Deutsche Geschichte (Band 1-3). Ricarda Huch
unerschütterlich der gleiche war, aus Heiterkeit und Zorn immer wieder in das Gleichgewicht ruhigen Ernstes übergehend. Friedrich II. liebte es, mit den Dingen zu spielen, es gab nichts, was seine italienische Skepsis nicht benagte; aber er selbst wollte sehr ernst genommen sein, und das geheiligte Fundament, auf das er sich stellte, durfte nicht angetastet werden. Er erlaubte sich kecke Scherze über christliche Glaubenssätze, betonte aber zugleich seine Rechtgläubigkeit, verfolgte die Ketzer und führte die Sprache des bibelfesten Bekenners im witzigen Munde. Sein scharfer Verstand durchdrang Dinge und Menschen, durchschaute alle Falschheiten und sah hinter hochtrabenden Ankündigungen die niedrigen Absichten; das gab ihm ein Gefühl der Überlegenheit und ließ ihn die Menschen verachten. Vor nichts hatte er Ehrfurcht außer vor seiner kaiserlichen Würde. Er ermahnte seinen Sohn Konrad, eifrig zu studieren, damit er tüchtig und weise werde. Denn die Könige, schrieb er ihm, werden geboren wie die übrigen Menschen und sterben auch wie sie. Sie hörten auf, Könige zu sein, wenn sie die königliche Weisheit vergäßen und sich von Privatinteressen beherrschen ließen. Dann aber sprach er von dem edlen Blut der Fürsten, dem ein feiner und edler Geist eingegossen sei, und er pflegte vom Blut der Staufer als vom Reichsgeblüt oder dem Blut der Göttlichen zu sprechen. Solche Ausführungen waren zuweilen ein Redeprunk, den er für angemessen hielt und über den er in manchen Augenblicken vielleicht lachte, da er wirklich überzeugt war, daß Könige Menschen wären wie alle Menschen; zugleich aber fühlte er sich hoch über allen Menschen sowohl durch seine Abkunft wie durch seine Begabung und Persönlichkeit. Er hatte zu seinem kühlen Verstande und nüchternen Scharfblick die Vehemenz des Genies und das schmerzlich selige Selbstbewußtsein des Letzten einer bedeutenden Familie. Auch seine äußerliche Erscheinung war nicht einfach: man rühmte sein schönes Gesicht und sein königliches Auftreten, aber seine Kurzsichtigkeit und früh eintretende Kahlköpfigkeit veranlaßten einen Araber zu der Bemerkung, als Sklave würde er nicht viel gegolten haben. Da er das Schillernde seines Wesens und das Vielfachgeschliffene seines Geistes empfand, liebte er die schlichten, festgegründeten, einfachen Menschen wie Hermann von Salza und Landgraf Ludwig den Heiligen von Thüringen; diesen hatte er durch Hermanns Vermittlung kennengelernt. Auch darin war er italienisch, daß ihm Freundschaft der Männer mehr galt als Liebe der Frauen. Er war viermal verheiratet und hatte Liebesverhältnisse mit mehreren Frauen, ohne daß eine jemals Einfluß auf ihn gehabt zu haben scheint. Die Söhne, die aus den flüchtigen Verbindungen hervorgingen, liebte er mehr als die rechtmäßigen. Auch die Nahestehenden sah er zuweilen mit den Schlangenaugen an, die seine Feinde ihm zuschrieben, voll böser Kälte, und doch konnte er rückhaltlos vertrauen und warmherzige edle Männer an sich fesseln.
Hermann von Salza verstand den schwer zu durchdringenden italienisierten Staufer in seiner Größe und wußte ihn anderen verständlich zu machen. Ihm hauptsächlich mag es zu verdanken gewesen sein, daß eine Versöhnung zwischen Papst und Kaiser stattfand und daß diese vorläufige Klammer eine Zeitlang hielt. Die Ordnung seines sizilianischen Staates und ein Aufenthalt in Deutschland beschäftigten den Kaiser; sowie er aber mit einem auserlesenen, hauptsächlich aus Süddeutschen bestehenden Heere zurückkehrte, um die Lombardei zu unterwerfen, brach Gregor aus der mühsam bewahrten Zurückhaltung vor. Die Argumente, deren er sich bediente, waren die eines Papstes, aber sein Haß war der eines Königs von Rom und Italien. Friedrich solle nicht die Lombarden bekämpfen, sagte er, sondern die Sarazenen, mit denen aber verkehre er in Freundschaft, einer schnöden, verwerflichen für einen christlichen Kaiser. Solle er Italien, sein Erbland, verlieren, rechtfertigte sich Friedrich, um das entfernte Land der Sarazenen zu erobern? Wäre er, ein einzelner Mensch, imstande, die mächtigen Sarazenen zu besiegen? Gerade darum wolle er Italien unterwerfen, das reich an Waffen, Pferden und allen erdenklichen Schätzen sei, weil er diese Schätze zum Kampfe gegen die Ungläubigen verwenden wolle. Als dann Friedrich seine natürliche Tochter Selvaggia dem Ezzelino von Romano zur Frau gab und damit einen treuergebenen Anhänger in der Lombardei gewann, seinen Sohn Enzio mit der Erbin von Sardinien verheiratete, über das der Papst Lehensrechte zu haben behauptete, als er endlich den entscheidenden Sieg bei Cortenuova über die Mailänder erfocht, schleuderte der Alte in wütender Verzweiflung alle Waffen gegen den triumphierenden Feind, die ihm zur Hand waren. In der Bulle Ascendit de mare, Aus dem Meer steigt ein Tier, goß er über ihn aus, was der Haß ihm eingab und was sich ihm an Verleumdung und Klatsch darbot. Friedrich spiegele der Welt vor, er habe das Heilige Land befreit; in Wirklichkeit habe der Sultan nichts als die Mauern Jerusalems ihm abgetreten. Er verfolge die Christen, nicht die Sarazenen. Er habe gesagt, die Welt habe sich durch drei Betrüger täuschen lassen: Jesus, Moses und Mohammed, zwei von ihnen seien auf der Höhe ihres Ruhmes gestorben, der dritte, Jesus, sei am Galgen aufgehängt worden. Er leugne, daß Gott von einer Jungfrau geboren sei, er behaupte, daß die Menschen nichts zu glauben brauchten, was nicht durch die natürliche Vernunft bewiesen werden könne. Er sei ein Ketzer, das Tier der Apokalypse, der Vorläufer des Antichrist; er sei es und höre es gern, wenn man ihn so nenne.
An einem Tage des Jahres 1239, während Friedrich in Padova, wo er mit einem Elefanten, fünf Leoparden und 24 Kamelen im Kloster Santa Giustina abgestiegen war, auf der Stadtwiese den Spielen zusah, die dort jährlich abgehalten wurden, exkommunizierte ihn der Papst von neuem. Das traf ihn tief; wie wenig er auch sein Seelenheil dadurch gefährdet glauben mochte, so wenig unterschätzte er doch die Folgen des Bannes durch das Vorurteil der Menschen. Nicht nur, daß seine Feinde sich seiner bedienen konnten, auch unter seinen Anhängern erregte er Unsicherheit. Im Banne war er nicht mehr der Unantastbare, der heilige Kaiser; er war gebrandmarkt, ob zu Recht oder Unrecht. Zunächst allerdings wurde die Stellung des Kaisers nicht erschüttert. Frankreich, das Gregor mit der Kaiserkrone lockte, die er dem französischen König zuzuwenden versprach, lehnte vorsichtig ab. Wie komme der Papst dazu, wurde ihm geantwortet, einen so großen Fürsten vom Throne zu stoßen, ohne daß er der ihm vorgeworfenen Verbrechen überführt sei? Das könne nur ein Konzil tun. Würde der Papst mit französischer Hilfe den Kaiser entthronen, würde er alle Fürsten der Welt mit Füßen treten, stolz geworden, weil er den großen Friedrich zerschmettert habe. Ebensowenig ließen sich die deutschen Fürsten zum Abfall bewegen, sie drangen viel mehr in den Papst, der Zwietracht ein Ende zu machen, die das Reich mit Aufruhr und Mord erfülle. Die Volksstimmung in Deutschland war vollends ganz und gar kaiserlich. »Römische Sendlinge und ihr Gebot – Ist jetzt Pfaffen- und Laienspott«, sang der Dichter Freidank. In Schwäbisch-Hall traten Ketzer auf, die behaupteten, der Papst, die Bischöfe und Prälaten wären Ketzer, Kaiser Friedrich und sein Sohn Konrad wären vollkommen und gerecht. Auch kriegerisch hatte Friedrich Erfolge. Er drang siegreich im Kirchenstaate vor, und Gregor geriet in Gefahr, sein Gefangener zu werden. Er erbot sich zum Frieden unter der Bedingung, daß die lombardischen Städte einbezogen würden, was Friedrich ablehnte.
Ungefähr zur selben Zeit, als Gregor den Bann über den Kaiser verhängte, starb Hermann von Salza, der als sein guter Genius begütigend und vermittelnd neben ihm hergegangen war. Ein grausamer Zug tritt seitdem mehr und mehr in Friedrichs Wesen hervor. Wer sich ihm widersetzte oder ihm zu widerstreben schien, wurde ohne Nachsicht, hohnvoll, dem Untergang geweiht. Die Dominikaner und Franziskaner, die dem Papst anhingen, wurden aus dem Königreich Sizilien vertrieben. Als die Belagerung von Faenza, einer päpstlichen Stadt, sich lange hinzog, ließ der Kaiser siebzig Bürger, die aufgegriffen waren, aufhängen. Ebenso einen Sohn des Dogen von Venedig, weil er mit den Venetianern im Streit war und sie ihn geschädigt hatten. Die Gesandten, die zu Schiff nach Rom reisten, um einem Konzil beizuwohnen, das der Papst berufen hatte, nahm Friedrichs Sohn Enzio nach einer siegreichen Seeschlacht gefangen. Nicht nur, daß der Erzbischof von Besançon dabei ertrank, es starben noch mehrere während der langen Gefangenschaft, in der Friedrich sie hielt. Dies Verfahren gegen hohe Geistliche verschiedener Länder wirkte verstimmend. Der Kaiser aber drang unaufhaltsam gegen Rom vor, immer enger zog er die Schlinge um den geängsteten Gregor; da entriß der Tod den alten Mann seinem Feinde und bewahrte die Welt vor dem Zusammenstoß der rasenden Gestirne.
In Gregors Nachfolger, dem Genuesen Innocenz IV., hoffte Friedrich einem ihm wohlgesinnten Manne zu begegnen; aber der Papst führte die kaiserfeindliche Politik Gregors, womöglich schärfer, unerbittlicher fort. Verkleidet floh er nach Rom, versammelte dort ein Konzil und entthronte und verfluchte Friedrich in Gegenwart von dessen Kanzler Thaddaeus von Suessa, der vergeblich seinen Herrn zu verteidigen versuchte. In Deutschland erklärten sich die Erzbischöfe von Mainz und Köln für den Papst; sie setzten die Wahl