Mein Speck kommt von eurem Dreck!. Imre Kusztrich

Mein Speck kommt von eurem Dreck! - Imre Kusztrich


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der Person für faul, gefräßig und willensschwach.

      Jedem Übergewicht liegt eine Stoffwechselstörung zu Grunde. Die Gesellschaft ist alarmiert. Vermutlich bereits neun Millionen Deutsche sind im Jahr 2020 wegen Zuckerkrankheit in Behandlung – es gibt immer noch nicht ein bundesweites Register. Bei ihnen wurde die Störung zum Leiden. Die Dunkelziffer noch Ahnungsloser und Unbehandelter ist groß. Die Kosten sind kaum noch finanzierbar. Herz-Kreislauf-Leiden fordern jedes Jahr mehr Opfer als jede andere Todesursache. Sogar Krebs entsteht, weil Menschen nicht nur zu viel, sondern auch das Falsche essen.

      Das alles geschieht vor einem Hintergrund, der uns alarmieren müsste. Das passiert aber nicht. Seit den 1960er Jahren wird die Ernährungswissenschaft von zwei gegensätzlichen Auffassungen dominiert. Auf der einen Seite glauben die Fachleute zu wissen, wie man sich gesund ernährt und ein vernünftiges Gewicht behält. Auf der anderen Seite zeigen die immens ansteigenden Zahlen zu Übergewicht und zu Diabetes, zu nicht-alkoholischer Fettleber und weiteren Stoffwechselerkrankungen, dass unser Denken gravierende Fehler enthält.

      Von 1980 bis heute hat sich die Zahl der Übergewichtigen in 73 Ländern verdoppelt. In 113 weiteren ist sie angestiegen. Keine einzige Regierung kann bisher dieses Problem lösen. Aus 13 Prozent Bevölkerungsanteil korpulenter Menschen wurden innerhalb von drei Generationen 40 Prozent. Statt einem von 100 Menschen mit Zuckerkrankheit sind es heute nahezu zehn.

      So viel ist klar: Abermillionen Menschen wurden 50 Jahre lang falsche Botschaften vermittelt. Von der Zuckerindustrie. Von den Medien. Von der Politik. Auch von der Wissenschaft. Immer wieder: Der Konsum von Fett macht fett und herzkrank. Vermeidet Fett, esst fettarm.

      Sogar die Politik ließ sich instrumentalisieren. Heute wissen wir: Die Ernährungspyramide der 1990er Jahre wurde von Lobbyisten der Getreidefarmer mitentworfen. Die Angaben waren wie in Stein gemeißelt. Nein zu Butter und fettem Fleisch. Ja zu Brot und Backwaren und damit unausgesprochen ja zu Süßigkeiten. Optisch sah es so aus: An der Spitze Fette, Öle … möglichst sehr wenig. Direkt darunter Milch, Käse, Eier … möglichst wenig. Ganz unten Brot, Nudeln, Reis, Kekse … erlaubt. Inzwischen wird die Pyramide durch einen Kreis ersetzt. Aber sie steckt heute noch in unseren Köpfen. Die Nahrungsindustrie kassierte vom ersten Augenblick mit angepassten Produkten ab. Margarine. Magerquark. Low Fat-Wurst. Fruchtjoghurt. Marmelade. Fruchtsäfte. Backwaren. Und vor allem jede Menge Süßes als Ersatz für ein saftiges Stück Fleisch.

      Pharmakonzerne steuerten Medikamente gegen Blutfette und Appetitzügler bei. Welche langfristigen Folgen diese Eingriffe haben, ist übrigens noch nicht abzusehen. Der Körper lässt sich nicht ohne Gegenwehr bei Blutdruck, bei Cholesterin und Triglyceriden oder beim Speichern von Stoffwechselüberschuss dazwischenfunken.

      Mehr als die Hälfte unserer Energie wird aus industriell hergestellten Nahrungsmitteln mit einem hohen Anteil an speziell verarbeiteten Kohlenhydraten bezogen. Gerade diese denaturierten Kohlenhydrate sind der kritischste Faktor in der Entwicklung der chronischen Volkskrankheiten. Diabetes, Metabolisches Syndrom, Bluthochdruck, Fettleibigkeit, Herzkrankheiten, Gefäßerkrankung, Schlaganfall. Womöglich auch Krebs.

      Fettgewebe werden stillgelegt

      Unsere Billionen Körperzellen brauchen Kohlenhydrate aus dem Blut zur Herstellung ihrer eigenen Energie. Alle werden als Zucker oder Glukose bezeichnet, Mehl zum Beispiel, auch Stärke und Cellulose, obwohl der Großteil ohne Süßgeschmack ist. Das Wort Zucker wurde aus der altindischen Bezeichnung für Grieß, Geröll, Kies abgeleitet.

      Zur Unterstützung dieses Prozesses mobilisiert der Organismus das Hormon Insulin. Dieser Botenstoff aus der Bauchspeicheldrüse erleichtert Kohlenhydraten den Übergang in die Zellen … und übermittelt gleichzeitig den Fettgeweben eine logische Botschaft. Und zwar: Es wird aktuell im Blut genügend Energie angeboten, weshalb eure gespeicherten Reserven im Augenblick nicht gebraucht werden. Kohlenhydrate und Insulin stoppen jeden Abbau von als Fett gespeicherter Energiereserve in den Fettgeweben! Der Betrieb unserer Prozesse durch Umwandlung von Speicherfett wäre auch wesentlich aufwändiger. Die Information des Botenstoffs Insulin an die Fettgewebe, ihr Fett zu behalten, wäre ganz unproblematisch, würde sie nicht andauernd erfolgen. Bis zu 21 Stunden am Tag. Die Fettgewebe als Energiespender kommen nicht mehr vor.

      Denn im Körper von vielen Millionen Menschen sind die Verhältnisse im Stoffwechsel grundsätzlich gestört. Sie nehmen wiederholt Nahrung auf, so dass sie inklusive Verweildauer von früh am Morgen bis weit nach Mitternacht das System beschäftigt. Immer ist Insulin dabei. Das verursacht eine Reihe von Problemen. Die Bereitschaft der Körperzellen, auf die Empfehlung dieses Hormons zu reagieren und Nahrung zu verarbeiten, erlahmt. Man spricht von abnehmender Insulinsensibilität. Am Ende wird sie zur Insulinresistenz. Zum Widerstand der Körperzellen gegen die Aufnahme der angebotenen Nahrungsmoleküle aus dem Blut. So verbleibt noch mehr unverbrauchte Nahrung im Blut. Sie wird vom System als Überschuss eingestuft, während einzelne Zellen in Wahrheit unter diesen Verhältnissen sogar hungern. Der Spiegel dieser Zuckermoleküle im Blut bleibt hoch. Am Ende werden sie aufwändig in Fettmoleküle umgewandelt und weggespeichert.

      Das hat dramatische Konsequenzen, prinzipiell auch schon für schlanke Menschen, jedoch schwerwiegender in einem schweren Körper. Zum Beispiel: Organe oder Körperbereiche gehen bei der Nahrungsversorgung leer aus. Am Ende sterben sie ab, während Fettzellen sich ausdehnen. Man spricht vom diabetischen Fuß, dem als lebenserhaltende Maßnahme die Amputation droht, und vom Verlust des Sehvermögens, weil die Netzhaut degeneriert. Viele Zusammenhänge wurden erst allmählich durchschaut.

      Beginnen wir mit Diabetes. Die Zuckerkrankheit mit hohem Blutzuckerspiegel wurde lange Zeit als Krankheit mit geringer Bedeutung eingestuft. In den letzten vier Jahrzehnten ist die Zunahme an Patientinnen und Patienten mit dieser Diagnose explodiert. Heute wird sie als eine Hauptbedrohung der Gesundheit in aller Welt eingeschätzt. Ursachen sind zu viel Kohlenhydrate und die verminderte Wirkung des Hormons Insulin, die Insulinresistenz, sowie als Kompensation die abnorm höher werdende Freisetzung dieses Botenstoffes aus der Bauchspeicheldrüse. Dadurch wird der Insulinspiegel im Blut dramatisch erhöht. Insulin hat Signalwirkung auf weitere Hormone. Dieser Einfluss kippt ins Negative, wenn zu viel Insulin den Ton angibt. Auch der Blutdruck steigt.

      Je höher der Insulinspiegel, desto schwächer werden im Gehirn die Botschaften des Sattsein-Hormons Leptin empfangen. Gerade die Verarbeitung von Industriefructose ist nicht mit einem Gefühl der Sättigung verknüpft. Das Gehirn hat wie bei Beginn des Essens weiterhin den Wissensstand, dass die Nahrungsaufnahme noch nicht gereicht hat – während in Wahrheit die Fettgewebe noch von der letzten Mahlzeit prall gefüllt sind. Es ist der Beginn einer Kettenreaktion an Fehlern. Die Aktivitäten der Systeme für Energieaufnahme und Energiespeicherung spiegeln nicht die tatsächlichen Verhältnisse wider. Sie bleiben hochaktiv. Jeder weitere Bissen sendet kontinuierlich an die grauen und weißen Zellen Belohnungssignale, die den Appetit wachhalten. Mehr Kohlenhydrate, mehr Industriefructose erzeugen mehr Insulinresistenz … ein Kreislauf von Verzehr und Krankheit: zu hoher Insulinspiegel, gestörter Fettstoffwechsel, Gefäßschädigungen, Fettleibigkeit.

      Gleichzeitig nimmt die Wahrscheinlichkeit einer starken Nierenbelastung zu. Es werden mehr Eiweiße ausgeschieden, die jedoch im Blut dringend für den Transport von Hormonen, Vitamin D, Fettsäuren, Enzymen, Magnesium, Calcium, Kupfer und Medikamentenstoffen gebraucht werden. Über diese Kettenreaktion – mehr Insulin, mehr Fette, mehr Zucker, höherer Eiweißverlust – steigen dauerhaft die Risiken der Entstehung von Arteriosklerose, sowie Diabetes. Das setzt die Insulinresistenz als Bedrohung auf eine Stufe mit Bluthochdruck, Blutfetten und Blutzucker bei Schädigungen der Blutgefäße. Insulin ist nicht die Ursache, aber mitentscheidend bei krankhaften Veränderungen der Gefäßwände, bei ihrer Verhärtung, Verdickung und beim Elastizitätsverlust, einem Zustand, der als Arterienverkalkung und Arteriosklerose bezeichnet wird.

      Es gäbe Auswege. Die Situation ist sehr bekömmlicher, wenn Zuckermoleküle aus verzehrten Kohlenhydraten nur langsam das Blut erreichen. Dann hat die Bauchspeicheldrüse ausreichend Zeit, Insulin viel langsamer und kontinuierlicher zu produzieren. Das ist gegeben, wenn die Verdauungsorgane mit komplexen Kohlenhydraten aus


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