Der werfe den ersten Stein - Ein Schweden-Krimi. Thomas Kanger

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      »Das hast du sehr gut gemacht. Würdest du bitte hier warten, mein Kollege ist im Augenblick nicht da. Er will sich bestimmt ausführlicher mit dir unterhalten. Es wird noch eine Weile dauern, das verstehst du hoffentlich.«

      »Ich verstehe«, sagte Peter mit ernster Miene. »Ich bin bereit, zu erzählen, was ich weiß.«

      Der Junge spricht einen Dialekt, dachte Elina, vielleicht aus Schonen, jedenfalls irgendeinen Dialekt aus dem Süden. Warum wurde das nicht bei unserer Morgenbesprechung erwähnt? Die Rettungsassistentin von der Leitzentrale muss das doch gehört haben. Es ist mindestens genauso wichtig wie zu wissen, dass er eine helle Stimme hat.

      Sie nahm den Telefonhörer ab, rief Egon Jönsson auf seinem Handy an und erzählte ihm, was passiert war. Jönsson sagte, er werde innerhalb von fünf Minuten im Revier sein.

      Als Erstes schaute Jönsson in Elina Wiiks Notizblock, als er kam.

      »Du heißt also Peter Adolfsson und bist Zeitungsbote«, sagte er. Das klang eher wie eine Feststellung und nicht wie eine Frage. »Lass uns in das Zimmer dort gehen, ich möchte deine Zeugenaussage gern auf Band aufnehmen.«

      Er führte den Jungen zu einem der Hinterzimmer. Dann kehrte er zu Elina zurück.

      »Jetzt übernehme ich«, sagte er. »Kümmere du dich um die Leute hier, falls noch welche kommen. Und ruf Enquist an, ich möchte, dass er bei dem Verhör dabei ist. Adolfsson muss solange warten, bis er kommt.«

      Jönsson sah auf die Uhr.

      »Ich ruf inzwischen Kärnlund an und erstatte ihm Bericht«, murmelte er vor sich hin.

      Oskar Kärnlund hatte die Pressekonferenz auf drei Uhr festgesetzt. Peter Adolfssons Auftauchen könnte vielleicht bedeuten, dass sie in den Ermittlungen einen Schritt vorankamen, aber das konnte er den Journalisten nicht sagen. Eine Bestätigung, dass es sich bei dem Toten im Bürgerhaus um den Hausmeister Karl Johansson handelte, hatte er auch noch nicht bekommen. Sie hatten den Medien nicht viel zu sagen.

      Die Pressekonferenz war gut besucht. Außer der Vestmanlands Länstidningen, die drei Reporter und einen Fotografen geschickt hatte, waren Fernsehteams zur Stelle. Das eine Team war vom regionalen Nachrichtensender, das andere von TV4. Das Lokalradio war mit zwei Leuten vertreten, beides junge Frauen. Eine von ihnen wollte direkt senden, die andere wollte Interviews für die späteren Nachrichtensendungen machen. Außerdem war der Redakteur der Sendereihe »Die Arbeit« von P1 da, ein Programm, das von Västerås gesendet wurde. Er wollte Geräusche zu einem Beitrag über das Arbeitsmilieu der Polizei aufnehmen. Stockholms Abendzeitungen hatten Reporter und Fotografen geschickt, aber von den Morgenzeitungen des Landes ließ sich kein Journalist blicken.

      Oskar Kärnlund begrüßte sie.

      »Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir einen Toten im Gebäude gefunden haben«, sagte er dann. »Die Person ist stark verbrannt und bis jetzt konnten wir sie noch nicht identifizieren. Unsere Spurensicherung sowie die des Rettungsdienstes vor Ort arbeiten fieberhaft daran, um die Brandursache herauszufinden. Es ist allerdings noch zu früh, um zu sagen, zu welchem Ergebnis sie kommen werden. Sonst gibt es in diesem Augenblick nicht viel zu berichten. Aber ich will gern auf Fragen antworten, wenn ich es kann.«

      Mehrere Leute erhoben ihre Stimme, aber wie üblich gewann der Polizeireporter der Länstidningen den Kampf ums Wort.

      »Deutet schon etwas darauf hin, dass es sich um Brandstiftung handelt?«, fragte der Reporter.

      »Unseren derzeitigen Ermittlungsstand kann ich nicht kommentieren«, sagte Kärnlund. »Aber wir arbeiten jedenfalls mit der These Brandstiftung.«

      »Haben Sie einen Verdacht oder sehen Sie einen Zusammenhang mit früheren Brandstiftungen in Surahammar?«, fuhr der Reporter fort.

      »Sie denken an die Brände, die sich vor einigen Jahren ereignet haben? Die alte Kirche, die 1998 abgebrannt ist, der Västsura Herrenhof und einiges mehr. Das ist jetzt drei Jahre her, eine Verbindung kann also nicht ohne weiteres hergestellt werden. Die Fälle sind außerdem ungelöst, liefern uns also keine direkte Spur. Aber wir schließen natürlich nichts aus. Wir werden die Ergebnisse der technischen Untersuchungen im Bürgerhaus mit den Erkenntnissen früherer Brände vergleichen.«

      Es folgten mehrere Fragen nach dem Toten, der gefunden worden war. Nach zwanzig Minuten, als die Fragen zu versiegen schienen, ertönte von den hinteren Stuhlreihen eine laute und deutliche Stimme, die viele im Raum kannten. Es war die von Ernst Gunnarsson, dem Redakteur von »Die Arbeit«.

      »Im Entree vom Bürgerhaus fand eine Ausstellung gegen Rassismus statt«, sagte er. »Ich weiß zufällig, dass es eine kleine Gruppe von Neonazis beeinflusste Jugendliche im Ort gibt. Haben Sie die verhört?«

      Oskar Kärnlund schwieg eine Weile, als würde er darüber nachdenken, was er antworten sollte. Von den Neonazis wusste er nichts. Die Sicherheitspolizei hatte keinen Ton darüber verlauten lassen, und soweit er wusste, waren in Surahammar keine rassistisch oder politisch geprägten Verbrechen vorgekommen.

      »Ich kann Ihnen leider nichts darüber sagen, wen wir verhört haben«, antwortete er und stützte die Handflächen auf den Tisch, das übliche Zeichen, dass es jetzt Zeit war, sich zu erheben. Aber Gunnarssons Frage löste einen Sturm von weiteren Fragen der beiden Reporter von den Stockholmer Abendzeitungen aus, die eine neue Tendenz für ihre Artikel witterten. Als diese beiden begriffen, dass sie von Dezernatchef Kärnlund nicht mehr erfahren würden, verließen sie rasch die Pressekonferenz und fuhren mit ihren Autos nach Surahammar. Es kam darauf an, als Erster die Nazibrut zu finden.

      Kurz nach sechs beschloss Elina Wiik, nach Hause zu fahren. In der letzten halben Stunde war niemand mehr gekommen. Sie sah, dass die Fußgängerzone fast menschenleer war. Jönsson war schon vor zwei Stunden gegangen. Elina war neugierig, was das Verhör von Peter Adolfsson ergeben hatte, aber da Jönsson Adolfsson hinausbegleitet hatte und danach nicht mehr zurückgekehrt war, hatte sie ihn nicht fragen können.

      Während sie ihre Sachen einpackte, kamen Niklasson und die drei anderen Kriminalbeamten, die an der Türklopfaktion beteiligt gewesen waren.

      Wie auf Bestellung, dachte Elina.

      Sie hatte keinen Schlüssel zu einem der beiden Autos, die noch da waren, nachdem Jönsson weggefahren und Enquist mit seinem Auto nach Hallstahammar aufgebrochen war.

      »Wir hören jetzt auf«, sagte Niklasson. »Du kannst mitfahren, Wiik.«

      Auf dem Heimweg berichtete Elina von ihrem Eindruck, den sie von Peter Adolfsson hatte. Niklasson sagte, ihre Aktion habe nichts ergeben, was sie weiterbrächte. Dann schwiegen sie. Elina sah Niklasson von der Seite an, während er fuhr.

      Vermutlich um die fünfunddreißig, dachte sie, hübscher Kerl. Möchte wissen, ob er verheiratet ist. Dann dachte sie an Martin und musste lachen. Niklasson war vor ihren Augen geschrumpft.

      »Worüber lachst du?«, fragte Niklasson.

      »Nichts«, antwortete Elina und schlug die Beine übereinander. »Gar nichts.«

      5

      Die Uhr im Stadthausturm schlug jede Stunde, nicht damit die Einwohner wussten, was die Stunde geschlagen hatte, denn schon das kleinste Kind, das Zahlen lesen konnte, besaß eine Armbanduhr, sondern um gleichsam zu vermitteln, dass alles ruhig war. Dass die Obrigkeit über die Ihren wachte. In dieser Beziehung unterschied sich das Stadthaus von Västerås nicht vom Polizeipräsidium.

      Genau wie das Präsidium war das Stadthaus ein graues Viereck. Aber während das Polizeigebäude verschlossen wirkte, öffnete sich das Stadthaus für die Allgemeinheit. Die Eingangstreppe weitete sich zu einem kleinen Platz. Die Steinfassade ließ das Gebäude lebendig wirken. In Västerås sprachen die Häuser zu den Bewohnern der Stadt.

      Als Egon Jönsson sich den Betonmauern des Präsidiums näherte, schlug die Stadthausuhr sieben. Er kurbelte das Seitenfenster seines Volvo 740 hoch, parkte vor dem Eingang und ging hinein. Es war Freitag, der 4. Mai. Man hatte ihm eine Abschrift vom Verhör mit Peter


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