Der Arzt vom Tegernsee Staffel 4 – Arztroman. Laura Martens
Wangen überzogen sich mit einer leichten Röte. »Vielleicht kann Gero sich freimachen und kommt mit mir zusammen zurück.«
»Dann sollten Sie sich auf den Weg machen.« Katharina hob Florian hoch und stellte ihn auf den Boden. Das gefiel dem Kleinen nun ganz und gar nicht. Als Katharina dann auch noch aufstand, begann er, an ihrer Hand zu zerren.
»Ich will nicht, daß du Mami wegschickst! Wer bist du überhaupt?«
»Ich bin die Tante Katharina, das habe ich dir doch erklärt. Ich komme vom Onkel Doktor…« Katharina wollte noch etwas sagen, doch Florian fiel ihr ins Wort:
»Warum hast du den Onkel Doktor nicht mitgebracht? Ich will den Hund sehen. Du mußt den Onkel Doktor mit dem Hund rufen.«
»Du bist aber dumm«, meldete sich nun seine Schwester zu Wort. »Der Onkel Doktor kann jetzt nicht kommen. Er muß sich um die kranken Leute in seiner Praxis kümmern. Wir waren doch erst kürzlich dort, da haben wir gesehen, wie viele Leute dort warten.«
»Aber ich will, daß der Onkel Doktor und sein Hund auch da sind. Dann kann Mami wegfahren.«
»Du begreifst wirklich überhaupt nichts.« Meike machte eine abfällige Handbewegung. »Du bist eben noch ein Baby. Mami will zu Papa, das ist wichtig!«
Florian schob seine Unterlippe nach vorn. Das Nachdenken dauerte aber nur wenige Sekunden, danach lief er zum Telefon und nahm den Hörer ab. »Hier!« rief er triumphierend. »Mami kann Papa anrufen. Sie soll ihm sagen, daß er nach Hause kommen muß.«
Katharina schmunzelte. Ihr gefiel der Kleine, auch wenn er wirklich zu dick war. Sie ging zu ihm und fuhr ihm über das Haar. »Ich mache dir einen Vorschlag. Deine Mami kann dich ja anrufen, wenn sie bei deinem Papa ist. Dann kannst du selbst mit deinem Papa sprechen.«
»Ja! Das muß Mami tun.« Florian nickte.
»Gut, dann begleiten wir deine Mami jetzt zum Auto. Wir werden ihr winken.«
Wieder nickte Florian. Jetzt wandte sich Katharina an Frauke: »Nun, worauf warten Sie noch?«
Frauke sah zum Telefon, Florian hatte den Hörer wieder aufgelegt. »Ich könnte doch wirklich…«
»Wollen Sie sich denn nicht einmal in der Galerie umsehen? Sie waren in der letzten Zeit doch sicher nicht dort.«
»Stimmt!« Erneut färbten sich Fraukes Wangen.
»Dann werden wir Sie jetzt zum Auto begleiten.« Resolut griff Katharina nach Florians kleiner Hand. »Du kommst doch auch mit, Meike?« fragte sie dann das Mädchen, das abwartend dastand.
Meike zuckte die Achseln. »Mami ist doch bald wieder zurück. Ich weiß, daß es bis Bad Wiessee nicht weit ist. Ich war auch schon in der Galerie. Papa hat dort sehr viele schöne Sachen.«
»Die schönsten Sachen macht Papa aber selbst«, mischte sich Florian ein.
»Ich meine nicht die Bilder«, wurde Florian sofort von seiner Schwester belehrt. »Ich meine die Plastiken.«
Frauke war zur Tür gegangen, dort blieb sie jetzt stehen. Katharina nickte ihr zu, da atmete sie tief durch und verließ das Zimmer. Nun kam aber Leben in Florian. Er eilte hinter seiner Mutter her.
»Mami, Mami, du kannst nicht weg! Ich habe Hunger!«
»Moment, dazu brauchen wir deine Mami nicht.« Katharina eilte nun ebenfalls hinterher. Frauke war im Hausflur stehengeblieben. Sie nahm ihren Sohn auf den Arm, der sich nun an sie klammerte.
»Sie sehen ja, es geht nicht«, sagte sie zu Katharina. Sie wußte jedoch noch nicht, daß für Katharina kaum etwas unmöglich war. Ohne zu zögern, griff diese auch sofort nach dem Kleinen.
»Und ob es geht!« Sie hielt Florian etwas von sich. »Nun hör mir mal gut zu, junger Mann! Ich kümmere mich sonst immer um den Onkel Doktor. Ich mache ihm stets etwas zu essen, und er hat sich noch nie beschwert. Wenn deine Mami weg ist, dann gehen wir beide in die Küche und sehen zu, daß du etwas bekommst. Meike kann natürlich auch mitkommen.«
»Ich habe keinen Hunger«, verkündete die Achtjährige sofort.
»Darüber unterhalten wir uns später. Nun kommt!« Mit Florian auf dem Arm ging sie an der verdutzten Frauke vorbei und trat hinaus ins Freie.
»Frauke, wo bleiben Sie denn?« rief sie über die Schulter zurück.
Frauke preßte die Lippen aufeinander. Sie sah zu ihrer Tochter hin, doch im Grunde sah sie durch sie hindurch. Sie dachte an ihren Mann. Sie wußte, daß sie sich endlich mit ihm aussprechen mußte.
*
Direkt vor der Galerie fand Frauke einen Parkplatz. Ihr Herz klopfte schneller, als sie den Motor ausschaltete. Nun war sie hier. Was würde Gero wohl sagen? Sie hatte sich so nach ihm gesehnt, obwohl sie in den letzten Monaten das Gefühl gehabt hatte, mit einem Fremden zusammenzuleben. Sie sah auf die Eingangstür und zögerte auszusteigen.
Bewegungslos saß Frauke hinter dem Steuer, den Blick auf den Eingang der Galerie geheftet. Leute kamen und gingen, einige blieben auch vor dem großen Schaufenster stehen, ihren Mann bekam sie jedoch nicht zu Gesicht. Noch immer waren ihre Hände um das Lenkrad gelegt. Sie mußte herausfinden, was hier los war, denn irgend etwas stimmte mit Gero nicht mehr. Zehn Jahre waren sie bereits verheiratet, und noch nie hatten sie ein Geheimnis voreinander gehabt. Angst stieg in ihr hoch, Angst vor der Wahrheit. Ihr Mann sah gut aus, er war charmant. Sie war es gewöhnt, daß sich die Frauen nach ihm umdrehten. Trotzdem hatte sie bisher keine Eifersucht gekannt. Er hatte ihr auch nie einen Grund dazu gegeben.
Frauke wurde es bewußt, daß sie die Zähne in die Unterlippe bohrte. Seit zwanzig Minuten saß sie nun schon hier. Wahrscheinlich wartete Florian schon auf ihren Anruf. Sie schluckte, doch in ihrem Hals saß noch immer ein Kloß. Trotzdem stieg sie endlich aus, schloß den Wagen ab und ging nun auf den Eingang des Geschäfts zu. Sie wußte, daß Gero auch eine Angestellte hatte, außerdem gab es noch zwei Aushilfskräfte. Diese hatten sie zusammen ausgesucht. Zu dem Zeitpunkt war noch alles in Ordnung gewesen. Daher verstand sie auch nicht, warum er nun ständig hier sein mußte und oft sogar über Nacht in Bad Wiessee blieb.
Ihr fiel ein, daß sie sich nicht einmal geschminkt hatte. Aber darauf kam es nun auch nicht mehr an. Den Kopf hocherhoben, betrat sie die Galerie. Die Angestellte war gerade dabei, einem Kunstliebhaber Drucke zu zeigen.
»Frau Ebert!« Sie war sichtlich überrascht, grüßte dann aber freundlich.
Frauke zwang sich zu einem Lächeln, dann ging sie auf das Büro zu, in dem sie ihren Mann vermutete. Doch er war nicht da. Gut, dann würde sie ihn eben bei der Arbeit stören. So ging sie zu der Verbindungstür zum Atelier. Dieses Atelier war fast so groß und hell wie das in ihrem Haus am Tegernsee. Daher hatte Gero auch angefangen, hier zu arbeiten. Doch das Atelier war leer. Aber von hier aus kam man noch in einen kleineren Raum, den Gero wohnlich eingerichtet hatte. Frauke ging auch noch in diesen Raum. Es war nicht zu übersehen, daß ihr Mann in den letzten Tagen hier gewohnt hatte, die Schlafcouch war ausgezogen worden.
Frauke spürte einen heftigen Stich in der Herzgegend. Fühlte sich ihr Mann hier wirklich wohler als in ihrem Haus in Tegernsee? Nein, sie konnte das nicht verstehen! Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle hoch, und sie verbarg das Gesicht zwischen ihren Händen.
Ein Geräusch ließ sie jetzt herumfahren. Durch die geöffnete Tür sah sie Barbara Gröger, die Angestellte, die unsicher auf sie zukam. »Frau Ebert, kann ich Ihnen behilflich sein?«
Was sollte Frauke sagen? Das Blut schoß ihr ins Gesicht. Wahrscheinlich wußte Barbara mehr von Gero als sie. Ein Verdacht stieg in ihr hoch und ließ sie die fast Gleichaltrige anstarren, die ein Durchschnittsgesicht hatte. Bisher war es ihr jedoch nicht aufgefallen, wie gepflegt sie war. Auch der blonde Bubikopf paßte gut zu ihrer Erscheinung. Blond – hatte Gero nicht schon immer für Blondinen geschwärmt?
»Frau Ebert…« Barbara Gröger wurde noch unsicherer.
Frauke zuckte zusammen, dann streckte sie sich. »Ich suche meinen Mann. Können Sie mir sagen, wo ich ihn