Wer braucht schon eine Null. Christine Corbeau

Wer braucht schon eine Null - Christine Corbeau


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zwei Monaten ziemlich vernachlässigt. Ging nicht anders, weil ich spontan die Chance zu nem Praktikum bekommen habe.«

      »Okay, das ist zwar blöd, aber verständlich. Wo warst du denn?«

      »Ach, hat Simon dir das gar nicht erzählt?«

       Nicht doch.

      »Nö, wir haben aktuell nicht so viel Zeit gehabt, um uns auszutauschen.«

      »Ach, dann ist ja klar, dass du mich missverstehst. Ich war bei ihm und hab sogar da in der WG pennen können.«

       Aus der Nummer kommst du nicht so schnell wieder raus. Also los. Augen zu und durch.

      Ich schloss kurz die Augen, atmete tief durch und ignorierte das ungute Gefühl, das von der Magengegend her in mir aufstieg. »Oh. Aha. Und … wie war’s so?«

      »Och, eigentlich ganz cool. Das Praktikum passte prima zum Thema meiner Master-Arbeit und ich konnte endlich mein Englisch mal so richtig aufpolieren. Ist da total international.«

      »Hmm … und in der WG?«

       Will ich das überhaupt wissen?

      »Na da sowieso. Der dritte WG-Partner ist gerade für’n Vierteljahr nicht da. Also konnte ich bei dem im Zimmer schlafen. Wenn die Plastiktüte nicht gewesen wäre, dann …«

      »Plastiktüte?«

      »Ach, na ja, so nenn ich sie halt. Die bewohnt das andere Zimmer. Heißt eigentlich Egita Meilutytė, aber weil so viel an ihr gemacht ist, passte das …«

      »Was?«, rutschte es mir heraus, obwohl meine Kehle sich wie zugeschnürt anfühlte.

       Drei Zimmer. Simon, ein Typ, der nicht da ist und eine … Tüte?

      »Was? Na, ich denke, sie hat Extensions. So lange Haare hat kein Mensch. Blond natürlich, auch wenn ich denke, die sind gebleicht oder wie man das nennt.«

      Ich krächzte.

       Verdammt. Wo ist die Luft, wenn ich sie brauche, um »Hör auf!« zu sagen?

      Durch mein Schweigen schien Thorben sich aufgefordert zu fühlen, weiter nachzulegen. »Ja. Die Möpse sind definitiv gemacht und ich denke, auch in den Lippen hat sie was drin. Dieser Schmollmund …«

      Ich versuchte es mit einem Räuspern. Es klang in meinen Ohren eher wie ein Todesröcheln.

      »Insgesamt irgendwie eine Mischung aus Barbie und ner nordischen Elfe.«

      »Alles klar«, hauchte ich. »Ich kann’s mir vorstellen.«

       Menno, Freitag, wir waren doch gerade dabei uns ein bisschen miteinander anzufreunden.

      »Das Einzige, was an ihr genervt hat, war das ständige Gekoche. Ach, wir sind schon da.«

       Dann war sie das eben in der Küche!

      »Wie?«

      »Na bei dir zu Hause.«

      »Was?«

      »Ähm, was meinst du denn jetzt?«

      »Ich … also … ähm«, stammelte ich, während ich all die Informationen einzuordnen versuchte, die gerade auf mich eingeprasselt waren. Ich wollte Thorben eben antworten, als sein Handy klingelte.

      Er schaute aufs Display und ein Lächeln ließ sein ganzes Gesicht erstrahlen. »Das ist Charly. Brauchst du noch was oder kann ich …«

      »Nee, alles gut. Danke schön.«

       Sie ist all das, was ich nicht bin.

       Und sie ist bei ihm.

       Wenn ich ihn richtig einschätze, dann steht er nicht auf solche Ersatzteillager.

       Aber sie ist bei ihm.

       Und was ist, wenn es einfach nur die Gelegenheit macht?

       Denn sie ist bei ihm.

      Mit kraftlosen Fingern versuchte ich, den Türöffner zu betätigen, doch die Tür ging nicht auf. Ein Blick nach unten zeigte mir, dass ich stattdessen dabei war, die Seitenscheibe hinunterzukurbeln.

       Aus dem Fenster springen wär jetzt gar nicht mal so übel. Aber dafür ist’s nicht hoch genug.

      Ein hysterisches Kichern stieg in meiner Kehle auf. Also riss ich stattdessen am Türöffner und sprang aus dem Auto. Kaum dass ich das getan hatte, warf Thorben mir augenzwinkernd eine Kusshand zu und brauste vom Hof. Eine kleine Weile lang sah ich seinem Wagen hinterher. Dabei bemühte ich mich, in der Realität eine Antwort auf die Fragen zu finden, die hilflos in meinen Gedanken herumflatterten, wie Vögel, die einfach nicht in der Lage waren, die offene Käfigtür zu entdecken.

      Ein stechender Schmerz in meinem rechten Fuß holte mich aus der Gedankenspirale. Ich blickte nach unten und stellte fest, dass ich ja barfuß auf dem geschotterten Platz stand. Vorsichtig verlagerte ich das Gewicht auf mein anderes Bein und hob den Fuß hoch, um die Fußsohle begutachten zu können. Sie war dreckig und ein besonders spitzes Steinchen hatte sich dort hineingebohrt. Zum Glück ließ es sich abstreifen und der Schmerz verebbte prompt. Ebenfalls zum Glück war es nicht die Glasscherbe gewesen, die nur Zentimeter daneben gelegen hatte. Was jedoch nicht abebbte, war das taube Gefühl in meiner Brust, das das Fehlen von etwas anzeigte, das mich bis eben noch begleitet hatte.

       Na bitte. Zwei von dreien. Wahrscheinlich muss ich dir dafür noch dankbar sein, Freitag.

      Ich tapste vorsichtig die Meter bis zum Hauseingang, um mein zweifelhaftes Glück nicht doch noch herauszufordern, und trottete die Stufen hoch, bis ich an der Wohnungstür angekommen war. Ich hatte sie noch nicht einmal hinter mir geschlossen, als auch schon Hannes seinen Kopf durch die Küchentür in den Flur streckte.

      »Und? Hat’s geklappt?«

      Ich schaute ihn verständnislos an.

       Was soll denn geklappt haben? Ach ja, die Arbeit. Erstaunlich, wie schnell eine Katastrophe die andere überlagern kann.

      Ich zuckte mit den Schultern und versuchte mich an einem neutralen Gesichtsausdruck. Hannes war zwar der Einzige, dem ich vielleicht etwas über meine neuesten Erkenntnisse erzählen würde, aber das war alles einfach noch zu frisch. Unnötig, ihn schon jetzt damit zu belasten.

      »Kann ich nicht wirklich sagen. Die Datei konnte ich schon mal nicht entfernen lassen. Hab aber keinen Plan, ob das nun alles zunichtemacht. Der Giftzwerg hat Andeutungen gemacht, die ich nicht einschätzen kann. Ich muss einfach abwarten.«

      »Ach, Mensch, Kopf hoch. Das wird schon. Fahr du jetzt erst mal nach Riga und hinterher sieht alles bestimmt viel besser aus.«

      Ich gab ein unartikuliertes Grunzen von mir und senkte meinen Blick ein wenig, während ich an Hannes vorbeiging. Er sollte die Tränen nicht sehen, die sich nun doch ihren Weg aus den Augenwinkeln bahnten. Bevor ich hinter der Zimmertür verschwand, gab ich ihm vorsichtshalber noch ein Daumen-hoch-Zeichen. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, entrang sich meiner Kehle ein leises Stöhnen. Ich gab dem Wunsch meiner Knie nach, die sich unbedingt beugen wollten. Bevor ich jedoch in der Horizontale angekommen war, klingelte mein Handy und ich zuckte wieder hoch.

       Simon? Oh, bitte lass es Simon sein. Ich brauch das jetzt.

      Schnell stürzte ich zum Schreibtisch und griff mir das Telefon.

       Scheiße, Freitag. Das kriegst du irgendwann zurück!

      Was mir eigentlich schon der Klingelton hätte sagen sollen, bestätigte mir nun das Bild auf dem Display. Es war nicht Simon, sondern die einzige Person, die dazu geeignet war, meine Stimmung noch mehr zu senken.

      Ich starrte


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