Im Paarungsfieber. Grace Goodwin

Im Paarungsfieber - Grace Goodwin


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Als ob der Planet aufgeplatzt und seine Innereien hervorgequollen waren.

      Vor mir standen drei Hive. Auf halber Höhe der Schlucht hatten sie jemanden in die Falle gejagt. Ich erkannte den zaghaften Körper und die Panzerung eines Menschen, der die Felswand hochkletterte, um ihnen zu entkommen. Er trug die Uniform der menschlichen ReCon-Einheiten. Auf dem Boden verteilt lagen die Leichen von mindestens einem Dutzend Hive-Soldaten und vier weiteren Erdlingen.

      Keiner regte sich.

      Der Mensch kraxelte an der Felsklippe hoch und klammerte sich insektenhaft an die unebenen Felsvorsprünge. In der Felswand war die Öffnung einer Höhle erkennbar, der Eingang funkelte wie eine Diamanthalskette auf einem weiblichen Dekolleté, wenn das Licht auf ihn fiel. Der Erdling war offensichtlich zur Höhle unterwegs. Ein cleverer Zug, denn die Höhle bot Schutz, zumindest zeitweise. Und sie bot Überblick. Vielleicht wollte der Erdling dort den letzten erbitterten Widerstand leisten.

      Warum aber knallten die Hive den Erdling nicht einfach von der Felswand runter? Warum kletterten sie hoch? Warum nicht …

      Ich kniff die Augen zusammen und die Bestie sendete ein leises Fauchen durch meinen Brustkorb. Was war hier los? Ich pirschte mich näher heran, diesmal ohne anzugreifen. Selbst meine Bestie hielt sich zurück. Nie zuvor hatte ich so etwas wie diese Hive hier gesehen und ich hatte fast ein Jahrzehnt lang im Kampf zugebracht. Es waren keine Aufklärer oder Soldaten. Es handelte sich um etwas gänzlich anderes.

      Sie wirkten nicht nur sonderbar, sondern sie feuerten auch nicht auf den Erdling, nein, sie … stellten ihm nach—

      “Kommt schon!” Der Erdling brüllte ihnen zu, verspottete sie und die Ansage kam eindeutig von einer Frauenstimme. Die Bestie in mir erstarrte, als die Stimme durch meinen Körper drang und direkt in meinen Schwanz wanderte.

       Mir!

      Die Bestie brüllte nicht, sondern flüsterte das Wort, sie rollte es über meine Zunge, als würden wir einen edlen Atlanischen Wein kosten. Sie fragte mich nicht und sie bat mich auch nicht um Erlaubnis oder Zustimmung. Sie informierte mich einfach nur über den Sachverhalt.

      Ich ignorierte sie, für den Moment. Jahrelang hatte ich von einer sanften, willigen Frau geträumt, um sie für mich zu beanspruchen. Das Fieber beeinträchtige eindeutig mein Urteilsvermögen, aber jetzt war nicht der passende Zeitpunkt, um sich mit der Bestie anzulegen.

      Ich war zu weit entfernt, um ihre Stimme erkennen zu können. Ich hatte keine Ahnung, wer sie war, aber meine Bestie wusste es scheinbar sehr wohl. Das Ungetüm wollte sie und das Paarungsfieber brodelte mit wiedererwachter Stärke in mir auf, während mein Schwanz unter meiner Panzerung unbequem ersteifte.

      Und sie verhöhnte sie, lockte einen von ihnen zu sich hoch. Warum? War sie auf den Kopf gefallen? Wahnvorstellungen? Halluzinierte sie? Oder war sie einfach nur geisteskrank?

      Der seltsame Hive näherte sich der Felswand an—aber ja doch—und die Bestie folgte ihm lautlos, wie ein Raubtier schlich sie dem hinteren der Drei hinterher. Ich zwang mich dazu, nachzudenken und den ungestümen Schutzinstinkt meiner Bestie zu bändigen. Nie zuvor hatte ich auf dem Schlachtfeld derartige Lust, einen derartigen Beschützerinstinkt erlebt. Sicher, ich wollte meine Einheit und diejenigen, die wir beschützen sollten in Sicherheit wissen, aber das hier war etwas anderes. Ich verspürte eine glühende Wut, die wie siedendes Teer in meinen Adern brodelte. Es war das Aufbegehren der Bestie, die ihre Partnerin beschützen wollte.

      Sie gehörte mir.

      Ein bedrohliches, abgrundtiefes und überraschend heftiges Gefühl legte sich über mich wie ein Panzer aus solidem Eis. Zorn und Getobe waren stumpfsinnige Emotionen. Dieses Bedürfnis, die Hive vor mir zu töten war aber nicht stumpfsinnig, es war kalt, berechnend und wohldurchdacht. Sie mussten sterben. Sie wollten sie und ich würde nicht zulassen, dass sie sie anrührten. Sie gehörte mir. Sie war von Kopf bis Fuß in ihren Panzeranzug gehüllt und klammerte sich wie ein Insekt an den Abgrund. Stark. Mutig. Aggressiv. Mir. Sie gehörte immer noch mir.

      Die Erdenfrau über mir hatte fast die Höhle erreicht, fast war sie außer Schussweite der Hive. Die allerdings starrten einfach nur zu ihr herauf, als wäre sie ein Kuriosum. Sie feuerten nicht und ich konnte mir nicht erklären, warum sie diesen Erdling verschonten. Warum nahmen sie den Feind nicht unter Beschuss, damit er herunterfiel? Sie waren in der Lage, fast alle Arten von Verletzungen bei ihren Gefangenen zu heilen. Zweifelsohne konnten sie Sturzverletzungen behandeln, selbst aus dieser Höhe und auf hartes Felsgestein. Sie müssten sie nur zu einem ReGen-Tank transportieren und ihren zerbrechlichen, menschlichen Leib wiederherstellen, bevor es mit der Integration losgehen konnte. Warum also ließen sie diesen Erdling davonkommen? Warum stellten sie ihr nach, als ob sie sie lebend und unversehrt in die Finger bekommen wollten?

      Den Hive war nur von Bedeutung, dass ihre Gefangenen überlebten.

      Während ich mich anschlich, musterte ich den Hive vor mir und mit jedem lautlosen Schritt wuchs meine Neugierde. Sie waren zu dritt, wie immer, aber nie hatte ich drei Exemplare wie diese hier zu Gesicht bekommen.

      In der Mitte stand ihr Anführer, er war einen halben Meter größer als seine Gefährten und fast so groß wie ich. Alle drei trugen eine merkwürdige, silber- und grafitfarbene Panzerung, die ich nie zuvor gesehen hatte. Das Trio blickte in die andere Richtung, also konnte ich nicht ausmachen, ob ihre Augen silbrig waren, aber ihre Haut war extrem glatt und hatte eine satte, dunkelblaue Farbe. Jeder von ihnen trug einen sonderbaren Helm auf dem Kopf mit einem geometrischen Design, wie ich es nie zuvor gesehen hatte. Aber das kurioseste überhaupt waren die absonderlichen Apparate, die aus ihrer Rückseite nahe ihrem Schädelknochen herausragten. Die gebogenen Geräte sahen aus wie—nein.

      Das war unmöglich.

      Der Anführer machte einen Sprung, sein Körper legte mit einem Satz den halben Weg bis zur Höhle zurück und seine Hände und Füße fanden an der Felswand Halt. Er begann nach oben zu klettern.

      Die Frau verschwand in der Höhle und der Anführer kletterte ihr mit neuem Elan hinterher, als befürchtete er, dass sie entkommen könnte.

      Als der zweite blauhäutige Hive ebenfalls hochsprang, konnte ich mich nicht länger zurückhalten.

      Ich preschte vorwärts und meine Bestie tobte, als ich ihm den Kopf von den Schultern riss. Sein Blut bedeckte meine Hände, es war ein dickflüssiger, klebriger schwarzer Schlamm, den ich nie zuvor gesehen hatte.

      Die Hive bestanden überwiegend aus integrierten biologischen Lebewesen von den uns bekannten Planeten. Prillon Prime. Everis. Trion und hunderten anderer Welten.

      Keine von denen hatten schwarzes Blut.

      Als der erste Hive zu Boden sackte hielt der zweite inne, um auf mich herabzublicken. Irgendeine merkwürdige Verbindung zwischen ihnen hatte ihn alarmiert.

      Der Anführer stoppte ebenfalls und sie tauschten einen Blick miteinander aus, bis der Anführer kurz nickte, als würde er einen Befehl—oder eine Erlaubnis—erteilen und der untere Hive sprang wieder zu Boden, um es mit mir aufzunehmen.

      Noch eine bizarre Erscheinung. Bei den Hive gab es keine Kommandos dieser Art und keiner von ihnen hatte je die Befehlsmacht. Ihre Befehle kamen von einer zentralen Strategie- und Kommandozentrale und diese wurde nie auf dem Schlachtfeld riskiert.

      Auf leichtem Fuße landete er direkt vor mir und richtete sich auf. “Lassen sie uns allein, Kriegsfürst.”

      Was zum Teufel war hier los? Seine Stimme klang … normal. Wie bei jeden anderem Mann auch. Kein gekünsteltes Gerede. Kein komischer Rhythmus oder computerbasierter Gleichklang. Er hörte sich … einzigartig an. Wie ein Individuum.

      Und das entsprach nicht den Hive.

      Als der Anführer weiter kletterte und sich Stück für Stück dem Höhleneingang und der Frau, auf die er es abgesehen hatte, näherte, war es meiner Bestie scheißegal, was dieser blaue Typ in seiner Silberrüstung war und was nicht. Die Bestie wollte ihn in Stücke reißen und weiterziehen.

      Aber der Mann in mir hatte immer noch das Sagen, gerade so


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