Christsein und die Corona-Krise. George Augustin
nationaler Mächte entgegenzustellen vermag, die zum geringstmöglichen Preis den größtmöglichen Profit aus dem »gemeinsamen Haus« herausschlagen wollen – eine Governance nach dem Vorbild dessen, wozu die Gründerväter des geeinten Europa vom Format eines de Gasperi, eines Adenauer oder eines Schuman in der Lage waren! Wenn wir auf ihr Beispiel blicken, müssen wir uns fragen: Wie können wir die Egoismen und die Angst sowohl der Einzelnen als auch ganzer regionaler und nationaler Gemeinschaften überwinden, um ein größeres Gemeinwohl zu verwirklichen, das allen und in erster Linie den besonders Schwachen und Benachteiligten zugutekommt? Die Antwort kann nicht ohne eine breite Einbeziehung des Gewissens gegeben werden: Es gilt, sich selbst und andere dazu zu erziehen, den Traum von einer solidarischen Menschheit anzuerkennen, zu nähren und zu verwirklichen, die sich in den Dienst aller und insbesondere der Schwächsten stellt, um die Qualität ihres Lebens und ihrer Gesundheit zu schützen. Die Herausforderung betrifft uns alle in der ersten Person: Und genau hier erweist sich der Glaube an den Gott, der sich in Jesus Christus als Liebe geoffenbart hat, als kostbarer denn je.
Das hat Papst Franziskus der Kirche und der Welt am 27. März 2020 auf einem vollkommen leeren Petersplatz ins Gedächtnis gerufen, als er während der wunderschönen Andacht zur Zeit der Epidemie, die Millionen von Menschen auf den Bildschirmen verfolgten, in seiner Predigt sagte: »Seit Wochen scheint es, als sei es Abend geworden. Tiefe Finsternis hat sich auf unsere Plätze, Straßen und Städte gelegt; sie hat sich unseres Lebens bemächtigt und alles mit einer ohrenbetäubenden Stille und einer trostlosen Leere erfüllt, die alles im Vorbeigehen lähmt […]. Wir sind verängstigt und fühlen uns verloren. Wie die Jünger des Evangeliums wurden wir von einem unerwarteten heftigen Sturm überrascht. […] Der Sturm legt unsere Verwundbarkeit bloß und deckt jene falschen und unnötigen Gewissheiten auf, auf die wir bei unseren Plänen, Projekten, Gewohnheiten und Prioritäten gebaut haben. […] Es ist die Zeit, den Kurs des Lebens wieder neu auf dich, Herr, und auf die Mitmenschen auszurichten. Und dabei können wir auf das Beispiel so vieler Weggefährten schauen, die in Situationen der Angst mit der Hingabe ihres Lebens reagiert haben. […] Löschen wir die kleine Flamme nicht aus (vgl. Jes 42,3), die niemals erlischt, und tun wir alles, dass sie die Hoffnung wieder entfacht […]; unser Glaube ist schwach und wir fürchten uns. Du aber, Herr, überlass uns nicht den Stürmen. Sag zu uns noch einmal: ›Fürchtet euch nicht‹ (Mt 28,5). Und wir werfen zusammen mit Petrus ›alle unsere Sorge auf dich, denn du kümmerst dich um uns‹ (vgl. 1 Petr 5,7).«
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