen Niederlassungen werden erwartet. Für die hier im Inland arbeitenden Kollegen ist das der spannendste Faktor des Abends. Viele kennen sich von früher, teilten einst gemeinsam ein Büro oder wurden im Laufe der Jahre zu Freunden. Als die Firma innerhalb Europas expandierte, wurden einige Mitarbeiter - je nach Kompetenz und Fähigkeit - in den neu geschaffenen Niederlassungen eingesetzt. Sich nun nach langer Zeit wiederzusehen, miteinander auszutauschen und zu fachsimpeln ist genau Stefans Ding.
„Egal wer anwesend sein wird, für mich bist Du die mit Abstand sexigste Frau.“, reißt Stefans Stimme mich aus meinen Gedanken. Er lächelt mich liebevoll an. Wie sehr ich seinen warmen Blick liebe. Er ist mir so vertraut und gibt mir stets das Gefühl von Sicherheit. „Du weißt, wie sehr Du mich noch dazu in diesem Kleid anmachst?“, fragt er leise mit einem süffisanten Grinsen und legt dabei seine Hand auf meinen Oberschenkel. Ich bekomme eine Gänsehaut als er fester anpackt. Ob ich am besten gleich hier im Taxi über ihn herfalle? Wäre vielleicht ein zusätzlicher Reiz, wenn der Taxifahrer dabei zuschaut. Ich lege mein Kinn auf seine Schulter und mit meinen Lippen ganz nah an seinem Ohr hauche ich: „Und Du weißt, wie ich es liebe, wenn Du es mir noch dazu später vom Körper reißen wirst?“ Während meiner Frage wandert meine Hand zielbewusst in seinen Schritt. Er schluckt und grinst weiter. Ich packe ein kleines bisschen fester zu und spüre ein leichtes Zucken in der Hose. Ihm entfährt ein leidenschaftlicher Seufzer. Na bitte, auch körperlich sprechen wir die gleiche Sprache.
Schade, viel zu früh biegen wir ab und fahren die lange Allee zum Eingangsportal des Schlosses entlang. Schluss mit den Intimitäten, jetzt geht es schön gesittet weiter. Ich spüre ein Verlangen, mich gegen sämtliche Etikette zu verhalten. Einzig Stefan zuliebe reiße ich mich am Riemen. Kaum angekommen sehe ich auch schon die besagten „grauen“ Frauchen mit einem Glas Champagner in der Hand den Eingang zieren. An ihrem gespielten Grinsen auf Knopfdruck ist offensichtlich zu erkennen, dass der Abend unter dem Motto „Oberflächlichkeiten“ stehen wird. In den Gesichtern lese ich Unlust, einstudierte Rollen und gelogene Komplimente. Ich weiß genau, warum ich zu den Frauen und Kolleginnen aus Stefans Arbeitskreisen keinen Kontakt pflege. Sie können dankbar dafür sein, denn ich stehe nicht auf deren Schauspiel und würde ihnen stattdessen direkt meine Meinung präsentieren: „Zieh nicht so ein Gesicht; Was ist das Kleid altmodisch; Na? Neidisch, weil Du schwerer und älter bist als ich?“ Ich grinse bei der Vorstellung, wie verdattert und nach Luft ringend sie mich anschauen würden.
„Achtung, fertig … Action!“
„Stimmt so.“, lässt Stefan den Taxifahrer wissen und wir steigen gemeinsam aus. Es ist Spätsommer und das Wetter ist an diesem Abend erfüllt mit warmer Sommerluft, einem Hauch von Wind und fantastisch aufeinander abgestimmten, lebendigen Farben. Mit einem zwitschernden „Guten Abend!“ in die Runde gehe ich am Arm meines Mannes an den gesitteten Damen vorbei. Ein paar Kollegen kommen auf uns zu. Wir begrüßen uns mit vertrauten Wangenküsschen und schon geht das Fachsimpeln los. Gleich werden deren Frauen dazukommen, von denen ich vielleicht ein oder zwei kenne. Sie werden höchstwahrscheinlich damit beginnen mich zu fragen, ob ich das Ambiente der Location nicht auch so zauberhaft finde. Bingo! „Nun ja, andererseits wäre es für die Firma peinlich, wenn sie die Kneipe mit Kegelbahn um die Ecke gewählt hätten.“, antworte ich. „Oh, mein Gott. Ja! Wie peinlich.“, bestätigt mich eine Blondine mit knochiger, etwas schiefer Nase. Das kann ja heiter werden.
Diskutierend und lachend bewegen sich Stefan und die ihn begleitende Männertraube in Richtung Saal. Dieser ist dezent festlich geschmückt, alles passend Ton in Ton, nicht zu aufdringlich und nicht zu zugeknöpft. Firmenfeiern sind ja eigentlich bekannt für ihren schmalen Grat zwischen angespanntem Benehmen und alberner Ausgelassenheit. Die großen, runden Tische bieten ausreichend Platz, um sich gestikulierend wichtig zu tun. Damit dann auch gleich klar ist, welchen Namen der oder die Klugscheißerin eigentlich trägt, gehören zu jedem Gedeck farblich passende Namenskärtchen. Zum Auftakt und Ankommen ist das sinnvoll. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass sich spätestens nach dem Abendessen keiner mehr an die Sitzordnung halten wird. Für uns ist einer der Tische mittig im Saal vorgesehen. Mit uns werden weitere fünf Personen daran Platz nehmen. Moment mal: Wir sind also sieben Personen - dann sitzt entweder ein überzeugter Single oder aber eine in Partnerschaft unzumutbare Person mit am Tisch. Innerlich muss ich lachen, denn ich stelle mir einen erwachsenen, hageren Typ „Sohnemann“ mit Seitenscheitel, dicker Brille und Pullunder vor, der von Mami kurz vor dem Ausgehen noch einen Kuss auf die Stirn und den mütterlichen Rat erhält, gut auf sich aufzupassen. Soll heißen: „Lass die Finger vom Alkohol und von den Frauen! Das ist viel zu gefährlich und verdirbt Dich. Du möchtest doch wohl unserem Herrn Pfarrer nach der Sonntagsmesse nicht noch seine kostbare Zeit stehlen, oder?“
Nun gut, wer oder was auch immer da Platz nehmen wird - mir kann es egal sein. Jedenfalls werde ich nicht Mutter Teresa spielen und mich um „Herrn oder Frau Unbedarft“ kümmern. Ich mache es mir an dem für mich vorgesehenen Platz gemütlich. Mich umgibt ein Knäuel aus wirrem Gemurmel. Ab und an flüchtet ein aufdringlich lautes Lachen, gefolgt von beklemmtem Kichern hinauf zur Saaldecke. Ein wahrer Teppich aus Geräuschen, Tönen und Stimmen. Nur Stefans Stimme höre ich nicht heraus. Wo ist er eigentlich? Ah, noch immer steht er mit zweien der Kollegen von vorhin zusammen. Sie scheinen in ein ernstes Gespräch verwickelt zu sein. Jedenfalls bemerke ich gerade keine Spur von der überschwänglichen Stimmung zur Begrüßung. Ach, mein Stefan! Wenn er so ernst dreinschaut hat er einen richtig sehnigen Gesichtsausdruck. Er presst dann beim Nachdenken immer die Lippen aufeinander und ich sehe, wie sich seine Kieferknochen an- und wieder entspannen. Es wäre mir ein Fest, könnte ich nun frivol zu ihm hinüber schlendern, sein Becken mit meiner Hüfte streifen und ihn mit dem Duft meiner Haare betören. Mein Geschenk hieße Entspannung, mein lieber Schatz. Davon wirst Du später noch eine ganze Menge bekommen, während ich gleichzeitig das Stillen meiner Lust für mich in Anspruch nehmen werde.
„Laangweilig!!“
Die Location füllt sich langsam mit all den Dienern und Knechten, den Hinzen´s und Kunzen´s sowie natürlich der grauen Eminenz aus der Riege der oberen Zehntausend. Ganz schön viele Egos, die sich hier köstlich zu amüsieren scheinen. Heute dürfen sich die Herren Müller vor ihren Frauchen mal so richtig wichtig machen. Und die Frauen Meier spielen Cinderella, aufgetakelt mit Billigschmuck und gewagtem Schlitz im Kleid. Nur einen Zentimeter höher und ich könnte den Rand ihrer Nylonkniestrümpfe sehen. Wenn das mal nicht festlich ist! Hier und da lässt sich eine der edlen Damen herab und lächelt mir gequält zu oder es zischt ein leises „Guten Abend“ durch schmale, blass geschminkte Lippen in meine Richtung. Höchst professionell entsende ich eine gerade noch so als Lächeln interpretierbare Geste an jede von ihnen zurück. Endlich entdecke ich dann doch eine Person, die mir gegenüber wohlwollend gesonnen ist. „Hallo, Carla!“, ruft Rieke laut und winkt mir dabei zu. „Hey, Rieke. Endlich. Ich habe schon befürchtet, Ihr hättet es Euch zuhause auf der Couch gemütlich gemacht.“, entgegne ich, wohlwissend, dass Rieke so gar nicht auf diese Art von offiziellen Feierlichkeiten abfährt.
Rieke ist Stefans Assistentin, die oftmals mehr in bestimmte Vorgänge eingebunden ist als Stefan selbst. In ihr hat er eine absolut verlässliche und ehrliche Kollegin. Irgendetwas an ihr fasziniert mich. Ich weiß nur nicht, ob es ihre Rehaugen, ihre niedlichen Grübchen oder vielleicht doch sogar ihr kleiner Popo ist. Ich mag sie ganz einfach, obwohl sie mit derart schönen Haaren gesegnet ist, wie ich es mir immer gewünscht habe. Also keine Stutenbissigkeit meinerseits. Wäre ich ein eifersüchtiger Charakter, müsste ich meinem Stefan natürlich unterstellen, dass er sie eigentlich nur attraktiv finden kann und sich ihretwegen des Öfteren abends länger im Büro aufhält. Womöglich stellt er sich während der Bearbeitung seiner trockenen Versicherungsfälle vor, wie Rieke ihn „nass“ macht. Gut möglich, dass er solche Fantasien tatsächlich hat. Mir ist das allerdings egal, denn Rieke ist fest gebunden - mit ihrer Frau! Letzten Sommer haben Rieke und Svenja sich nach langen Streitigkeiten mit ihren Familien endlich das Ja-Wort gegeben. „Svenja