Witterung – Lauf so schnell du kannst. Heike Ulrich

Witterung – Lauf so schnell du kannst - Heike Ulrich


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stand auf, lehnte sich an die Wand, direkt gegenüber dem Schreibtisch, und blickte auf die Männer hinab, während sie ihre Arme verschränkte.

      „Die Person war männlich – etwa 1,75 bis 1,80 Meter groß.“ Sie stutzte. „Irgendetwas war allerdings merkwürdig – vielleicht sein Gang, ich weiß es nicht mehr genau, denn ich habe dem Ganzen ja keinerlei Bedeutung beigemessen.“

      Heribert nickte und dachte nach, während er einen Schluck von seinem Tee nahm.

      „Ist dir sonst noch was aufgefallen?“, wollte er von Ayumi wissen.

      Ayumai dachte nach. „Er trug einen Trenchcoat.“

      „Farbe?“

      Ayumi zuckte mit den Schultern. „Wie sehen Trench­coats aus – auf jeden Fall war es kein Beige, vielleicht Schwarz, vielleicht Dunkelblau, das konnte ich nicht genau sehen. Und er trug ein rotes Halstuch.“

      „Und weiter? Haarfarbe, Alter, andere Auffälligkeiten?“, wollte Heribert wissen.

      Ayumi dachte nach.

      „Er hat zu mir kurz hinaufgeschaut – er ist Brillenträger, und seine Haare sind vielleicht hell, vielleicht aber auch grau, keinesfalls schwarz.“

      „Würdest du sein Gesicht wiedererkennen?“

      Ayumi schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, es war ja nur ein kurzer Moment, und so gut war das Licht dann doch nicht. Keinesfalls war er schmächtig oder so, nicht dick, vielleicht sportlich.“

      „Alter?“

      Ayumi zuckte mit den Schultern und schwieg.

      „Okay. Noch was – warum habt ihr nicht gleich die Polizei verständigt?“

      Ayumi und Botho stutzten gleichzeitig und warfen ihm dann einen konsternierten Blick zu.

      Heribert winkte ab. „Dummer Gedanke.“

      „Allerdings“, schnaufte Botho. „Was hätten wir denn sagen sollen? Es ist doch nicht verboten, hinter jemandem herzugehen oder vor einem Haus sich eine anzuzünden.“

      „Ihr könntet natürlich eine Anzeige gegen Unbekannt aufgeben, wegen der Anrufe“, erklärte Heribert.

      Er hob jedoch sofort abwehrend die Arme, als er erneut den mehr als skeptischen Blick seines Freundes auffing. „Schon gut – vermutlich wird auch das nichts bringen.“

      „Genau!“ Botho goss sich vom Branntwein nach, und Heribert registrierte Ayumis kritischen Blick.

      Doch Botho ignorierte ihn, kippte das Glas hin­unter und fuhr fort: „Aber verstehst du jetzt meine Sorge? Dies alles ist an dem Tag passiert, als man die Leiche meines Steuerberaters gefunden hat.“

      „Wie heißt der?“

      „Zeller, Walter Zeller.“

      Heribert notierte den Namen.

      „Könnte es sein, dass dein Steuerberater in irgendeine unseriöse Geschichte verwickelt ist?“

      Botho zuckte mit den Achseln: „Woher soll ich das denn wissen? Und selbst wenn, was hätte das mit mir zu tun?“

      Heribert verschränkte die Hände hinterm Kopf und dachte laut nach: „Solange man das Motiv von Walter Zellers Mörder nicht kennt, bleibt natürlich alles spekulativ. Zeller könnte nämlich auch bloß das zufällige Opfer eines Einbruchs mit Todesfolge geworden sein, und so gesehen könnte sich das mit deinem nächtlichen Verfolger dann auch relativieren.“

      „Relativieren?“

      „Na ja, ich meine, dein nächtlicher Verfolger – der ging vielleicht wirklich nur, wie schon erwähnt, zufällig hinter dir her.“

      „Glaube ich aber nicht!“

      Bothos Einwurf klang fast bockig.

      Heribert fixierte ihn eine Weile, während er versuchte, sich einen Reim auf die ganze Sache zu machen. Wieso ging Botho so fest davon aus, dass sein nächtlicher Verfolger etwas mit dem Tod seines Steuerberaters zu tun haben musste?

      „Okay, Botho, erstens, welches Motiv könnte denn jemand haben, dir aufzulauern, und zweitens – warum sollte Zellers Mörder sich ausgerechnet auch für dich interessieren?“

      Botho blickte seinen Freund ratlos an und zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, du könntest es vielleicht herausfinden.“

      „Ich?!“

      „Könnte es etwas mit dem neuen Geschäft zu tun haben?“, meldete sich Ayumi und sah ihren Mann alarmiert an.

      Heribert horchte auf und blickte zwischen Botho und Ayumi hin und her.

      „Moment mal – neues Geschäft? Was für ein neues Geschäft denn? Reichen dir die beiden Geschäfte in Kassel und Leipzig nicht mehr?“

      Eigentlich war sein Einwand scherzhaft gemeint, doch Heribert selbst hatte bemerkt, wie forsch er geklungen hatte – fast vorwurfsvoll.

      Botho lachte. „Nein!“

      Das konsternierte Gesicht seines Freundes schien ihn zu belustigen. „Und ja, tatsächlich eröffne ich in den nächsten Monaten ein neues Geschäft in Polen – genauer gesagt, in Warschau.“

      „Und das erfahre ich von dir so ganz nebenbei? Ich bin dein bester Freund, Botho!“

      Botho musterte Heribert spöttisch. „Verzeih, alter Freund, ich hätte dich natürlich vorher um Genehmigung bitten sollen!“

      Heribert mochte es nicht, wenn Botho ihn „alter Freund“ nannte – es hatte etwas Altbackenes und passte irgendwie nicht zu dessen sonstigen Sprachgepflogenheiten.

      „Alter Freund ... welche Art von Geschäft ist das denn in Warschau?“

      „Genau wie hier. Kinder- und Jugendbekleidung. Die Umsätze brummen, und ich möchte gern weiter expandieren.“

      „Mit einem eigenen Label“, ergänzte Ayumi, „das war meine Idee.“

      Heribert nickte und dachte einen Moment nach, bevor es heikel wurde. „Okay, bist du in irgendeine krumme Sache verwickelt, Botho? Nimm’s mir nicht übel, aber ich muss dich das fragen.“

      Einen Moment wirkte Botho unentschlossen, und Heribert ahnte, dass er den Finger in die richtige Wunde gelegt hatte, als er die Blicke, die Botho und Ayumi miteinander austauschten, bemerkte und Botho zögernd antwortete: „Na ja, weißt du, ich habe ein paar Leute in Warschau, also, wie soll ich sagen ... na ja ... geschmiert, damit ich dort mein Geschäft eröffnen kann, verstehst du? Das ist inzwischen nämlich gar nicht mehr so einfach. Und ein gelegentlicher Geldumschlag hier und da ist dort normales Prozedere.“

      Heribert stutzte. „Ach ...“

      Ayumi machte plötzlich ein verärgertes Gesicht.

      „Ja, allerdings! Ich war von Anfang an dagegen und habe dich gewarnt. So ein System darf man doch nicht noch unterstützen. Und es ist ja dann auch alles andere als glatt gelaufen.“ Sie blickte zu Heribert. „Botho hat sich mit so einem Typen von der städtischen Baubehörde rumärgern müssen!“

      Sie warf ihrem Mann einen fragenden Blick zu. „Kosalski hieß der, oder so – stimmt’s?“

      „Kowalski“, erwiderte Botho.

      „Genau, Kowalski!“ Sie fuhr fort: „Der konnte nämlich seinen Rachen nicht vollkriegen – hat alles verzögert. Botho war immer wieder gezwungen, sein Portemonnaie aufzumachen!“

      Heribert nickte. „Okay, er hat euch also auf eine subtile Weise erpresst.“

      „Ja, kann man so sagen, das war wirklich ärgerlich“, erklärte Ayumi und blickte Botho vielsagend an.

      Der machte eine wegwerfende Geste. „Es ist aber alles inzwischen geklärt. Ich habe die bittere Pille geschluckt.“

      „Ach“, Heribert räusperte sich und konnte


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