KOMPASS - Zürcher Kompetenztraining für Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen. Maya Schneebeli

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Begrenzte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten in mindestens einem der folgenden Bereiche:

      a. umfassende Beschäftigung mit gewöhnlich mehreren stereotypen und begrenzten Interessen, die in Inhalt und Schwerpunkt abnorm sind; es kann sich aber auch um ein oder mehrere Interessen ungewöhnlicher Intensität und Begrenztheit handeln;

      b. offensichtlich zwanghafte Anhänglichkeit an spezifische, nicht-funktionale Handlungen oder Ritualen;

      c. stereotype und repetitive motorische Manierismen mit Hand- oder Fingerschlagen oder Verbiegen, oder komplexe Bewegungen des ganzen Körpers;

      d. vorherrschende Beschäftigung mit Teilobjekten oder nicht funktionalen Elementen des Spielmaterials (z. B. ihr Geruch, die Oberflächenbeschaffenheit oder das von ihnen hervorgebrachte Geräusch oder ihre Vibration).

      C. Das klinische Bild darf sich nicht einer anderen Störung zuordnen lassen (z. B. andere tiefgreifenden Entwicklungsstörung, Sprachentwicklungsstörung, Intelligenzminderung, Bindungsstörung, Schizophrenie).«

      Die Auffälligkeiten in diesen Bereichen äußern sich bei Menschen mit Frühkindlichem Autismus in einem Mangel an Verständnis für und der Äußerung von Gefühlen, in einer fehlenden Modulation des Verhaltens entsprechend des sozialen Kontextes, in mangelndem Interesse an Menschen, mangelnder Flexibilität sowie in einem Bedürfnis nach Wiederholung, das sich in stereotypem Verhalten zeigt. Es kommt häufig zu einer übermäßigen Bindung an unbelebte Objekte und zu Sonderinteressen, die meistens unüblich sind und den Alltag dieser Personen sowie den ihrer Mitmenschen dominieren (Remschmidt et al. 2006). Die zeitliche Beanspruchung zusammen mit der notwendigen Konzentration und Energie, die in diese Sonderinteressen gesteckt werden, führen häufig zu sozialer Isolation (Poustka et al. 2008; Bennett et al. 2008).

      Bis zu 70% aller Kinder mit Frühkindlichem Autismus weisen eine leichte oder deutliche intellektuelle Beeinträchtigung auf (Chakrabarti und Fombonne 2001; Fombonne 2005) (image Kap. 1.3). Die Sonderinteressen, die manchmal den Eindruck einer überdurchschnittlichen Intelligenz geben können, sind eher als Inselbegabungen zu sehen, welche aus einem insgesamt unterdurchschnittlichen Leistungsprofil herausragen (Remschmidt et al. 2006). Bis zu 70% der Kinder mit Frühkindlichem Autismus entwickeln keine funktionale verbale Sprache (Chakrabarti und Fombonne 2001).

      1.1.2 Asperger-Syndrom (gem. ICD-10 F84.5)

      Hans Asperger, der 1944 das Syndrom erstmalig beschrieb, verwendete den Begriff der Autistischen Psychopathie. Lorna Wing rückte das Störungsbild zu Beginn der 1980er-Jahre wieder in die Aufmerksamkeit der Kliniker und Forscher. Erst 1992 wurde es in die ICD-10 und 1994 in das DSM-IV aufgenommen und international bekannt (Remschmidt et al. 2006). Das Asperger-Syndrom unterscheidet sich vom Frühkindlichen Autismus durch zwei Aspekte: Es lässt sich weder eine sprachliche noch eine allgemeine Entwicklungsverzögerung feststellen (Baron-Cohen 2006).

      Die diagnostischen Kriterien des Asperger-Syndroms (F84.5) lauten nach den Forschungskriterien der ICD-10 (Remschmidt et al. 2006):

      »A. Es fehlt eine klinisch eindeutige allgemeine Verzögerung der gesprochenen oder rezeptiven Sprache oder der kognitiven Entwicklung. Die Diagnose verlangt, dass einzelne Worte bereits im zweiten Lebensjahr oder früher und kommunikative Phrasen im dritten Lebensjahr oder früher benutzt werden. Selbsthilfefertigkeiten, adaptives Verhalten und die Neugierde an der Umgebung sollten während der ersten drei Lebensjahre einer normalen intellektuellen Entwicklung entsprechen. Allerdings können Meilensteine der motorischen Entwicklung etwas verspätet auftreten und eine motorische Ungeschicklichkeit ist ein häufiges (aber kein notwendiges) diagnostisches Merkmal. Isolierte Spezialfertigkeiten, oft verbunden mit einer auffälligen Beschäftigung sind häufig, aber für die Diagnose nicht erforderlich.

      B. Qualitative Beeinträchtigung der gegenseitigen sozialen Interaktion (entsprechend den Kriterien für Frühkindlichen Autismus).

      C. Ein ungewöhnlich intensives, umschriebenes Interesse oder begrenzte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten (entspricht dem Kriterium für Autismus, hier sind aber motorische Manierismen, ein besonderes Beschäftigtsein mit Teilobjekten oder mit nicht-funktionalen Elementen von Spielmaterial ungewöhnlich).

      D. Die Störung ist nicht einer anderen tiefgreifenden Entwicklungsstörung oder sonst einer Störung (F21, F20.6, F94.1, F94.2, F60.5, F42) zuzuordnen.«

      Die Sprache von Menschen mit einem Asperger-Syndrom kann insofern auffällig sein, da sie ohne Anpassung an den Zuhörer und seine Interessen erfolgt und die Stimme monoton und nur mit geringer Modulation versehen ist.

      Während sich die diagnostischen Kriterien von ICD-10 und DSM-IV gleichen, finden sich in der neueren Forschungsliteratur weitere, abweichende Vorschläge zur Definition (Remschmidt et al. 2006; Poustka et al. 2008): die diagnostischen Kriterien nach Gillberg (Gillberg und Gillberg 1989, Gillberg 2002), nach Szatmari (Szatmari et al. 1989) und nach Klin (Klin et al. 2005). Besonders diskutiert werden das Kriterium des Erstmanifestationsalters, der Einschluss der sprachlichen Auffälligkeiten im verbalen und nonverbalen Bereich sowie der motorischen Ungeschicklichkeit und die Bedeutung der Spezialinteressen. Außerdem werden die Ausschlusskriterien einer verzögerten Sprachentwicklung und einer nicht durchschnittlichen Intelligenz infrage gestellt. Ferner ist noch nicht ausreichend geklärt, inwieweit sich der sogenannte High-Functioning-Autismus (image Kap. 1.1.5) vom Asperger-Syndrom abgrenzen lässt (Ghaziuddin und Mountain-Kimchi 2004). Im Bereich der exekutiven Funktionen (image Kap. 1.5.1) finden Ozonoff et al. (1991a) sowie Ozonoff et al. (1991b) Unterschiede, Verté et al. (2006) hingegen keine.

      1.1.3 Atypischer Autismus (gem. ICD-10 F84.1)

      Beim Atypischen Autismus handelt es sich um eine Störung, bei der mindestens ein für die Diagnose des Frühkindlichen Autismus erforderliches Kriterium nicht erfüllt ist. Nach ICD-10 (Remschmidt et al. 2006) werden drei Typen von Atypischem Autismus unterschieden:

      • Autismus mit atypischem Erkrankungsalter (F84.10): Die diagnostischen Kriterien des Frühkindlichen Autismus sind erfüllt, das Manifestationsalter ist jedoch verspätet, die auffällige oder beeinträchtigte Entwicklung wird erst nach dem dritten Lebensjahr deutlich.

      • Autismus mit atypischer Symptomatologie (F84.11): Es fehlen notwendige Symptome aus einem der folgenden drei Bereiche – soziale Interaktion, Kommunikation oder repetitiv-stereotype Verhaltensweisen.

      • Autismus mit atypischem Erkrankungsalter und atypischer Symptomatologie (F84.12): Sowohl das Erkrankungsalter als auch die Symptomatologie entsprechen nicht den Kriterien für die Diagnose eines Frühkindlichen Autismus.

      1.1.4 Nicht näher bezeichnete tiefgreifende Entwicklungsstörung (gem. ICD-10 F84.9)

      Diese Restkategorie wird verwendet, wenn die allgemeine Beschreibung für eine tiefgreifende Entwicklungsstörung zutrifft, ein Mangel an ausreichenden Informationen oder widersprüchliche Befunde aber dazu führen, dass die Kriterien für die einzelnen F84 Kodierungen nicht erfüllt werden können. Diese Restkategorie taucht häufig in Studien aus dem englischsprachigen Raum unter der Bezeichnung Pervasive Developmental Disorder Not Otherwise Specified (PDD NOS) auf.

      1.1.5 High-Functioning-Autismus

      Der High-Functioning-Autismus stellt eine Untergruppe des Frühkindlichen Autismus dar. Es gibt Menschen mit Frühkindlichem Autismus, die eine durchschnittliche Intelligenz (IQ > 85) oder eine Lernbehinderung (70 < IQ < 85) haben und trotz einer anfänglich


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