Die Diskette. Bernt Danielsson

Die Diskette - Bernt Danielsson


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die Tür auf.

      „Ab nach oben mit dir“, sagte er zu Chandler, der natürlich nicht folgte, sondern freudig auf den Vorplatz hinauslief. „Also gut“, sagte Schröder müde. „Aber du mußt nebenherlaufen, ist dir das klar?“

      Ich fand meinen Schal und die Handschuhe, die natürlich auf den Boden gefallen waren.

      „Verflucht noch mal!“ stieß er hervor und rannte die Treppe hoch.

      Als ich meine Lederjacke anhatte, kam er wieder runter.

      „Hatte den Herd vergessen“, sagte er mit einem merkwürdigen Lächeln und hob die Achseln. „Das wäre was gewesen, wenn auch noch die Hütte abgebrannt wäre. Ja zum Teufel auch!“ Er drückte eine blaue Gitanesschachtel in die Trenchcoattasche. „Und dann hätte ich fast noch die Kippen vergessen! Ist mir auch noch nie passiert. Das wäre ja eine noch größere Katastrophe gewesen. Komm jetzt! Auf zu den Bullen!“

      5

      Noch so verrückte Kanaken

      Ich schob das Moped den kurzen Abhang zum Fahrradweg hoch, der parallel zum Täbyvägen verlief, und erklärte Schröder, daß er unter gar keinen Umständen mein Piaggio fahren dürfe, sondern auf dem Gepäckträger sitzen müsse.

      „Verdammt, geht es nicht schneller?“ war das erste, was er von sich gab, kaum daß ich das Moped angetreten hatte und aufgesprungen war.

      „Lauf nicht so schnell, Chandler!“ schrie er dann unter krächzendem Lachen.

      „Das ist nicht so gedacht, daß man Leute darauf mitnehmen soll“, brummte ich.

      „Ist das überhaupt so gedacht, daß man damit fahren soll, oder wie?“ sagte er kichernd, und ich mußte auch lachen.

      Vor der Ampel an der Bushaltestelle fuhr ich beim Zebrastreifen über die Straße, und Chandler kam in langen Sätzen hinterhergesprungen, er schien sich ausgesprochen wohl zu fühlen in dem Schneematsch.

      „Wo fährst du denn überhaupt hin?! Wir wollen doch nach Täby Centrum!“

      „Abkürzung“, sagte ich ruhig. „Steig ab.“

      „Aha“, sagte er verblüfft, tat aber, was ich sagte.

      Ich schob das Piaggio trickreich durch so eine moderne Version eines Drehkreuzes und dann den steilen Abhang hinauf zum Trädgårdsvägen.

      „Läuft es nur bergab oder wie?“ fragte Schröder und kicherte.

      „Du kannst ja nach Täby laufen“, sagte ich sauer.

      „Nein, nein, verdammt!“ sagte er und versuchte, ernst zu bleiben, als er wieder auf den Gepäckträger stieg. „Chandler, schau zu, daß du nachkommst!“

      Immer noch segelten große, nasse Schneeflocken herab, und ein Teil der Fahrrad- und Fußwege glänzte weiß unter den Straßenlaternen. Chandler lief nebenher, und der Schnee wirbelte um ihn herum. Ab und zu blieb er stehen und schüttelte sich, daß es nur so spritzte. Wir trafen keine Seele, die Leute blieben alle zu Hause, und das war ja auch verständlich. Hätten wir auch machen sollen, dachte ich. In fast jedem Fenster der Einfamilienhäuser leuchteten kleine Lampen zwischen den Topfpflanzen, und die Fernsehapparate verbreiteten ihren gespenstischen Schein – es sah warm, trocken und gemütlich aus.

      „Halt dich fest“, sagte ich, kurz bevor ich über ein Loch fuhr.

      „Au, verdammt! Was war das? Bist du über einen Rentner gefahren?“

      „Hier werden Kabel verlegt“, sagte ich.

      „Kabel?“

      „Kabelfernsehen.“

      „So ein Scheiß“, brummte er. „Verdammt, man sollte einen Bolzenschneider nehmen und einen Spaten und sie einfach durchschneiden. Sie buddeln sie ja nicht sehr tief ein und markieren sie deutlich mit solchen Pygmäenpissoirs aus Plastik. Da drüben steht so eins.“ Lautes Lachen blubberte aus ihm hervor. „Das werde ich machen! Dann brauchen die armen Teufel nicht mehr diesen ganzen Kabelscheiß zu glotzen und werden nicht noch bescheuerter, als sie eh schon sind!“

      Würde mich nicht wundern, dachte ich, und das Moped kletterte langsam den letzten Abhang zum Enstavägen hinauf.

      „Das nenne ich Pferdestärke!“ brummte Schröder und schüttelte sich vor Lachen.

      Ich gab extra ein bißchen mehr Gas, als es wieder abwärts ging, und merkte, wie er sich festklammerte. „Denk dran, ich bin ein alter Mann“, fauchte er, und ich ließ den Hinterreifen im Schneematsch schliddern.

      Dann bremste ich am Turebergsvägen und wollte die Abkürzung über das Gras an der Kreuzung zum Stockholmsvägen nehmen.

      „Zum Teufel aber auch!“ keuchte Schröder, schlug mir auf die Schulter und zeigte nach vorn.

      „Bogart“, sagte ich verwundert. Chandler hatte uns eingeholt und stieß ein kurzes Bellen aus.

      Mitten auf dem Rasenstück stand Schröders verdreckter Dodge Ram zwischen den Bäumen eingekeilt, die Schnauze zeigte in Richtung Täby Centrum. Die Lichtkegel der Scheinwerfer erleuchteten die Schneeflocken und das kleine Waldstück auf der anderen Seite der Straße. Die eine Tür stand offen. Der Motor lief im Leerlauf, das klang natürlich wie drei Fischkutter auf Hochtouren. Das ganze Auto rüttelte und schepperte, als ob es genauso frieren würde wie Rashmal, und es sah auch genauso einsam und verlassen aus.

      Schröder sprang vom Gepäckträger und lief mit flatternden Trenchcoatschößen über die Straße, dicht gefolgt von Chandler. „Paß auf!“ rief ich hinterher, gab Gas und fuhr ihm nach.

      Schröder riß die hinteren Türen sperrangelweit auf. Gerade als ich dazukam, knallte er sie wieder zu. „Hat er aber Glück gehabt, daß er nicht da drinnen liegt und schläft!“ murmelte er. Ich stellte den Motor aus, klappte den Ständer runter und stieg ab. „Was hat der sich nur für eine Stelle als Parkplatz für Bogart ausgesucht!“ sagte er, und es klang beinahe beleidigt.

      Chandler lief in vollem Galopp los und sprang auf den Vordersitz. Schröder und ich kamen hinterher.

      „Rutsch mal, Dicker“, sagte Schröder und schubste Chandler auf den Beifahrersitz. „Der elende Türke hat seine Wichtelmütze dagelassen!“ sagte er verächtlich und hob die rote Pudelmütze mit spitzen Fingern hoch. Gleichzeitig inspizierte er mit gerunzelten Augenbrauen das Fahrerhäuschen, das noch genauso versifft war wie vor ein paar Monaten.

      „Es war ein Inder“, sagte ich.

      „Woher zum Teufel willst du das wissen?“ Er warf die Pudelmütze achtlos hinter sich, und sie landete hinter der Rückenlehne auf seiner alten Taxifahrermütze. „Er kann doch genausogut Pakistani gewesen sein, oder nicht?“

      Ich zuckte mit den Schultern. „Auf jeden Fall war es kein Türke.“

      „Egal“, sagte er abschließend. „Der Indianer hat auf jeden Fall Glück gehabt, daß er Bogarts Fahrerkabine nicht verwüstet hat.“

      Fahrerkabine, dachte ich und stöhnte. „Meinst du, daß er noch in der Nähe ist?“ fragte ich und spähte unruhig in den dunklen Schneeregen hinaus.

      „Ist mir scheißegal. Wenn der sich noch mal traut, seine Hauer zu zeigen, dann mache ich Rindercurry mit Tomatenchutney aus dem Kerl. Komm, wir fahren.“

      „Ich habe doch mein Moped“, sagte ich und sah eine Chance, nach Hause fahren zu können. Abgesehen davon, daß ich durch und durch naß war und mich auch ziemlich wackelig fühlte, wurde ich allmählich richtig müde. Hunger hatte ich auch, und zu Hause in der Tiefkühltruhe gab es Hackebällchen, Hamburger und Pommes, worauf ich viel mehr Lust hatte als auf irgendwelche japanischen Merkwürdigkeiten.

      Schröder sprang nach draußen, und ehe ich überhaupt reagieren konnte, hatte er schon die hinteren Türen aufgemacht.

      „Nein, warte!“ schrie ich, als mir klar wurde, was er vorhatte.

      Aber


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