Der Arzt vom Tegernsee Staffel 4 – Arztroman. Laura Martens

Der Arzt vom Tegernsee Staffel 4 – Arztroman - Laura Martens


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Meike aufgegessen hat, dann gehen wir in den Ort ins Reisebüro und suchen uns eine schöne Flugreise heraus.«

      »Da mußt du doch erst buchen«, meinte Meike altklug. »Ein halbes Jahr vorher hat Papa voriges Jahr unsere Reise gebucht.«

      Papa, immer wieder Papa! Es war zum Verzweifeln! Frauke versuchte, ruhig zu bleiben. Sie setzte sich zu ihren Kindern an den Tisch und erklärte: »Es gibt auch Last-Minute-Flüge, die sind sogar sehr günstig.«

      »Was ist das?« fragte Florian.

      »Ich habe eine andere Idee. Wir fahren einfach gleich zum Flughafen. Irgendein Flugzeug wird uns schon mitnehmen.« Frauke lächelte, diese Idee gefiel ihr. Sie wollte weg von hier, so rasch wie möglich und so weit wie möglich.

      Beide Kinder sahen die Mutter verwirrt an.

      »Ich will zum Flughafen«, sagte Florian dann. »Dort sehen wir viele Flugzeuge.«

      »Hast du nicht verstanden?« empörte sich seine Schwester. »Mami will wegfliegen, sie will ohne Papa wegfliegen.«

      »Ich will aber zum Flughafen und Flieger ansehen.« Florian begann, mit den Händen auf den Tisch zu schlagen.

      Frauke, die sich schon die ganze Nacht ruhelos in ihrem Bett herumgewälzt hatte, hätte am liebsten losgeheult. Sie bohrte ihre Fingernägel in die Handflächen, nur so gelang es ihr, nicht aufzubrausen und ihren kleinen Sohn anzuschreien. Müde wandte sie sich an ihre Tochter.

      »Bitte, Meike, iß! Flori ist schon lange fertig.«

      »Ich kann nicht!« Meike glitt vom Stuhl und lief vom Tisch weg.

      »Ich will noch ein Honigbrötchen«, bettelte Florian.

      »Aber du warst doch schon sehr brav und hast alles aufgegessen«, sagte Frauke unsicher. »Ich verstehe das einfach nicht! Dir schmeckt es immer, Meike hingegen läßt alles stehen.« Frauke erhob sich und ging zu ihrer Tochter. »Liebling, was kann ich dir denn machen? Du mußt doch auch etwas essen. Ich toaste dir auch ein Brot und bestreiche es dick mit Erdbeermarmelade. Das ist doch deine Lieblingsmarmelade.«

      »Ich habe aber keinen Hunger.«

      »Der wird dann schon mit dem Essen kommen. Du mußt dir wirklich an Florian ein Beispiel nehmen.«

      »Ich habe nichts dagegen, wenn er mein Müsli auch ißt!« kam es patzig von Meike.

      »Mami, darf ich?« fragte der Kleine auch sofort. Er wartete jedoch nicht auf eine Antwort, sondern zog den Teller zu sich heran und begann zu essen.

      Frauke seufzte, dann griff sie nach ihrer Tochter. »Komm, Meike, wir machen uns jetzt ein paar Toastbrote.«

      Die Achtjährige widersprach nicht. Sie war der Mutter sogar behilflich. Doch als sie dann in den Toast biß, verzog sich ihr Gesicht.

      »Nimm mehr Marmelade«, forderte Frauke ihre Tochter auf.

      Meike tat es, doch nach ein paar Bissen versetzte sie dem Teller einen Stoß. Als ihre Mutter sie strafend ansah, fuhr Meikes Hand zum Hals, sie würgte. »Ich kann nicht, Mami«, jammerte sie. »Mir ist schlecht!«

      Frauke wußte nicht, was sie sagen sollte. Sie starrte auf ihr eigenes Toastbrot. Auch ihr Magen rebellierte, und sie hatte das Gefühl, keinen Bissen hinunterzubekommen.

      Florian hatte inzwischen auch Meikes Teller leergegessen. »Jetzt gehen wir Flieger ansehen«, verkündete er.

      »Mami will keine Flieger ansehen, sie will wegfliegen«, stellte Meike richtig.

      »Dann sehen wir doch Flugzeuge. Ich fliege mit Mami mit.« Florian rutschte vom Stuhl und lief zu seiner Mutter. »Mami, wann fliegen wir?«

      »Ja, wir fliegen in den Urlaub.« Frauke sah von Florian zu ihrer Tochter. »Du wirst sehen, es wird Spaß machen. Wir werden erst am Flughafen erfahren, wohin wir fliegen.«

      »Ich will zum Flughafen fahren.« Florian war begeistert.

      »Mami, willst du wirklich noch heute wegfliegen?« Meike war drei Jahre älter als ihr Bruder und ließ sich nicht so leicht etwas vormachen.

      »Am liebsten würde ich wirklich heute noch fliegen«, sagte Frauke. Sie sah in Meikes entsetztes Gesicht und begriff, daß sie diese nicht weiter erschrecken durfte. »Na ja, wir werden sehen.« Sie zwang sich wieder zu einem unbeschwerten Lächeln. »Auf alle Fälle müssen wir, bevor wir verreisen, noch einige Vorbereitungen treffen. Wir müssen packen und noch einige Sachen besorgen.«

      »Wenn wir verreisen wollen, dann brauchen wir auch Geld, Mami«, meinte Meike.

      »Richtig, und daher gehen wir jetzt in den Ort.«

      »Gehen wir auch zum Onkel Doktor?« fragte Florian. »Ich will den Franzl sehen.«

      »Vielleicht!« Frauke wollte nicht, daß Florian wieder mit allen Mitteln versuchte, seinen Willen durchzusetzen. »Der Tag ist noch lang. Zuerst gehen wir auf die Bank, dann überlegen wir uns, ob wir uns für einen Urlaub am Meer noch etwas kaufen.«

      Mit diesem Vorschlag lenkte sie ihren Sohn wirklich ab. »Ein Gummiboot! Ich will ein Gummiboot«, sagte Flori sofort. »Papa hat versprochen, mit ein Gummiboot zu kaufen.«

      »Gut!« stimmte Frauke nun sofort zu. »Wir kaufen ein Gummiboot.« Damit war auch Meike einverstanden.

      Eigentlich wollten die Kinder sofort ins Kaufhaus, aber Frauke konnte ihnen klarmachen, daß sie zuerst zur Bank mußten. Zusammen mit ihren Kindern stand sie dann am Bankschalter, um Geld abzuheben. Ahnungslos schrieb Frauke eine größere Summe auf den Auszahlungsschein. Geldprobleme kannte sie nicht. Daher konnte sie den Filialleiter auch nur fassungslos anstarren, als dieser ihr mitteilte, daß das Girokonto, das sie gemeinsam mit ihrem Mann hatte, weit überzogen war, und daß ihr Mann auch noch einen hohen Kredit auf das Haus aufgenommen hatte. Sie konnte es nicht glauben, und trotzdem war ihr sofort klar, daß der Filialleiter, der sie für diese Mitteilung extra in sein Büro gebeten hatte, die Wahrheit sagte.

      *

      Kaum hatte Dr. Baumann die Patientin zur Tür begleitet, erschien auch schon seine Sprechstundenhilfe und legte ein weiteres Krankenblatt auf den Schreibtisch. Der Arzt winkte ab. »Fünf Minuten Pause, Tina?«

      »Wie?« Tina glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Vorhin erst hatten sie festgestellt, daß noch vier Patienten warteten.

      »Ich muß telefonieren«, stellte Dr. Baumann fest und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.

      »Kann ich das nicht für Sie machen?« bot Tina an und setzte dann hinzu: »Herr Brandt wartet bereits über eine Stunde, er ist schon etwas ungehalten.«

      »Was sein muß, muß sein!« Eric griff nach dem Hörer. Da Tina noch immer verwirrt in der Tür stand – immerhin war sie es gewohnt, von ihrem Chef informiert zu werden –, huschte ein flüchtiges Lächeln über sein Gesicht, dann meinte er: »Ich muß bei den Eberts anrufen und mit ihnen wegen Meike sprechen. Wenn Frau Ebert nicht zu mir in die Praxis kommen will, dann suche ich sie auf.«

      Tina nickte verstehend und zog sich zurück.

      Dr. Baumann wählte, dann räusperte er sich. Er lauschte dem Ruf und wartete. Ihm war klar, daß die Frau des Künstlers verzweifelt war. Wenn er mit ihr nicht sprechen konnte, dann mußte er mit Gero Ebert reden. Es ging um die achtjährige Meike. Ihr mußte dringend geholfen werden.

      Der Ruf ging noch immer hin, und schließlich begriff Eric, daß niemand am anderen Ende den Hörer abnehmen würde. Er legte auf und wählte gleich darauf nochmals. Vielleicht hatte er sich ja bei einer Zahl geirrt. Einige Sekunden lauschte er dem Ton, dann gab er auf. Er nahm das Krankenblatt und konzentrierte sich nun auf die Patientin, die ihm gleich gegenübersitzen würde.

      *

      Frauke litt, und mit ihr litten die Kinder. Sie ließ diese nicht einmal in den Garten zum Spielen, denn sie schämte sich. Nun war sie völlig sicher, daß ihr Mann der schönen Angelina verfallen war. Für sie hatte er das Geld gebraucht. Bestimmt hatte er sie mit Geschenken überhäuft.


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