Lieblingsplätze Lahntal. Andrea Reidt

Lieblingsplätze Lahntal - Andrea Reidt


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Landkreis Marburg-Biedenkopf lässt sich auf dem Lahntalradweg durchqueren, beginnend an der Pfarrkirche von Wallau im Westen, vorbei an der Cölber Lahnschleife und von da gen Süden bis Bellnhausen. Auf dieser 60-Kilometer-Strecke findet man (winzige Abstecher vo­rausgesetzt) hübsche, oft denkmalgeschützte Dorfkirchen. Die meisten dieser Bauten befinden sich im Oberen Lahntal. Eine herzerfrischende Von-Kirchlein-zu-Kirchlein-Tour: die Chorturmkirche in Buchenau (Ersterwähnung 1265), die steinerne Martinskirche in Dautphe (um 1100), die dunkle Steinkirche mit barockem Haubenturm in Damshausen, die Nicolai-Kapelle und Klosterkirche in Caldern (um 1235), die süße Fachwerkkirche in Kernbach (1687), die romanische Alte Kirche in Bürgeln kurz vor der Ohmmündung, die Alte Kirche Niederweimar (Kapelle vor 1300, um 1780 neu), die Wehrkirche Wenkbach (vor 1302) und die wehrhafte Chorturmkirche in Fronhausen (1159).

      Der ländlich-lauschige Charakter des Oberen Lahntals lässt einen leicht vergessen, dass die Biedenkopfer Region wirtschaftsstark ist, nahe an der Vollbeschäftigung. Vor 1900 herrschten hier allerdings Hunger und Not. Die Hangböden haben einen felsigen Untergrund, die lehmigen Talböden bestellte man mühsam mit Kuhgespannen. Die Leibeigenschaft wurde 1813 zwar abgeschafft, die Bauern mussten sich aber freikaufen und waren ewig verschuldet.

      Um 1850 wanderten Kleinbauern nach Amerika aus oder verdingten sich als Holzfäller, Köhler, Hüttenarbeiter, Wandermaurer. Die Frauen und Kinder töpferten zu Hause Geschirr und bestellten ihre (wegen Real-Erbteilung) winzigen Flächen mit ein oder zwei »Schaffkühen«. Kinder mussten nach der Konfirmation als Knechte und Mägde ausziehen. Hinterländer Strumpfstricker »brachten ihre wintertags gestrickten und gewirkten Strümpfe im Frühling bis nach Bayern und Württemberg«.

      Traurige Berühmtheit erlangte der »Postraub in der Subach«: Arme Kombacher Bauern überfielen 1824 das »Geldkärrnchen« aus Gießen. Fünf richtete man hin. Volker Schlöndorff verfilmte die Geschichte.

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      Lahntalradweg

      Abstecher von der Dorfstraße zur Fachwerkkirche

      Bachstraße

      35094 Lahntal-Kernbach

      Starpunkt Tour:

      Evang. Kirche Wallau

      Kirchweg 14

      35216 Biedenkopf-Wallau

      Lahntal: Die Lahn bei Kernbach

      Gemächlich plätschert die Lahn bei Kernbach über Stock und Stein, zu flach für Bootsfahrer, aber schön, sich bei flirrender Hitze die Füße zu erfrischen. Auch wenn man kein Kneipp-Fußbad nehmen, sondern eine Weile am Ufer sitzen möchte, freut man sich über klares Wasser, unratfreie Wege und Wiesen. Ob es ratsam ist, in der Lahn zu baden, sei dahingestellt, denn die biologische Qualität von Flüssen kann nach Regenfällen, durch Sickerwasser oder bakteriell belastetes Klärwasser stark schwanken. Weil an der Sauberkeit des Wassers begründete Zweifel bestehen, veranstaltet Marburg die Aktionstage Sauberhafte Lahn, an denen Groß und Klein, mit Zangen und Müllbeuteln ausgestattet, Dreck aufspüren. Bei solchen Flussreinigungen bargen DLRG-Taucher 15 Fahrräder sowie Einkaufswagen, Baustellenabsperrungen, ein gesunkenes Kanu und Handys. Der Unterwassermüll behindert Boote und bedroht Wassertiere.

      Für Kajakfahrer mag die obere Lahn eine Herausforderung darstellen, manch mutiger Wildwasserkanute traut sich, nach der Schneeschmelze über kleine Wehre von Feudingen bis nach Bad Laasphe hinabzurasen. Vor Wagemut und Leichtsinn allerdings wird allgemein gewarnt. Die obere Lahn bis Marburg kann nur bei hohem Wasserstand befahren werden, und die zahlreichen Stromschnellen sind selbst für erfahrene Kanuten gefährlich.

      Der Lahn-Oberlauf wurde zwar im Nationalen Hochwasserschutzprogramm berücksichtigt, auf regionaler Ebene aber erkämpften Naturschützer, dass die Flussauen zwischen Wallau (Biedenkopf) und Odenhausen (Lollar) sukzessive renaturiert werden. Die Talauen der Flüsse und ihrer Nebenbäche sollen ihren typischen Charakter behalten: »mit Überschwemmungsgebieten, heimischen Gehölzen, Wiesen, Weiden, Grünlandbrachen, Senken und Nassstellen, Quellen, Kleingewässern, Altarmen und Sümpfen«.

      Südlich von Marburg wurde das Überschwemmungsgebiet der Lahn durch Deiche verschmälert, dort findet man laut Auenverbund Lahn-Ohm inselartige Auwaldreste.

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      Lahn bei Kernbach

      Lahnbrücke an der

      Dorfstraße

      35094 Lahntal

      Lahntal Tourismus

      Verband

      Brückenstraße 2

      35576 Wetzlar

      06441 309980

       www.daslahntal.de

      Lahntal: Otto-Ubbelohde-Haus in Goßfelden

      Das Gemälde Frau in Weiß hängt in Goßfelden im ehemaligen Wohnhaus seines Schöpfers. Hier hat die Otto-Ubbelohde-Stiftung ein Museum zum Leben und Werk des gleichnamigen hessischen Jugendstilmalers eingerichtet. Man hat Ubbelohde (1867–1922) lange als Gebrauchsgrafiker unterschätzt, der Ansichtskarten, Kalender und volkskundliche Druckvorlagen zeichnet. Tatsächlich machten ihn seine 447 Federzeichnungen für eine Jubiläumsausgabe der Grimm’schen Kinder- und Hausmärchen weit über Hessen hinaus bekannt. Ubbelohde verewigte in seinen Skizzen Gebäude, Landschaften, Trachten, Haarschmuck des Hinterlands. Deutlich erkennt man beispielsweise in Ubbelohdes Rapunzel-Turm den Fachwerkturm von Amönau. Einige der Ubbelohde’schen Ölgemälde und Aquarelle hängen im Marburger Universitätsmuseum.

      Hinterländerinnen in Tracht finden sich bereits im Werk von Ludwig Emil Grimm, einem jüngeren Bruder der Märchen-Grimms. Er und Gerhardt von Reutern waren die ersten, die »bäuerliche Menschen zum ersten und einzigen Bildgegenstand hatten«. In Willingshausen in der Schwalm begründeten sie die älteste Malerkolonie Europas, die bis Mitte des 20. Jahrhunderts immer neue Künstler anzog, darunter auch den hessischen Impressionisten Carl Bantzer und eben Ubbelohde.

      Als Hanna und Otto Ubbelohde ihr Haus in den Lahnwiesen bauten, umgaben sie sich mit drei Gärten, deren Benennung nicht unbedingt der realen Nutzung entsprach. Ihr »Gemüsegarten« mit hoher Hainbuchenhecke schützte vor zudringlichen Blicken; im »Bienengarten« wurde nur kurze Zeit geimkert; der »Garten vorm Haus« ging nach Süden zur Lahn hin. Die Otto-Ubbelohde-Stiftung ließ die Gärten so authentisch wie möglich neu anlegen, mit Pappeln, Apfelbäumen, großen Staudenrabatten, einer Rosenpergola. Den frei zugänglichen, prächtigen Blumengarten pflegen Frauen aus der Gegend ehrenamtlich.

      Von 1932 bis 1954 lebte der Expressive Realist Franz Frank, dessen Werke als »entartet« galten, mit Familie zurückgezogen in Ubbelohdes Atelier. Im Gartenhaus hängen Zeichnungen von ihm.

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      Frau in Weiß

      (Hanna Ubbelohde)

      von Otto Ubbelohde,

      um 1900

      Öl, 150,5 x 99,5 cm

      Otto-Ubbelohde-Haus

      Otto-Ubbelohde-Weg 30

      35094 Lahntal-Goßfelden

      06423


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