Die Welt verdient keinen Weltuntergang. Peter Hamm

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erneut in ein schiefes Licht, weil er ihm ein 1944 entstandenes Gedicht des Czernowitzer Dichters Immanuel Weissglas voranstellt, in dem sich schon einige jener eingängigen Metaphern finden – so die vom Tod als »Meister aus Deutschland« –, die dann erst durch Celans Gedicht geradezu Allgemeingut wurden.

      Zwei der Besonderheiten von Kirstens Anthologie seien zuletzt wenigstens noch angedeutet. Kaum verwunderlich ist das große Gewicht, das er dem Natur- und Landschaftsgedicht einräumt, da es ja seine eigentliche Domäne als Dichter ist. Bei den »Nüssebewisperer«, als die Benn die Dichter der naturmagischen Schule schmähte, lässt Kirsten aber gelegentlich Gnade vor Recht ergehen, obwohl etliche von ihnen auch dann noch, als sich längst die braune Pest etabliert hatte, nur Gräschen und Blümchen wahrnahmen, was von ihnen nach 1945 dann gern als Innere Emigration verklärt wurde. Vor einem genuinen Naturdichter wie Oskar Loerke, der mit seiner »Pansmusik« eines der schönsten Gedichte deutscher Sprache schrieb, der aber das Grauen der Geschichte nie ausblendete und dem die deutsche Barbarei das Herz brach, wird dann doch viel von dem, was sich sonst noch unter dem Etikett Naturlyrik tummelt, zu Makulatur oder entpuppt sich, wie etwa die Gedichte der einmal hochgeschätzten Elisabeth Langgässer, als höheres Kunstgewerbe. Selbst Wilhelm Lehmann, der bei Kirsten auf Gertrud Kolmar folgt, wirkt neben dieser einzig legitimen Erbin der Droste doch ein bisschen bieder.

      Eine andere Besonderheit dieser Anthologie, die sich nur durch Kirstens DDR-Hintergrund, mithin seine antifaschistische Grundhaltung, und durch seine eigene Herkunft verstehen lässt, ist der große und berechtigte Respekt, den er proletarischen oder dem Kampf des Proletariats ergebenen Autoren wie Hans Marchwitza, Hans Lorbeer, Wilhelm Tkaczyk oder Kurt Huhn entgegenbringt, die sich meist aus dem »Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller« oder aus dem KZ kannten.

      Was Hofmannsthal über die Physiognomie sagte – »da blickt hinter jedem einzelnen Gesicht, das uns bedeutend und aufrichtig ansieht, noch aus dunklem Spiegelgrund das rätselhafte Nationalgesicht hervor« –, ließe sich auch über Gedichte sagen, in deren Physiognomie bei aller Individualität doch meist auch etwas aus einem kollektiven Echoraum – nenne man ihn nun Nation, Land oder Volk – mitschwingt. Kirstens Anthologie, die den gesamten deutschen Sprachraum umfasst und gerade an dessen Rändern so oft fündig wird, liest sich auch deshalb so aufregend, weil in ihr so viele verschiedene Idiome vernehmbar sind, wobei das Österreichische, das Czernowitz, Budapest und Prag mit einschließt, sicher das tonmächtigste ist und von den psalmodierenden welthaltigen Sonetten des Jesse Thoor bis zu den ganz aufs Lokale bezogenen volkstümlich schlichten, aber nie volkstümelnden Gedichten Theodor Kramers reicht. Bei den Schweizer Dichtern hingegen ist, von Robert Walser und Regina Ullmann über Albin Zollinger und Albert Ehrismann bis zu Silja Walter u. v. a., oft noch jene von Walter Benjamin an den Büchern Robert Walsers gerühmte »bäuerliche Sprachscham« zu bemerken, die ihren Gedichten den Ausdruck des stetigen Ansichhaltens verleiht und sie bis an die Grenze des Verstummens führen kann (»Der Mensch ist stumm. / Man muss die Stummheit ohne Trauer tragen«, endet Albert Ehrismann ein Gedicht).

      Mit Wulf Kirstens Anthologie »Beständig ist das leicht Verletzliche«, der man prophezeien kann, dass sie sich bald als der große Kirsten unentbehrlich machen wird, hat Egon Ammann am Ende seiner großartigen Verlegerlaufbahn allen deutschsprachigen Lyrikfreunden ein generöses Abschiedsgeschenk gemacht, für das ihm Anerkennung und Dank gebührt.

       Erstdruck in: Neue Zürcher Zeitung, 19. 6. 2010.

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