10 Galaktische Abenteuer Box 4. divers
sie.
Weil ich mich in dich verliebt habe, du dummes Ding! wollte Reed antworten, stattdessen kam nur ein undeutliches Gemurmel über seine Lippen.
„Ich will nicht, dass Sie mich für einen skrupellosen Menschen halten, der die Gefühle anderer missachtet. Deshalb! Und es bringt uns nichts ein, wenn wir uns voneinander abkapseln.“
„Sie haben recht“, gab sie nach einer Weile zu und versuchte ein Lächeln. „Na endlich!“ Reed atmete auf.
*
Christine erkannte, wie unsinnig es war, Christopher Reed gegenüber den Trotzkopf zu spielen. Sie war anfangs wirklich wütend auf ihn gewesen, weil er die Gefühle der Planetarier, die auf ihre Weise ebenso verloren waren wie sie selbst, scheinbar eiskalt für seine Zwecke missbrauchte. Inzwischen wusste sie, dass es notwendig gewesen war. Aber sie hatte erst jetzt ihre ablehnende Haltung aufgegeben.
Sie wusste, dass er sich für sie interessierte, und sie fühlte sich ebenfalls zu ihm hingezogen.
„Sie haben Recht“, wiederholte sie. Dann brach es aus ihr heraus, und sie unterhielten sich über viele Dinge und viele Fragen, die sie beschäftigt hatten während dieser Tage. Und es tat gut, zu sehen, dass auch andere Menschen die gleichen Probleme bewegten.
Der Lautsprecher machte sie darauf aufmerksam, dass es in einer Minute soweit war. Sie standen kurz vor der Überlichtetappe. Sie hatten ihre Piloten nicht gefragt, welche Wirkungen der Übergang auf sie haben würde, weil sie nicht wieder Verdacht erregen wollten. Aber sie nahmen an, dass es so sein würde wie auf den Walzen.
„Wir sollten zu den anderen gehen, bevor's losgeht“, meinte Christine. Aber eine Frage brannte ihr noch auf der Zunge.
„Der Alte“, murmelte sie kopfschüttelnd. „Er ist nicht von der Krankheit befallen, macht immer wie zufällig die wichtigsten Entdeckungen und rettet uns im letzten Augenblick, indem er den Loorden den Namen der Welt verrät, die nur sie kennen können! Wer ist er, Chris, was weiß der Kerl? Langsam wird er mir unheimlich.“
„Mir auch“, gab Reed zurück. „Hast du ihn eigentlich beobachtet, als die Gelben ihren telepathischen Bericht gaben?“
„Wieso?“
„Er hatte aufgehört zu grinsen. Fast hatte ich den Eindruck, er wäre voll bei der Sache. Das war das erste Mal, dass ich ihn so ernst sah, fast zu ernst.“
„Wer ist er, Chris?“ Sie waren beide aufgestanden und hatten sich auf den Weg in die Zentrale des Schiffes gemacht, wo die anderen sich aufhielten.
„Vielleicht bekommen wir die Antwort noch früh genug“, meinte Reed und legte den rechten Arm um die Taille der Frau, als sie im Verbindungstrakt zur Zentrale standen. Ein akustisches Signal deutete die letzten Sekunden vor dem Überlichtflug an.
„Nicht, Chris!“, presste Christine leise zwischen den Lippen hervor. „Wir sind krank, nicht normal!“ Sie musste sich zwingen, weiterzugehen und nicht zurückzuschauen. Tränen traten in ihre geschwollenen Augen. Christine dachte an die wundervolle Nacht in der kleinen Bucht an der Westküste. Kaum eine Woche war dies her, und doch trennten sie Welten von der glücklichen Christine, die aus Übermut mit einem Fischerjungen geflirtet hatte.
Skip! fuhr es ihr durch den Kopf. Immer noch schwieg er. Sie hatte den Eindruck, als sei die Krankheit bei ihm bereits weiter fortgeschritten. Irgendetwas tat sich in ihm, aber er redete nicht darüber.
„Irgendwann stoßen wir auf das ,Du' miteinander an, Chris, irgendwann holen wir all das nach, was uns hier versagt bleibt.“ Sie hörte die Antwort wie aus weiter Ferne. Bevor sie die Zentrale erreichten, sagte Christopher Reed noch: „Ich verspreche es.“
Dann tauchte das Schiff in einen für menschliche Sinne nicht fassbaren Raum ein.
6.
Die Welt unter ihnen war Caalis. Grünschimmernd zog der Planet seine Bahn um eine gelbe, kleine Sonne, die die Menschen auf den ersten Blick an die Sonne der Erde erinnerte. Aber schon bald darauf wurden jegliche Spekulationen in dieser Richtung beendet.
Caalis hatte keinen Mond. Das war alles, was die Primitiven von der Erde selbst feststellen konnten. Die Daten, die ihnen ihre Begleiter von Loord übermittelten, waren noch eindeutiger. Diese Sonne besaß nur diesen einzigen Planeten.
Aber Caalis war nicht das, was sich die Menschen ausgemalt hatten. Insgeheim hatte wohl jeder von ihnen gehofft, eine hochzivilisierte Welt vorzufinden.
Aber dort, vor ihnen auf den Schirmen, drehte sich ein Dschungelplanet im All. Nirgendwo waren Spuren einer Zivilisation zu entdecken. Nirgendwo Hinweise auf die mysteriösen Unsterblichen.
Was bedeutete das eigentlich: Der Schritt, der die ewige Erfüllung des Lebens bringen sollte? Die Gedankenbilder der Loorden waren vage gewesen. Alles, was die gelb gekleideten Fremden, die eine so große Ähnlichkeit mit den Menschen der Erde hatten, über diese Unsterblichen und Caalis, über die Mission der Schiffe (womit eindeutig die Walzen gemeint waren) und die angestrebte Entwicklung ihrer Rasse wussten, schien das Ergebnis einer jahrtausendelangen Mythenbildung zu sein.
Die einzige Tatsache, die als sicher galt, war die, dass die so genannten Unsterblichen, wer immer sie auch sein mochten, vor kurzer Zeit Loord verlassen hatten und sich auf den Weg nach Caalis gemacht hatten.
Irgendwo dort unten warteten sie auf sie. Die Menschen gaben es auf, sich danach zu fragen, weshalb ausgerechnet eine verwilderte, urzeitliche Dschungelwelt so wichtig für diese Wesen sein sollte. Vielleicht würden sie hier eine Erklärung finden für all das, was an Fragen aufgetaucht war, seitdem sie entführt worden waren. Sie spürten den Hauch des Geheimnisses, und oft vergaßen sie darüber die mörderische Krankheit, die sie von innen her auffraß.
Christopher Reed verhandelte wieder lange mit den Loorden, wobei er auf jedes Wort achtete. Er berief sich auf die lange Zeit im All und die daraus resultierenden Erinnerungslücken, verstand es immer wieder, die Loorden reden zu lassen und zog seine Schlüsse aus ihren stereotypen Antworten.
Am Ende der „Besprechung“ stand schließlich eine vage Vorstellung von dem Punkt auf dem Planeten, wo die Station der Unsterblichen, in die sie sich zurückgezogen hatten, zu suchen sei. Dieser „Punkt“ hatte allerdings einen ungefähren Durchmesser von einigen hundert Kilometern. Reed nahm an, dass ihre Begleiter, die über gewisse telepathische Kräfte verfügten, nach der Landung in der Lage sein würden, ihre Herren und Meister zu espern.
Nach einer weiteren Umrundung des Planeten ließen sie den Diskus in dem anvisierten Kreis landen. Sie fanden eine große Lichtung inmitten von undurchdringlich scheinendem Ranken-, Baum- und Buschdickicht und ausgedehnten Sumpfgebieten.
Bevor das Schiff den Boden berührte, brach Skip in der Zentrale zusammen. Er schien tatsächlich stärker unter der rätselhaften Krankheit zu leiden als die Erwachsenen. Einige an Bord werteten es als ein schlechtes Omen.
Hätten sie gewusst, auf welcher Höllenwelt sie sich nun befanden, wäre ihnen die Seuche vergleichsweise harmlos vorgekommen.
*
Die Landung des Schiffes blieb auf Caalis nicht unbemerkt. Unsichtbare Beobachter und unvorstellbar feine Sensoren registrierten den Diskus und drangen durch die Hülle in das Innere ein. Daten über jede Einzelheit, über jede Person an Bord flossen stoff- und lautlos einem gemeinsamen Zentrum zu.
Irgendwo dort wurden die Informationen aufgenommen und ausgewertet. Normalerweise hätte eine eindeutige Entscheidung am Ende der Sondierung gestanden. Doch das, was sich hinter dem perfekten System verbarg, das alles lenkte und alle Entscheidungen traf, wartete ab.
Eine Komponente passte nicht in das Bild.
Aber es war auch etwas in dem stummen Beobachter selbst, das ihn zögern ließ. Etwas, das Unsicherheit signalisierte.
Weitere Informationsströme erreichten das Zentrum allen Seins und die Wesen, die erst vor wenigen Zeiteinheiten