Mütter der Neuen Zeit. Группа авторов

Mütter der Neuen Zeit - Группа авторов


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gehört zu den Geheimnissen der menschlichen Biographie, dass Entwicklung in Sieben- Jahresrhythmen verläuft. Alles, was uns leibbildend und spielerisch in der Kindheit prägt, finden wir später in unserer Seele verwandelt wieder. So legen wir im ersten Lebensjahrsiebt für das ganze weitere Leben die Basis für die psychische und physische Gesundheit und damit die Grundlage für eine gesunde Selbstannahme und Weltbeziehung. Mögen unsere Kinder auf diese Qualitäten zurückgreifen können, damit sie Hände, Herz und Geist frei haben für ihre ureigene Lebensaufgabe!

      Dr. med. Susanne Hofmeister, * 1962, Mutter von vier Kindern, Anthroposophische Ärztin, Schwerpunkt Biographiearbeit, Autorin, Supervisionsarbeit im Kindergarten, Coaching, Seminare und Fortbildung. www.susannehofmeister.de

       Literatur und weitere Weblinks

      Glöckler, Michaela u.a. Kindersprechstunde – Ein medizinisch-pädagogischer Ratgeber. Urachhaus 2018

      Hofmeister, Susanne. Mein Lebenshaus hat viele Räume. Kösel 2019

      Hofmeister, Susanne. Wo stehe ich und wo geht‘s jetzt hin? Gräfe und Unzer 2014

      Kutik, Christiane. Herzensbildung – Von der Kraft der Werte im Alltag mit Kindern. Verlag Freies Geistesleben 2016

      ImPäd – Pädagogischer Impuls, Susanne Hofmeister

       https://www.youtube.com/watch?v=X7IAbvjqEwY

       www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/detail&newsid=1495

      Julia Wittor

      Auf der Reise zu uns selbst

       Julia glaubte fest an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Krippenbetreuung. Doch ihr kleines Wirbelmädchen hat ihre Werte auf den Kopf gestellt. Denn als Mutter wünscht sie sich jetzt ein freies Leben mit einer tragenden Gemeinschaft und echter Familienzeit. Ist das in Deutschland überhaupt möglich?

      Als ich meine Studienabschlussarbeit zum Thema »Vereinbarkeit von Familie und Beruf« schrieb, erschien mir der Krippenausbau noch absolut plausibel. Wie sollte es denn sonst gehen? Immerhin haben doch auch Mütter ein Recht auf Selbstverwirklichung. Nur weil wir Frauen sind, können wir uns doch nicht stets und ständig hinten anstellen? Immerhin sind wir emanzipiert, gut ausgebildet und wollen im Leben doch auch etwas erreichen. Eine flächendeckende Fremdbetreuung mit flexiblen Öffnungszeiten erschien mir da der einzig gangbare Weg. Das wurde mir ja auch fleißig so vorgebetet.

      Noch in meiner Schwangerschaft bin ich relativ unsanft aufgewacht. Denn zum ersten Mal hatte ich da dieses merkwürdige Gefühl. Dieses Gefühl, das immer dann aufkam, wenn mich wieder jemand fragte, ob wir denn schon einen Kitaplatz für unser noch ungeborenes Baby hätten? Es fühlte sich merkwürdig an, mein Kind bereits weg zu organisieren, bevor es überhaupt bei uns ist. Ich kannte diesen kleinen Menschen doch gar nicht, hatte keine Vorstellung, wie das Leben mit einem Baby sein würde oder was da für eine Persönlichkeit zu uns kommt. Wie konnte ich da entscheiden, wem ich diesen kleinen Menschen einmal anvertrauen will? Auf was sollten wir denn achten? Halbherzig führte ich ein Telefonat und ließ uns auf die Warteliste setzen. Mehr wollte und konnte ich mich zu diesem Zeitpunkt nicht auf dieses Thema einlassen.

      Meine Tochter wurde geboren, und die Welt stand Kopf. Mein Wirbelmädchen! Mit einem Mal war alles anders, und ich spürte diese Zweifel noch viel stärker. Ich spürte, dass sie mich doch brauchte und dass auch ich mich nicht von ihr trennen mag. Dennoch sollte es noch eine ganze Weile dauern, bis ich endgültig verstand, dass dieses Gefühl meine Wahrheit ist, meine innere Überzeugung.

      Zugleich sind mir auch heute noch die Themen Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung äußerst wichtig. Ich weigere mich aber entschieden dagegen, dass das nur auf Kosten meiner Kinder möglich ist. Im Gegenteil, heute bin ich davon überzeugt, dass Selbstverwirklichung gerade auch im Muttersein geschieht und dass echte Vereinbarkeit auch gänzlich anders aussehen kann. Dass wir alternative Lösungswege brauchen, die die Bedürfnisse aller Beteiligten wahren. Und so habe ich mich mittlerweile auf den Weg gemacht, diese zu suchen.

      Unsere Tochter wurde bis kurz nach ihrem zweiten Geburtstag selbstbetreut. Hier in Ostdeutschland ist das eine wahre Seltenheit, kommen doch die allermeisten Kinder spätestens mit einem Jahr in die Fremdbetreuung. So, wie es eben schon zu DDR-Zeiten völlig normal war. Ich finde es schon erstaunlich und fragwürdig, dass ausgerechnet die flächendeckende Fremdbetreuung eines diktatorischen Regimes, von dem wir uns ansonsten klar distanzieren, relativ unreflektiert übernommen wurde und sich in so kurzer Zeit – natürlich mit entsprechender medialer Unterstützung – in den Köpfen fest verankern konnte.

      Ich selbst hatte das große Glück, dass meine Mutter als Ostdeutsche schon vieles anders machte als üblich und mit mir die ersten drei Jahre zu Hause blieb. Die darauffolgende Zeit im Kindergarten war oft schwer, denn der Trennungsschmerz meiner Mutter war groß. Jeden Tag stand ich weinend am Zaun und habe auf meine Mutter gewartet. Statt mir dieser Erfahrung wieder bewusst zu werden und meine eigenen Kinder vor einer solch schmerzhaften Trennung zu bewahren, bin ich zunächst auch in diese Falle getappt – einfach, weil ich Angst vor Überlastung hatte…

      Gerade als ich wieder schwanger wurde, bekamen wir die Zusage für einen Betreuungsplatz. Was für ein großes Glück! Wollten wir unsere Tochter doch mit genügend Zeit eingewöhnen, damit sie sich nicht abgeschoben fühlte, wenn das Baby da war. Mittlerweile frage ich mich, wie man auf solch ein Gedankenkonstrukt kommen kann. Denn immerhin ging es doch genau darum… Nur weil wir das zeitlich etwas anders legten und anders benannten, ändert sich nichts an unserer Grundintention. Es ging genau darum, die große Schwester »abzuschieben«, damit mehr Exklusivzeit für das Baby zur Verfügung stand. Dass wir uns das damit schönredeten, dass diese Erfahrung nur zu ihrem Besten wäre, machte die Sache nicht besser.

      Wir waren noch immer nicht davon überzeugt, unser Wirbelmädchen in eine Kita zu geben, leider aber vollkommen angstgeleitet. Denn ich hatte große Sorge, einem Baby und einem sehr aufmerksamkeitsfordernden Kleinkind nicht gerecht zu werden. Unser Wirbelmädchen war ein »Schreibaby«, und ich hatte einfach Angst davor, dass sich das wiederholen könnte und ich wieder – tagein, tagaus völlig auf mich allein gestellt – dieses unentwegte Schreien ertragen müsste und dazu auch noch ein Kleinkind begleiten sollte. Die Sorge, meiner großen Tochter nicht genug zu sein und alles nicht zu schaffen, bestimmte uns in dieser Zeit. Statt uns in unseren Ängsten aufzufangen, wurden wir von außen immer wieder darin bestätigt. Es scheint heutzutage vollkommen unmöglich, Eltern befähigt zu wissen, ihre kleinen Kinder selbst zu Hause zu betreuen.

      Doch die eigene Angst lähmt. Statt sich in Ruhe hinzusetzen und Lösungswege zu entwickeln, sich Unterstützung zu suchen oder anderweitig zu überlegen, was in solchen intensiven Zeiten helfen könnte, lassen wir uns durch diese Angst in die Enge drängen. Ich verstehe nicht, wieso wir Eltern so alleingelassen werden, dass wir uns gezwungen sehen, unsere Kinder abzugeben. Auch finde ich es entsetzlich, dass Eltern tatsächlich das Gefühl haben, ihrem Kind nicht zu genügen. Was für ein riesiger Quatsch! Und doch wird es uns so oft eingeredet, dass wir es irgendwann ganz tief in uns drinnen spüren und kaum mehr von den eigenen Ansichten und Werten unterscheiden können.

      Mit etwas mehr als zwei Jahren ging unsere Tochter drei bis vier Mal pro Woche für maximal drei Stunden in den Waldorfkindergarten. Es war ein wundervoll ruhiger, liebevoller und kindgerechter Ort und eine sehr bedürfnisorientierte Einrichtung. Und doch hat es für unsere Tochter und uns nicht gepasst. Sie wollte dort nicht ohne uns sein und ist eigentlich nie wirklich dort angekommen. Heute wundert mich das überhaupt nicht mehr. Sie war etwas über zwei Jahre alt, konnte gerade ihre ersten Worte sprechen und hätte einfach nur uns Eltern gebraucht. Eigentlich doch völlig verständlich, oder?

      Wir merkten wohl, dass es unserem Wirbelmädchen nicht gut ging, aber wir ließen uns immer


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