Der himmlische Weihnachtshund. Petra Schier

Der himmlische Weihnachtshund - Petra Schier


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war kindisch, das sagte sie sich, sooft der Gedanke doch an die Oberfläche ihres Bewusstseins gespült wurde. Leider war das weder Trost noch Motivation für sie. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, und ganz gleich, wie sehr sie sich auch einredete, dass dazu keinerlei Grund bestand, ließ es sich doch nicht einfach ablegen.

      Um sich von den wenig nützlichen Gedanken abzulenken, leerte sie die Brötchen und Hörnchen in einen kleinen Brotkorb und stellte ihn auf die Anrichte. Wenn Inge nachher kam, würde sie sich wie immer zuerst davon bedienen, bevor sie sich an die täglichen Arbeiten machte. Fiona wollte gerade eines der Vollkornbrötchen aufschneiden und mit Butter bestreichen, als sie hörte, wie die Eingangstür geöffnet wurde. Sie fluchte stumm, weil sie wieder einmal vergessen hatte, sie abzuschließen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es erst zwanzig vor acht war.

      »Hallo? Ist jemand da?« Hörte sie eine angenehm dunkle Männerstimme rufen. Dann etwas leiser: »Schon gut, schon gut, du brauchst keine Angst zu haben, Kleine. Dir passiert schon nichts. Julia hat gesagt, dass die Frau Doktor eine ganz Nette ist.«

      Fionas Mundwinkel zuckten belustigt. Rasch legte sie Brötchen und Messer beiseite, klopfte sich die Krümel von den Händen und eilte nach vorne. »Guten Morgen. Entschuldigen Sie bitte, aber eigentlich hat die Sprechstunde noch nicht be…« Sie stockte, als sie sah, wer der frühe Besucher war. Wenn sie ihm auch seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr gegenübergestanden hatte, erkannte sie ihn dennoch auf den ersten Blick. Nicht zuletzt, weil er durch diverse Werbespots, Plakate sowie öffentliche Auftritte von sich Reden gemacht hatte. Ihr Herz machte einen unangenehmen Satz und holperte danach unregelmäßig. Sie schluckte und riss sich zusammen. »Hallo, Michael.« Da ihre Stimme ein wenig kratzig klang, räusperte sie sich und konzentrierte sich dann auf den kleinen Hund, den er im Arm hielt. »Wen hast du denn da mitgebracht?«

      »Entschuldigen Sie, kennen wir uns?« Irritiert musterte er sie von Kopf bis Fuß. Offenbar hatte er sich nicht die Mühe gemacht, das Namensschild neben ihrer Tür zu lesen. Er schien angestrengt zu versuchen, ihr Gesicht einzuordnen. Sie konnte den Moment geradezu spüren, in dem die Erkenntnis ihn durchfuhr. »Fiona?« Ungläubig starrte er sie an. »Bist du es wirklich?«

      »Live und in Farbe«, bestätigte sie spröder als beabsichtigt und strich sich mit der linken Hand ihr kinnlanges brünettes Haar hinters Ohr. Dann fiel ihr Blick erneut auf das inzwischen zappelnde Bündel auf seinem Arm. »Liebe Zeit, lass sie doch runter. Sie kann doch selbst laufen. Oder ist sie verletzt?«

      Sichtlich verdutzt über ihren kühlen Ton ließ er den jungen Labrador tatsächlich zu Boden. »Nein, sie ist nicht verletzt. Zumindest hoffe ich das. Ich habe sie eben gefunden – in einer Mülltonne.«

      »Was?« Entsetzt ging Fiona in die Hocke. Sofort tapste die kleine Hündin auf sie zu, beschnupperte sie und leckte ihr über die ausgestreckte Hand. »In was für einer Mülltonne? Wo? Das muss ich sofort melden!«

      »Oben auf der Rosenstraße hundertdreißig«, antwortete Michael. Sein Blick wanderte noch immer verwundert über ihr Gesicht. »Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass jemand von dort den Hund ausgesetzt hat. Das ist ein Altenheim.«

      »Schon möglich, aber trotzdem muss ich … Hey!« Lachend wehrte Fiona die Hündin ab, die versuchte, an ihr hochzuklettern. Schnell richtete sie sich wieder auf. »Es ist gut, dass du sie hergebracht hast. Ich kümmere mich um sie und werde sie dann später vom Tierheim abholen lassen.«

      Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, als der kleine Hund jämmerlich zu wimmern und zu jaulen begann und wie der Blitz unter einen der Stühle im Wartebereich floh.

      »Nanu?« Verblüfft hob sie die Brauen. »Was sollte das denn?«

      Michael zuckte die Schultern. »Als ich das Wort Tierheim vorhin zu ihr gesagt habe, ist sie auch fast ausgeflippt. Beinahe so, als verstünde sie, was damit gemeint ist. Das scheint ihr nicht zu gefallen.«

      Skeptisch sah Fiona ihn an. Dabei fielen ihr der feuchte Fleck und die schmutzigen Pfotenabdrücke auf seinem Sweatshirt auf, und sie musste an sich halten, um das Grinsen zu unterdrücken, das sich ihr auf die Lippen stehlen wollte.

      Er folgte ihrem Blick und räusperte sich verlegen. »Wie gesagt, sie steckte in dem Container.«

      »Und sie hat dich angepieselt.«

      Vor Freude, Leute, nur vor Freude, endlich aus dem stinkenden Loch herauszukommen! Tut mir leid, so was passiert mir sonst nicht. Vielleicht sollte ich unter dem Stuhl vorkommen und mich noch mal entschuldigen. Seht ihr, hier bin ich. Und ich bin auch ganz brav und stubenrein. Na ja, fast. Und hier riecht es irgendwie gut nach Brötchen. Gibt es was zu fressen? Ich habe solch einen Hunger!

      »Sieh dir das an. Sie bettelt um deine Aufmerksamkeit.« Fiona blickte halb entzückt, halb gereizt auf die Hündin hinab. »Aber das scheint ja symptomatisch zu sein. Sie ist schließlich weiblich.«

      »Wie bitte?« Irritiert blickte Michael sie an. »Was soll das denn heißen?«

      »Ach, komm schon!« Fiona funkelte ihn an, und diesmal siegte der Ärger. »Tu nicht so, als wüsstest du nicht, dass dir die Frauen zu Füßen liegen. Man kann es oft genug in den Klatschblättern lesen. Der Erbe des Sahler-Imperiums und sein Harem.«

      Michaels Miene verfinsterte sich. »Also, Imperium ist wohl ein wenig übertrieben, findest du nicht? Und einen Harem besitze ich auch nicht.«

      »Nein, zumindest bisher hast du die Damen nicht gleichzeitig bespaßt, sondern nacheinander verschlissen«, gab sie widerwillig zu. »Aber«, fuhr sie fort, bevor er etwas erwidern konnte, »das geht mich nichts an und interessiert mich auch nicht. Wichtig ist, dass wir etwas für die Kleine hier tun. Komm mal her, Süße.« Sie hob nun ihrerseits den Welpen hoch und trug ihn ohne ein weiteres Wort hinüber in eines der Behandlungszimmer. Dort setzte sie das Tier auf den Untersuchungstisch und ließ diesen langsam hochfahren, bis er sich für sie auf Arbeitshöhe befand. Michael war ihr gefolgt. Sie winkte ihn näher. »Halt sie mal fest, damit sie nicht runterfällt, während ich sie untersuche.«

      Routiniert tastete Fiona die kleine Labradordame ab, schaute ihr in die Ohren und in die Schnauze, maß die Temperatur. Zufrieden tätschelte sie ihr danach den Kopf. »Du scheinst ja ganz gesund zu sein. Aber du hast natürlich weder Halsband noch Hundemarke und erst recht keinen Impfpass. Sicherheitshalber werde ich also wohl alle nötigen Impfungen durchführen und einen Pass für dich anlegen. Gechipt bist du auch nicht, aber das hätte mich auch gewundert. Ich verstehe einfach nicht, wie man ein lebendiges Wesen einfach in eine Mülltonne stecken kann.«

      Während sie sprach, bereitete sie die Impfdosis vor.

      O nein, das ist nicht euer Ernst, oder? Nicht stechen, bitte! Hey, du, Michael, bitte rette mich vor der gemeinen Spritze! Ich tue auch alles für dich. Komm schon, das ist nicht lustig! Bitte nicht! Aua!

      »Ach herrje, ein kleiner Angsthase«, sagte Fiona und konnte sich eines Lächelns nicht erwehren, als sie sah, wie sich die Labradorhündin beim Anblick der Spritze heftig an Michael drängte und ihren Kopf in seiner Armbeuge versteckte. Als sie die Spritze setzte, fiepte die Kleine leise. »Schon vorbei, Süße. Siehst du. Schau mal, ich habe ein Leckerchen für dich.« Fiona griff in die Schale mit den selbstgebackenen Hundekeksen und hielt der Hündin einen vor die Nase. Er verschwand mit einem Happs in der Schnauze. »Du hast wohl Hunger, was? Möchtest du noch einen?« Sie bot der Kleinen noch einen weiteren Keks an, der ebenso rasch verschlungen war.

      Hey, die sind lecker. Bitte mehr davon! Mein Magen knurrt schon. Und Durst habe ich auch. Hallo, nicht weggehen! Da in der Schale sind noch ganz viele Leckerchen, das sehe ich genau. Lass mal noch welche rüberwachsen!

      »Sie ist bestimmt ausgehungert«, stellte Fiona fest und hob den Welpen vom Tisch herunter. »Ich habe hinten im Lagerraum etwas Hundefutter für alle Fälle. Normalerweise brauche ich ja nur das medizinische und Diätfutter, das einige meiner Patienten bekommen, aber zur Sicherheit habe ich immer auch normales Futter da. Man weiß nie, in welchem Zustand die Tiere hier eintreffen. Ich habe da schon Sachen erlebt …« Sie brach ab und eilte hinüber in ihre kleine Vorratskammer. Solange sie in Bewegung blieb und sich beschäftigte, musste sie sich nicht mit der Verwirrung auseinandersetzen,


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