Lieblingsplätze Lahntal. Andrea Reidt

Lieblingsplätze Lahntal - Andrea Reidt


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handbetriebene Schleusen, ein Dutzend davon mit Service durch Schleusenwärter? Und in Weilburg durchquert man den einzigen Schifffahrtstunnel Deutschlands. Das Schienennetz der Bahn verläuft parallel zum Fluss; es ist leicht, in Etappen zu wandern, zu rollen, zu gleiten.

      Einst mussten Fuhrleute ihre Wagen durch so manche Flussfurt manövrieren. Inzwischen gibt es genug Brücken aus Holz, Stein, Stahl, Beton; wie viele weiß niemand genau. Es dürften mindestens 150 Übergänge sein: Schwimmende Ponton-Sommerbrücke in Wetzlar, eleganter Stahlseil-Steg in Gießen, wuchtige Balken-Eisenbahnbrücke in Lahnstein, 80-Millionen-Euro-Autobahnbrücke bei Limburg in spektakulärer Höhe. Nicht zu vergessen die ältesten Lahnbrücken: Wetzlar, Limburg, Weidenhausen in Marburg.

      Wir befinden uns in einer geschichtsträchtigen Region, in der Kelten, Römer, Alemannen, Franken siedelten. Die Wurzeln des niederländischen Königshauses und der luxemburgischen Großherzöge reichen ins Lahntal. Die Nassauer Adelsfamilien, die Mainzer Erzbischöfe, die Landgrafen von Thüringen und Hessen rivalisierten um Territorien und vermehrten ihren Besitz durch geschickte Heiratspolitik. Im 19. und 20. Jahrhundert entdeckten Künstler, Literaten und Heimatforscher das Lahntal, verewigten es in Landschaftsgemälden, Poesie und Märchen über freche Froschkönige, traurige Mädchen in Rapunzeltürmen, gierige Wölfe und Liebesleid. In Wirklichkeit lebten im Lahntal allerhand Fantasten und Visionäre mit verrückten und sensationellen Ideen. Und wenn sie nicht alle schon gestorben wären, so lebten sie noch heute.

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      Netphen: Lahnquelle bei Lahnhof im Rothaargebirge

      Ich glaub, ich träume. Bin ich wieder im Allgäu, in dieser herrlichen hügeligen Voralpenlandschaft? Das Rothaargebirge. Die Wanderroute Rothaarsteig verbindet Brilon im Sauerland mit Dillenburg im südlichen Lahn-Dill-Bergland. Auf dem Rothaarkamm verläuft die Wasserscheide zwischen Rhein und Weser; die Haincher Höhe bei Netphen wiederum scheidet Lahn und Sieg. Denn die Quellen der Lahn, Sieg und Eder sickern hier im Abstand von wenigen Kilometern ans Tageslicht und streben voneinander fort.

      Die Lahn »entspringt« eigentlich nicht, sondern bildet im Untergrund des kleinen Naturschutzgebiets Auerhahnwald Rinnsale, die sich zu einem runden Tümpel hochschaffen, dem Lahntopf in Lahnhof auf 607 Metern Höhe, Start oder Station mehrerer Wanderwege. Spaziert man im Hochsommer um den von einer giftgrünen Algenschicht bedeckten Quellteich, aus dem Aststücke ragen, rührt sich da kein Wässerchen; er wirkt wie ein Land-Art-Werk von Kurt Fleckenstein. Etwas weiter verbindet eine Viehbrücke zwei Kuhweiden, damit das Bächlein unter ihr geschont wird – unsere Lahn, da ist sie, nackt und armselig.

      So wie äußere Anregungen den Charakter eines Menschen sein Leben lang beeinflussen, formt der Einfluss anderer Gewässer die Lahn. Ilse heißt eine ihrer ersten Freundinnen, in Heiligenborn steigt sie aus dem Boden, schon in Feudingen vereint sie sich mit ihr. Die Lahn nimmt während ihrer Reise durch sechs Landkreise in drei Bundesländern 104 Bäche und Flüsse in sich auf, bevor sie sich nach 245 Kilometern selbst als fünftgrößter Nebenstrom in den Rhein ergießt. Ihr längster Nebenfluss, die knapp 60 Kilometer lange Ohm, gesellt sich ihr bei Cölbe zu, gefolgt von Dill, Aar und Weil. Das kürzeste namentlich bekannte Wasser, das sich der Lahn anschließt, ist der 1,2 Kilometer messende Untere Ansbach im Kreis Limburg-Weilburg.

      Sehr gut ausgeschildert sind der Lahntalradweg und der Lahnwanderweg mit Start in Lahnhof und Ende in Lahnstein am Rhein.

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      Lahnquelle

      Startpunkt Wanderung: Forsthaus Lahnquelle

      Lahnhof 1

      57250 Netphen

      Organisierte Touren ab der Lahnquelle:

      Velociped Fahrradreisen

      Alte Kasseler Straße 43

      35039 Marburg

      06421 886890

       www.velociped.de

      Bad Laasphe: Stadt im Wittgensteiner Land

      Bad Laasphe im südlichen Wittgensteiner Land überwand die Hürden zur Zertifizierung als Kneipp Premium-Class, von diesen Bädern gibt es in Deutschland nur wenige. Spaziert man durch die hervorragend erhaltene Altstadt, wird einem klar, wie bedeutsam Stadtmarketing ist. Wie in anderen Kleinstädten auch stehen zahlreiche Geschäftsflächen leer und so mancher Laden leistet sich mangels Kundschaft eine Mittagspause von zwei Stunden. Die Stadtoberen kaschierten diese Not vorbildlich mit Tugend und statteten gähnende Schaufenster mit Tafeln und Objekten zu Sehenswürdigkeiten aus. 19 Bronzetafeln an historisch bemerkenswerten Gebäuden geben Erläuterungen.

      Die Kirche von 1230 ist der älteste erhaltene Bau Bad Laasphes, der behelmte Turm 500 Jahre jünger; er wirkt, als habe ein Riese ihm einen Hut übergestülpt. Laasphes Sohn Johannes Bonemilch kam zu einem Nachruhm, den er vermutlich als Makel ansehen würde: Als Weihbischof des hessischen und thüringischen Erzbistums Mainz weihte er 1507 Martin Luther im Erfurter Dom zum Priester. Bonemilch starb 1510, noch vor Luthers reformatorischer Wandlung.

      Bad Laasphe hat 16.000 Einwohner in 24 Ortschaften, in der Kernstadt leben 6.000 Menschen. Im waldumschlossenen Weiler Heiligenborn im Rothaargebirge unweit der Lahnquelle, im Winter gelegentlich eingeschneit, stehen noch fünf Häuser, darunter die ehemalige Schule, und es gibt einen alten Friedhof. Bis Ende der 1960er-Jahre wanderten die Kinder des Dorfes Sohl gut drei Kilometer nach Heiligenborn zum Unterricht. Sohl hat heute 35 Einwohner. Heiligenborn ist eines der um 1700 von den Grafen Wittgenstein gegründeten »Kanondörfer«, deren Siedler roden sollten und zum Ausgleich nur geringe Steuer (den Kanon) zahlten. Heiligenborn passiert man auf dem Lahnwanderweg, es gehört zum Bad Laaspher Stadtteil Banfe.

      Sehenswert: Industriemuseum Amalienhütte, Heimatmuseum Oberes Lahntal, Pilzkundemuseum, Radiomuseum und (alte) Druckerei Ernst Schmidt.

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      Altstadt Bad Laasphe Rund um den Kirchplatz

      57334 Bad Laasphe

      TKS Tourismus, Kur und Stadtentwicklung Bad Laasphe

      Wilhelmsplatz 3

      57334 Bad Laasphe

      02752 898

       www.tourismus-badlaasphe.de

      Biedenkopf: Perfstausee im Lahn-Dill-Bergland

      Die Grenze zwischen Marburger Land und Hessischem Hinterland verläuft irgendwo zwischen Elmshausen und Kernbach an der Lahn. Der 498 Meter hohe Rimberg in Caldern »gehört« der Großgemeinde Lahntal. Was Erhebungen angeht, punktet Biedenkopf mit einem 674 Meter hohen Hausberg, Sackpfeife genannt. Der hat eine Sommerrodelbahn, und im Winter tummeln sich auf ihm Skiläufer, Rodler, Snowboarder und Eisläufer. Man muss sich also nicht wundern, dass Biedenkopf Mitglied im Oberhessischen Gebirgsverein ist, was einen Allgäuer Älpler seltsam anmuten wird. Andere verwundert wohl die namentliche Zuordnung zu Oberhessen. Die komplizierte hessische Geschichte lässt grüßen: Dieses


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