Mütter der Neuen Zeit. Группа авторов

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bedenkenlos ruhiggestellt werden. Was sagt es über unsere Gesellschaft, wenn die Kinder die Erwachsenen nicht »stören« sollen? Sie sollen ihre Lebenskraft, ihre Neugier, ihren Bewegungsdrang, ihren Drang, sich zu zeigen, zu sprechen, sich auszutauschen nicht ausleben? Anstatt etwas gemeinsam zu tun oder sie dazu aufzufordern, sich eine eigene ruhige Beschäftigung zu suchen, werden sie geradezu »abgestellt«. Nichts anderes als das ist es nämlich!

      Um unterwegs gelangweiltem Gejammere vorzubeugen, trage ich oft dem Kind entsprechende Bücher bei mir. Wir schauen sie uns zusammen an und erleben dadurch eine wunderbare Zweisamkeit. Tagsüber gehen wir spazieren, fahren Rad, lesen oder sitzen auf dem Balkon, kümmern uns um die Pflanzen, die wir dort wachsen lassen. Es gibt immer etwas zu tun. Wir kochen täglich und backen gelegentlich zusammen. Meistens fange ich an und nach und nach stellen sich die Kinder von sich aus dazu, machen mit, schnappen sich Messer und Brettchen, rüsten Gemüse, schnippeln, werden selbst kreativ, indem sie sich eigene Gerichte ausdenken. Ich lasse sie gerne einfach machen und sorge lediglich für geeignete Rahmenbedingungen. Der Kleine schiebt sich einen Stuhl zur Arbeitsplatte und möchte mitschneiden, rühren, sehen, wie das Olivenöl in der gusseisernen Bratpfanne Muster bildet, wie die Butter zerläuft, die Zwiebeln glasieren und der frische Spinat beim Kochen zusammenfällt. Den täglichen gemeinsamen Mahlzeiten geht ein Tischlied voraus, das gehört fest dazu; abends lese ich den Kindern vor. Oft spiele ich auch nur für mich Geige, eine Mozart-Sonate, Telemann, oder aktuell einen kniffligen Sarasate. Die Kinder beschäftigen sich in dieser Zeit wunderbar selbst, Valentin schnappt sich ein Bilderbuch und macht es sich auf dem Sofa gemütlich oder klimpert auf dem Klavier. Und manchmal singt er lauthals mit.

      Für mich war es eine reine Herzensentscheidung, Mutter sein zu wollen. Es ist nicht so, dass ich mir schon mein Leben lang Kinder gewünscht hätte. Wirtschaftliche oder organisatorische Erwägungen spielten bei der Familienplanung keine Rolle. Wenn sie das getan hätten, wäre ich heute nicht Mutter, denn ich hätte es mir objektiv betrachtet wohl nicht leisten können. Das Kind sehe ich als selbständige Person, die ihren eigenen Weg geht. Es ist für mich daher kein Widerspruch, aus ganzem Herzen Mutter und für die Kinder voll da sein zu wollen, und trotzdem (oder gerade deswegen) eigenen Interessen konsequent nachzugehen. Meistens saß ich schon wenige Tage nach der Geburt wieder an meinen Texten und arbeitete, schrieb und telefonierte beruflich. Weil mir meine Arbeit auch Kraft gibt.

      Eigentlich hätte ich durch meinen Beruf allen Grund gehabt, für Fremdbetreuung dankbar zu sein. Doch diese mantrisch vorgetragene Frage, wann ich denn mein Kind in die Kita brächte, entpuppte sich schnell als Denkbox. Ich suchte unseren eigenen Weg. Think outside the box. Was von Anfang an klar war: Mein Kind soll in dieser so prägenden Lebensphase von Menschen umgeben sein, die es aus ganzem Herzen lieben und ihr Leben lang für es da sein werden. Die Erzieher in Kitas arbeiten oft unter schlechten Bedingungen. Sie sind Profis, was ich in diesem Zusammenhang durchaus als Nachteil empfinde, denn wenn die Zeit im Kindergarten endet, dann endet auch die Beziehung zwischen Kind und KindergärtnerIn abrupt. Ein schmerzhafter Vorgang.

      Bedenklich ist für mich ohnehin die eigentliche Karikaturierung des Kindergartens. Ursprünglich gegründet, um den Kindern zu dienen, ihr Leben zu bereichern, bedient er heute im Wesentlichen die Bedürfnisse eines gefräßigen Arbeitsmarktes, der die produktivste Zeit und Kraft der Eltern beansprucht. Oder warum müssen die Kinder unter alles anderen als idealen Bedingungen einen großen Teil der prägenden Wachzeit dort verbringen, oft bis zu neun Stunden am Tag oder sogar noch mehr? Sicherlich sind die Räume hübsch bunt angemalt und die Klobecken niedriger, kindgerecht, aber sonst? Bei meinen Großen erinnere ich mich, wie ich die Geräuschkulisse in diesem recht kleinen christlichen Kindergarten mit »nur« siebzig Kindern so unerträglich laut und die Räume im Winter überheizt fand, dass ich möglichst schnell weg wollte. Wie kann eine solche Umgebung dann so jungen und voll in der Entwicklung stehenden Menschen ganztags zuträglich sein?

      Kleinkinder haben empfindliche Ohren, und Ohren können sich nicht regenerieren. Auch das ist für mich ein Grund, mein Kleinkind nicht unnötig dem häufig enorm hohen Lärmpegel aussetzen zu wollen. Hinzu kommen die immer gleichen Abläufe oder der Mittagsschlafzwang, aber ich schweife ab! Kurz gesagt, bekommen Kinder unter vier bis fünf Jahren in einem normal aktiven Alltag mehr als genug Eindrücke, die auf ihr Tempo und ihre Bedürfnisse abgestimmt werden können, während sie in einer Einrichtung größtenteils »funktionieren« müssen und eingetaktet werden. Während die Betreuung bei der Tagesmutter für die Fast-Zwillinge Stress bedeutete, freut unser Kleiner sich jetzt auf die gelegentlichen Besuche seiner Babysitterinnen, denn es sind seine Freundinnen und beinahe schon Familienmitglieder.

      Oft habe ich durch die aktuelle Arbeitsmarktsituation und Familienpolitik leider das Gefühl, dass es der größte Luxus überhaupt ist, seine Kinder selbst zu erziehen. Das erscheint mir irrwitzig und stimmt mich oft sehr traurig. Gesellschaftlich erscheint es inzwischen als das Normalste der Welt, kleine Kinder spätestens mit vierzehn Monaten ganztags in eine Gruppenbetreuung zu bringen, wohingegen das Zuhausebleiben eben als »schön, wenn du es dir leisten kannst« kommentiert wird. Dadurch fühle ich mich in meiner täglichen sehr anstrengenden Tätigkeit auch abgewertet, auf jeden Fall nicht unterstützt. Oft bzw. meistens fehlt die Anerkennung. Teilweise sind die gegenwärtigen Erfahrungen recht frustrierend, wenn man nicht über eine große Portion Eigenüberzeugung verfügt. Wirtschaftlich finde ich es belastend, denn einerseits hat man höhere Ausgaben mit Kind und andererseits ein deutlich geringeres Einkommen, weil die Arbeit unbezahlt ist.

      Manche erklären mir, ich dürfe nicht klammern, müsse mein eigenes Leben leben. Als ob das Aufwachsensehen und -begleiten meiner Kinder nicht zu meinem Leben gehörten!? Ich soll es an »Profis« delegieren, weil sie es besser könnten und die Kinder die »Sozialisierung« schon mit einem Jahr bräuchten? Ich bin aber der Meinung, dass es Dinge im Leben gibt, die man besser selbst erledigt. Glaube und Überzeugungen helfen dabei definitiv. Es ist meine innere Überzeugung, wie wichtig diese große Liebe ist, die nur Eltern ihren Kindern entgegenbringen können, die all das erst ermöglicht. Sie wird begleitet von der Freude daran, die zahlreichen täglichen Entwicklungsschritte direkt zu erleben, zu beobachten und zu begleiten. Zum Glück höre ich auch immer wieder ermutigende Bemerkungen wie: »Deine Kinder werden es dir danken.« Leicht wird vergessen, dass selbst größere Kinder mit zehn, elf Jahren noch recht viel Aufmerksamkeit und Zuwendung benötigen. Meine beiden Großen genießen es, wenn sie nach der Schule ein duftendes Essen und ein offenes Ohr erwartet…

      Für die Zukunft junger Eltern wünsche ich mir eine Anerkennung wenigstens in Form angemessener Rentenpunkte, wenn nicht gar ein Betreuungsgehalt als Ausgleich und Ausdruck der Wertschätzung für diese gesellschaftlich relevante Arbeit. Teilzeitarbeit sollte zum Standard werden, junge Väter nicht mehr, sondern weniger arbeiten, sodass die Elternteile sich mehr in die Betreuung einbringen können. Meistens bleibt es bedauerlicherweise weiterhin fast allein an den Frauen hängen. Beide sollten sich für die tägliche Pflege und Erziehung des Kindes verantwortlich fühlen und ihre Arbeitszeit außerhalb der Familie reduzieren.

      Richtig wütend macht es mich allerdings, dass der erste Brief zur Geburt meines Sohnes vom Finanzamt kam und seine Steueridentifikationsnummer enthielt. Mein Kind wird also schon mit einem Startgewicht von wenigen Kilos als potenzieller Steuerzahler identifiziert – aber gefördert wird die von uns Eltern und insbesondere Müttern in den ersten Lebensjahren erbrachte Care-Leistung nur mit einem almosenhaft anmutenden einjährigen Elterngeld. All die Kosten und Betreuungszeit, die Kinder selbstverständlich bis zum 18. Lebensjahr verursachen, scheinen reines Privatvergnügen zu sein, denn selbst das Kindergeld dient ja nur der gesetzlich vorgeschriebenen Steuerfreistellung des Kinderexistenzminimums.

      Mit etwa 150.000 Euro werden heute die Kosten für ein Kind bewertet – ohne die Betreuungsarbeit als Aufwand zu berechnen. Kein Wunder, dass Kinder zu haben heute mit einem hohen Armutsrisiko verbunden ist. Von der hochgefeierten Mütterrente will ich gar nicht erst anfangen. Sie ist skandalös niedrig, nicht einmal ein Bruchteil einer herkömmlichen Miete für eine Stadtwohnung wird davon bezahlt werden können, und dies, obwohl das Rentensystem so aufgebaut ist, dass die zukünftigen Rentner von meiner Arbeit als Mutter abhängig sind. Somit werden von dieser Politik Mütter und damit Frauen, die all ihre Kraft und ihr Geld in die Erziehung ihrer Kinder stecken, mehr denn je ausgebeutet. Sowohl jetzt als


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